Zukunftsrat tagte in Halle

von 28. September 2010

Zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft haben sich in Halle (Saale) zu einer neuen Tagung des „Frankfurter Zukunftsrates“ getroffen. Der Zukunftskreis "Wirtschaft und Politik" fand damit erstmals in den neuen Bundesländern statt. Dazu konnte Gerd Micheel vom gleichnamigen Küchenstudio als erstes Mitgliedsunternehmen aus Sachsen-Anhalt im Zukunftsrat begrüßt werden.

Im Rahmen eines Pressegesprächs des Rates beklagte Halles Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados die mangelhafte finanzielle Ausstattung der Kommunen. Das Stadtoberhaupt forderte, die Stadtwerke nicht mehr in eine Ecke der Gemeinnützigkeit zu drängen. „Auch Stadtwerke müssen Geld verdienen dürfen“, so Szabados. Sie beklagte zudem Pläne zur Abschaffung der Gewerbesteuer. Diese sei eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen. In diesem Zusammenhang forderte sie eine „vernünftige Gebietspolitik oder eine vernünftige Finanzausgleichspolitik.“ Beides sei in Sachsen-Anhalt dürftig. Die Steuereinnahmen von Halle würden im Speckgürtel anfallen. Szabados fordert zudem, Schluss zu machen mit der Kleinstaaterei und sprach sich für ein großes mitteldeutsches Bundesland aus. So könnte man im Wettbewerb mit anderen Bundesländern punkten und müsse weniger Geld für die Administration ausgeben, weil keine drei Landesregierungen und drei Parlamente mehr nötig seien.

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement stellte acht Forderungen des Zukunftsrates vor. Der wichtigste Punkt dabei: „Die Hinterzimmerpolitik der Parteien muss beendet werden.“ Er plädiere stattdessen für Offenheit und Transparenz im politischen Betrieb. Zudem sollten sich Regierungen und Parteien aus den Medien zurückziehen. „Vor allem aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, so Clement. Er selbst sei als Ministerpräsident damals in den Rundfunkrat des ZDF gekommen, allerdings ausgetreten. Es sei nicht vertretbar, dass Ministerpräsidenten die Aufsicht über die Medien haben, die ihre Arbeit kritisch begleiten sollen. Zudem sollten die Bürger so früh wie möglich in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden, zum Beispiel durch Volksentscheide und einen Bürgerhaushalt.

Als „unzureichend“ bezeichnete Clement die Aufstellung von Politiker. „Die Auswahl unseres politischen Personals geschieht auf eine Weise, die der Demokratie nicht würdig ist“, heißt deshalb ein zweiter Punkt des Zukunftsrates, der am Dienstag vorgestellt wurde. So kritisierte Clement, dass die Auswahl der Listenkandidaten für den Bundestag quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert. Der Politiker fordert deshalb öffentliche Vorwahlen für die Kandidaten, möglicherweise sogar über das Internet. Künftig sollte zudem auch der Bundespräsident direkt gewählt werden, Clement plädierte für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes.

Die von Oberbürgermeisterin Szabados angesprochene finanziell angespannte Lage der Kommunen wurde ebenfalls thematisiert. Clement forderte eine Stärkung der Kommunen, aber auch eine Abschaffung der Gewerbesteuer. Diese sei nicht mehr zeitgemäß und zu anfällig. Kritik übte er auch daran, dass Bund und Länder ständig Entscheidungen treffen würden, die die Kommunen ausbaden müssten. Deshalb forderte Clement, die Städte und Gemeinden zumindest an Entscheidungen auf Länderebene zu beteiligen.

Auch eine föderale Reform wurde gefordert. „16 Länder sind nicht gerechtfertigt“, meinte Clement. Sechs bis acht große und starke Bundesländer würden es auch tun. Daneben gab es noch Kritik an Europa. Die EU leide unter dem Mangel an Öffentlichkeit und den Mangel an demokratischen Strukturen. Da würden Posten besetzt mit Leuten, die niemand kenne. Die Bürger müssten in solche Prozesse stärker einbezogen werden. Clement forderte in diesem Zusammenhang einen großen gemeinsamen öffentlich-rechtlichen europäischen Fernsehsender, der auch Unterhaltung, Kultur und Sport bringe.