Osttangente als “Tor zur Stadt”

von 31. Januar 2010

Am Donnerstag informierte die Stadtverwaltung von Halle (Saale) in einem Bürgerforum im Stadthaus über den vierten Bauabschnitt der Haupterschliessungsstraße Gewerbegebiet Halle-Ost (HES), auch Osttangente genannt. Der jetzt projektierte Abschnitt zwischen Delitzscher Straße und B100 – er geht auf Planungen bereits aus den 30er Jahren der vergangenen Jahrhunderts zurück – soll im Jahr 2013 in Betrieb genommen werden. Herr Otto vom Tiefbauamt erläuterte, man erhoffe sich mit der Straße Entlastungen der Innenstadt vom Fernverkehr. Dies sei vor allem für die Merseburger und die Paracelsusstraße Vonnöten, weil neben Feinstaub und Stickstoffdioxid künftig auch der Umgebungslärm eine Rolle spielt. “Dafür ist eine Entlastungsstraße wichtig.” Planungen der Verwaltung zufolge werden die neue Verbindung einmal 14.000 Fahrzeuge am Tag nutzen. Diskutiert habe man verwaltungsintern auch, ob man die Osttangente nicht bereits an der Berliner Straße enden lassen könnte. Das würde aber nach durchgeführten Variantenberechnungen 43 Prozent mehr Verkehr für die Berliner Straße bedeuten. Diese müsste zudem ausgebaut werde, was eine zweijährige Sperrung nach sich ziehen würde.

Eine ebenfalls untersuchte Tunnelvariante für die Osttangente wurde von der Verwaltung aus Kostengründen verworfen, war zu erfahren. Man hätte dazu unter anderem eine teure Grundwasserwanne gebraucht. Alles in allem würde die Stadt 7,9 Millionen Euro mehr ausgeben müssen. Stattdessen wird nun ein 8 bis 10 Meter hoher Damm mit insgesamt vier Brücken realisiert. Die Verbindung über B100 solle eine markante Stahlbogenbrücke erhalten, als “Tor zur Stadt”. Die anschließende Einbindung in die Bundesstraße erfolgt wegen des Baugrundes als linksgeführte Trompete. Die Ausgleichsflächen für die Versiegelung sollen am Bruchsee in Halle-Neustadt angelegt werden. Schon im Rahmen der Delitzscher Straße wurde die Fläche der ehemaligen ATU-Werkstatt hierfür vorgeschlagen. Die Fläche sei aber laut Verwaltung dafür nicht nutzbar.

Die Reideburger Straße wird nur von der Westseite an die HES angeschlossen und mit einer Ampelanlage versehen, während der östliche Teil zu einer Sackgasse wird und nur Radfahrer sowie Fußgänger die HES kreuzen können. “Das machen wir zum Schutz der Anwohner”, so die Verwaltung. Sonst würde sich der Durchgangsverkehr auch durch das Wohngebiet quälen.

Mehrfach Thema in der Debatte war die Rad-und Fußgängerkreuzung am Hobergweg. Hier plant die Stadt eine niveaugleiche Querung mit einer Bedarfsampel. Anwohner forderten für die Sicherheit der Schulkinder – sie müssen auf dem Weg zur Diemitzer Schule hier entlang – eine Untertunnelung. Diese Variante soll dem Stadtrat beziehungsweise den Ausschüssen dann zur Entscheidung vorgelegt werden. Ein Vorschlag lautete auch, auf die Ampel zu verzichten, den Rad-und Fußweg auf die Ostseite der HES bis zur Kreuzung Reideburger Landstraße zu führen und diesen mit dem eingesparten Geld bis zur Fritz-Hoffmann-Straße zu verlängern.

Für Kritik bei den Anliegern am Dautzsch und in Diemitz sorgte vor allem der Damm, der teilweise in einer Entfernung von 30 Metern künftig tausende Autos täglich an ihren Häusern vorbeidonnern läßt. Laut Stadt werden die Lärmgrenzwerte eingehalten, was die Anwohner im Saal unter anderem mit “Münchhausen”-Rufen quittierten. Der Schall breite sich nach oben aus, argumentierte die Verwaltung. “Deshalb hört man auch die Flugzeuge nicht”, hörte man aus dem Publikum zynische Worte. Für sie vor allem unverständlich: bereits vorhandene Lärmquellen werden nicht mit berücksichtigt. “Hier wird ohne Rücksicht auf den Verlust der Lebensqualität der Anwohner geplant”, schimpfte der Vorsitzende der Anliegerinitiative vom Dautzsch. “Einer solchen Planung kann man aus rechtlichen und fachlichen Gründen nicht zustimmen.” Es gebe massive Verstöße gegen Bundes-, Landes und Kommunalrecht. Er forderte eine Neuauflage des Anhörungsverfahrens. Zweifel an der Wirksamkeit der HES äußerte Herr Bleß vom
Bürgerverein Diemitz.

Deutliche Worte fand auch Herr Keneder. “Die HES wird der Umweltzone nicht gerecht”, erklärte er. “Sie ist dafür nicht ausreichend dimensioniert.” Vier Spuren seien nötig. Komme die Umweltzone, dann müsse ein Großteil des jetzt über die Paracelsusstraße rollenden Verkehrs über die Osttangente fahren. Damit stimmen auch die von der Verwaltung vorgelegten Belegungszahlen von 14.000 Fahrzeugen am Tag nicht. “Sie müssen die Umweltzone in ihre Planungen mit einbeziehen.” Was die Stadt nicht tut. “Wir werden die HES nicht vierspurig ausbauen. Wir haben 2 Spuren für ausreichend”, teilte Herr Heinz vom Tiefbauamt mit. Sein Kollege Herr Otto erklärte, die Osttangente in der jetzigen Planung sei mit bis zu 25.000 KFZ am Tag belastbar. Die Verkehrsplanung stelle man anhand der jetzigen Gesetzeslage auf. Will heißen: obwohl in der Stadtverwaltung eine Umweltzone in der Diskussion ist und wohl nach Meinung des Umweltamtes kommen wird, beachtet man diese in den Planungen zur Osttangente überhaupt nicht. Schließlich gibt es noch keine endgültige Entscheidung zur Umweltzone. Die Verwaltung wartet hier also ab, bis das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.