Durch den demografischen und epidemiologischen Wandel in Deutschland entstehen zunehmend komplexe Krankheitsbilder, die ein stärkeres, interprofessionelles Handeln und Kooperationen der einzelnen Berufsgruppen notwendig machen. Wir wollen Barrieren zwischen den Berufsgruppen abbauen und Kompetenzen modern abbilden, so Professor Gekle, der in dem neuen Studiengang ein Alleinstellungsmerkmal für die hallesche Universitätsmedizin sieht, welches über die Landesgrenzen hinweg ausstrahlen und das Profil der Medizinischen Fakultät schärfen werde.
Die Absolventen/innen dieses primärqualifizierenden Studienganges, der maßgeblich von der AOK Sachsen-Anhalt unterstützt wird, werden zwei Abschlüsse erhalten: einen Bachelor in Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie einen Berufsabschluss als Gesundheits- und Krankenschwester/-pfleger. Die Ausbildung erfolgt dabei durchgehend auf einem akademischen Niveau und teilweise gemeinsam mit den Studierenden der Medizin. Das Bundesministerium für Gesundheit hat für dieses Modellvorhaben eine Genehmigung gegeben. Das Besondere an diesem Studium ist, dass die Absolventen heilkundliche Tätigkeiten auf zwei Gebieten durchführen dürfen, unterstreicht Christiane Becker, Direktorin des Pflegedienstes des Universitätsklinikums Halle (Saale) die Bedeutung des Vorhabens und der Erlaubnis des Bundesgesundheitsministeriums. Das BMG hat die Erlaubnis für heilkundliche Tätigkeiten (metabolisches Syndrom/Diabetes mellitus Typ 2 und chronische Wunden), die ansonsten eine Ärztin/ein Arzt bei multimorbiden Patienten durchführt, erteilt.
Die AOK Sachsen-Anhalt möchte mit diesem Studiengang vor allem die gute Versorgung der Pflegebedürftigen zukunftssicher machen. Denn in der Pflege droht in den nächsten Jahrzehnten ein Versorgungsengpass. Weit über 120.000 Pflegebedürftige wird es in Sachsen-Anhalt im Jahr 2030 geben, das sind 30 Prozent mehr als heute. Gleichzeitig gehen bis 2025 über 800 Hausärzte in Rente. Peter Klas, Leiter Krankenhausplanung und -verhandlung bei der AOK Sachsen-Anhalt: Die Versorgung muss gut bleiben, doch wer soll es tun? Deswegen müssen auf Hochschulniveau ausgebildete Gesundheits- und Krankenpfleger die Kompetenzen erhalten, um eigenverantwortlich und evidenzbasiert gemeinsam und in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt die Behandlung zu planen, durchzuführen und auch zu evaluieren. Die AOK wünscht sich, dass die ausgebildeten Fachkräfte insbesondere in ländlichen Regionen die Ärztenetze unterstützen, entweder mit eigenen Praxen oder in ambulanten oder stationären Pflegediensten.
Sinn des Modellstudiengangs ist eine akademisierte Pflegeausbildung auf universitärem Niveau. Der Bachelor-Studiengang ist auf vier Jahre angelegt. Für die Abschlüsse ist die Medizinische Fakultät zuständig. Die Herausforderungen in der Pflege werden stetig komplexer, da die Menschen immer älter werden und an vielen Krankheiten gleichzeitig leiden. Wir möchten mit der Akademisierung der Pflegeausbildung dazu beitragen, dass auch künftig die Patienten optimal und anhand neuester, wissenschaftlich-fundierter, Erkenntnisse versorgt werden können, so Prof. Gekle. Dazu gibt es eine Vereinbarung mit den gesetzlichen Krankenkassen, die das Modellvorhaben nach §63 SGB V unterstützen.
Christiane Becker unterstreicht, dass mit dem Studiengang die Pflegeberufe attraktiver werden können und auch Personengruppen wie Abiturienten ansprechen, die nicht an erster Linie an eine Pflegeausbildung gedacht haben. Die Pflegedirektorin sagt: Die Berufsfelder für die Absolventen des neuen Studiengangs sind breitgefächert. Allen gemein ist eine höhere Verantwortung in der Versorgung der Patienten. Dazu gehören beispielsweise das Erstellen von Pflege- und Therapieplänen über die Dauer eines Krankenhausaufenthaltes, die fachliche Leitung der Pflege auf Augenhöhe mit den behandelnden Ärzten, aber auch die ganzheitliche Betrachtung insbesondere bei älteren Patienten, die an mehreren Krankheiten leiden. Hierbei kann der Pflegewissenschaftler oder die Pflegewissenschaftlerin anderen Pflegenden als Experte bzw. Expertin beratend und wissenschaftsbasiert zur Seite stehen. Zudem werden den Studierenden die Kompetenzen vermittelt, innerhalb der heilkundlichen Aufgaben beispielsweise auch die Medikamentierung anzupassen. Aber auch die berufliche Perspektive als Forschungsassistenz ist möglich sowie ein aufbauendes Masterstudium und eine anschließende Promotion.
Der Studiengang Evidenzbasierte Pflege richtet sich an Interessierte mit Abitur und ohne vorherige Ausbildung in einem medizinischen bzw. pflegerischen Beruf.