Junge Klangforscher im Krankenhaus

von 12. September 2016

Wenn Anke Krüger auf der Station 2 des Krankenhauses ihre „Wunderkiste“ mit selbst hergestellten, sogenannten Weltinstrumenten auspackt, weicht die anfängliche Skepsis der Kinder schnell dem Verlangen, die Rasseln, Trommeln, Flöten oder Glocken selbst auszuprobieren. Kein Instrument gleicht dem anderen – jedoch sind fast alle Bestandteile aus natürlichen Materialien gefertigt. „Mit dem musiktherapeutischen Angebot möchten wir Kindern, die einen stationären Aufenthalt im Krankenhaus verbringen müssen, eine kreative Ablenkung ermöglichen“, erklärt die Pädagogin.

Die Therapie richtet sich vorwiegend an zwei Zielgruppen. Kinder im Alter zwischen zwei und zehn Jahren dürfen sich in erster Linie selbst ausprobieren. Als „Klangforscher“ entlocken sie den Instrumenten verschiedenartige Töne und ordnen diese zum Beispiel Natur- oder Tierlauten zu. Klingt der eben gehörte Ton wie ein
Frosch oder eher wie ein Vogel? Lassen sich Wind- oder Regengeräusche imitieren? Verschiedene Töne zusammengenommen ergeben ein wahres Klanggewitter. Die Spieltechnik ist nicht vorgegeben, ein Richtig oder Falsch gibt es nicht.Hören, Greifen, Fühlen – bei den ganz jungen Patienten werden vor allem die Sinne angesprochen. Mit Klangforschern ab zwölf lassen sich strukturierte therapeutische Ansätze erarbeiten, wobei auch hier der Spaß am freien Musizieren im Vordergrund steht. Im Durchschnitt sind die Kinder, die sich einmal in der Woche im Spielzimmer der Station einfinden, zwischen sechs und acht Jahre alt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit mit gehandicapten Kindern, die zum Teil schwere Entwicklungsstörungen oder Verhaltensbesonderheiten zeigen. Zusätzlich zum Hörerlebnis können die Instrumente am Körper angesetzt werden, damit die Kinder über die Schwingungen ein Wohlgefühl erfahren und sich entspannen.

Priv.-Doz. Dr. Ludwig Patzer, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, hat das musiktherapeutische Angebot gezielt in seiner Klinik angesiedelt. „Bemühungen, die in Einzelfällen schon sehr gut nachgewiesenen positiven Effekte der Musik in die ärztliche Heilkunde zu integrieren, gibt es schon lange. Am bekanntesten ist wohl der „Mozart-Effekt“, also die nachgewiesene antikonvulsive Wirkung von Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur KV 448. Kinderärzte und Kinderkrankenschwestern wissen um die eindrucksvolle Wirkung von Musik ganz besonders auch auf behinderte Patienten oder Früh- und Neugeborene“, so Patzer. Die Frage, ob sich Musiktherapie auf der „ganz normalen“ Station einer Kinderklinik mit einer Verweildauer von wenigen Tagen sinnvoll umsetzen lasse, könne nach den Erfahrungen der ersten Monate mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden.

Dr. Anke Krüger, die auch die Kinder- und Jugendangebote der Staatskapelle Halle betreut und Musiktheaterprojekte für Schulkinder koordiniert, betont, selbst große Freude an den mit einfachen Mitteln erzeugten Klängen und den spontanen Reaktionen der Kinder zu haben. Die Kinder würden sich ganz auf die Klangexperimente einlassen, der Krankenhausalltag rücke in den Hintergrund. „Es ist schön, die unverfälschte Freude der Kinder zu erleben, wenn Sie überraschende Töne erzeugen oder einen Klang einem gewissen Tier oder Ereignis zuordnen“, erzählt die Therapeutin.
Das Angebot findet jeden Dienstag zwischen 14 und 16 Uhr auf der Station 2 des Kinderzentrums statt.