Wut über Fanal der Geistlosigkeit

von 26. September 2015

Dabei ist die Erinnerung noch frisch an das furchtbare Feuer in der Freybergs-Brauerei in Glaucha, bei dem ebenfalls eine düstere, weithin sichtbare Wolke aufstieg und meterhohe Flammen aus dem Dach schlugen. Der 15. Juni 2015 war das traurige Datum. In den Monaten zuvor war der Alte Schlachthof betroffen. Für alle drei Objekte gilt: Es gab nach vielen Jahren des Stillstandes konkrete Pläne für die Rettung. Leider hält sich das Mitleid für Gebäude, die schon lange leerstehen und oft ebenso aussehen, in Grenzen. Allzuoft heißt es dann: Braucht keiner, hässlich, weg damit!

Fassungslosigkeit, Trauer und Wut mischen sich bei mir gerade. Warum? Wer macht sowas? Warum jetzt, da sich endlich, nach so vielen Jahren des Leerstands und Verfalls, Menschen gefunden hatte, die, mit ganz konkreten Plänen, das historisch wertvolle Gebäude retten wollten. Welche Rolle spielen Stadtverwaltung und Stadtrat dabei? Die wenigen aktiven Verteidiger der historischen Stadt sehen sich Betonköpfen gegenüber, die dem Ruf der hiesigen Tageszeitung folgen und „Schandflecken“ beseitigen und für das streitbare Stadtbahnprogramm, ohne Not, mal eben eine wunderbare alte Schule am Böllberger Weg wegreißen wollen. Allein dem massiven öffentlichen Druck engagierter Bürger mit Kultur und Geist und dem so erwirkten Eingreifen der Denkmalbehörden ist es zu verdanken, dass das Haus noch steht. Wenn dem OB und seinem Gefolge nichts Besseres einfällt, kann er doch auch in dieses Gebäude Flüchtlinge stecken. Es ist massiv, hat sogar eine Turnhalle und liegt einigermaßen zentral. Die Kosten wären dann gedeckt.

Was hier passiert, erzeugt Kopfschütteln. Auch wenn immer wieder akribisch aufgelistet wird, welche wertvollen Gebäude durch (dieselben?) geistlose Hirne in der DDR zerstört wurden. Auf Pläne aus den 60er Jahren wird verwiesen, wo paranoide Kapitalismushasser große Teile der historischen Stadt von Halle dem Erdboden gleich machen wollten, um an ihre Stelle das Beton- und Stahlmonstrum der neuen Zeit zu errichten. Doch wo ist der moralische Zeigefinger, wenn es um das Zerstörungswerk der 25 Jahre nach der DDR geht? Denn dabei sind keineswegs zwei-drei Ausnahmen zu beklagen , sondern eine Vernichtung von Gütern von beachtlichem Ausmaß. Hinter den vielen schönen Fassaden, die Halle seit 1990 bekommen hat und hinter den zahlreichen, absolut lobenswerten Initiativen zur Auferstehung einer über 1000-jährigen Stadt, die zuvor scheinbar für die Ewigkeit im Bleigrau versunken schien, ist die Zerstörung von Industrie- und Kulturdenkmalen als „Kolateralschaden“ verborgen. Die Liste der Objekte, um die es geht, ist lang: von der totalen Zerstörung (u.a. Zuckerfabrik, Schützei, Most-Schokoladenfabrik) angefangen, über die massive Schädigung (Freybergs-Brauerei, alter Schlachthof) bis hin zu traurigen Beispielen des Totsanierens (Abschlagen von Stuck unter anderem im Paulusviertel, Beseitigung von historischen Aufschriften wie McCormick in der Merseburger, Vernichtung beispielhafter DDR-Neubauten an der Brunoswarte). Von den vielen geschmacklosen Lückenbebauungen im einfallslosen Kasten- und Bunkerstil einmal ganz abgesehen.

Leider hat dieses Land inzwischen in weiten Teilen sein Gesicht verloren. Geld, Geltungssucht und Geistlosigkeit haben massiven Schaden angerichtet. Das darf nicht länger hingenommen werden. Kulturbarabarei muss konsequent geächtet und hart bestraft werden. In die Schulen dieses Landes gehören Unterrichtsstunden, in denen den Kindern das Wirken und Schaffen der Ahnen nahe gebracht wird und der Respekt vor dem Werk Anderer. Denn eine bedenkliche Gleichgültigkeit und Unwissenheit ist weit verbreitet. Die Schäden, die dadurch entstehen, sind überall zu sehen. Die Frage bleibt: Was kann getan werden, um der anhaltenden Zerstörung entgegen zu treten? Aufklärung, Obacht, Kameras, Bewegungsmelder …