Karriere, Konkurrenz, Kollaps – Männer mit Krebs müssen umdenken!

von 1. November 2016

»Im richtigen Moment Hilfe anzunehmen, zeugt von Stärke und kann im Ernstfall Leben retten. Eine Krebserkrankung haut selbst den stärksten Mann um und sollte deshalb nie alleine bewältigt werden müssen! Eine gezielte psychoonkologische Begleitung, wie sie in den Landeskrebsgesellschaften angeboten wird, kann betroffenen Männern helfen, ihre Erkrankung besser zu verarbeiten und schneller wieder auf die Beine zu kommen«, betont Prof. Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Vorstandsvorsitzender der Sachsen-Anhaltischen Krebsgesellschaft e. V..

Dass die Realität oft anders aussieht, bestätigen die Zahlen: In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 252.000 Männer neu an Krebs. Bei den Frauen sind es im Vergleich nur etwa 226.000 Fälle. Derzeit erhält jeder zweite Mann im Laufe seines Lebens die Diagnose Krebs. Das sind rund 51 Prozent aller Männer im Vergleich zu 43 Prozent bei den Frauen. Bei Männern ab 65 Jahren ist das Erkrankungsrisiko sogar fast doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen Frauen. Das hat auch schlechtere Überlebenschancen zur Folge (Robert Koch Institut „Krebs in Deutschland 2011/2012“, 10. Auflage 2015).

Dennoch waren 2015 bundesweit nur rund 25 Prozent aller Ratsuchenden in den Psychosozialen Krebsberatungsstellen der 16 Landeskrebsgesellschaften männlich. Ganz nach dem Motto „Karriere, Konkurrenz, Kollaps“ stellen viele Männer ihre Gesundheit, aber auch seelische Bedürfnisse hinten an. Sie werden schon als Kind auf „Mann geeicht“, wie Herbert Grönemeyer das Dilemma in seinem Lied „Männer“ so treffend beschreibt. »Männern fällt es schwer, sich jemandem anzuvertrauen. Sie wollen stark sein und „Ihren Mann stehen“, auch wenn sie krank sind. Sie tun sich schwer damit, Gefühle zu offenbaren, denn Reden ist nur was für Frauen. Dieses Klischee hält sich leider hartnäckig in den Köpfen der Männer. Wir Psychoonkologen stoßen bei ihnen oft erst mal auf Ablehnung. Erklärt man ihnen aber, wie Psychoonkologie wirkt, öffnen sie sich und fangen an zu reden«, bestätigt Sven Weise, Geschäftsführer der Sachsen-Anhaltischen Krebsgesellschaft e. V..

In den Psychosozialen Krebsberatungsstellen der 16 Landeskrebsgesellschaften begleiten psychoonkologisch geschulte Fachkräfte krebskranke Menschen und deren Angehörige bei der Krankheitsverarbeitung und Bewältigung des alltäglichen Lebens mit oder nach Krebs. Sie beraten Betroffene, helfen ihnen dabei, neue Perspektiven für ein Leben mit Krebs zu entwickeln und bieten eine ganze Reihe an unterstützenden und stärkenden Maßnahmen an, wie Ernährungs- und Entspannungskurse oder Sportprogramme.

Vor dem Hintergrund, dass in Zukunft immer mehr Menschen Jahre oder sogar Jahrzehnte mit ihrer Krebserkrankung leben werden und auch lernen müssen, mit den damit verbundenen psychischen Belastungen umzugehen, begrüßt die Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft e. V. jede Kampagne, die sich für ein besseres Gesundheitsverhalten der Menschen einsetzt.

Der Aktionsmonat „Movember“ fördert ein Umdenken bei den Männern. Er wurde bereits 2003 in Australien ins Leben gerufen, um sie über Vorsorge von Prostata- und Hodenkrebs, aber auch über psychische Erkrankungen aufzuklären, sie zu einem gesünderen Lebensstil zu bewegen und Spenden für die Gesundheitsvorsorge zu sammeln. Dabei ließen die Initiatoren sich im November ihre Bärte wachsen und erzielten so große Aufmerksamkeit weltweit. Unter www.movember.com können sich auch in Deutschland interessierte Männer an der Aktion beteiligen.

Anhang

Das männliche Selbstverständnis hat sich über Jahrhunderte hinweg kaum verändert. Der amerikanische Psychologe Herb Goldberg beschrieb das Selbstverständnis der Männer bereits Ende der 60er Jahre wie folgt:

Sieben maskuline Imperative

1. Je weniger Schlaf ich benötige,
2. Je mehr Schmerzen ich ertragen kann,
3. Je mehr Alkohol ich vertrage,
4. Je weniger ich mich darum kümmere, was ich esse,
5. Je weniger ich jemanden um Hilfe bitte und von jemandem abhängig bin,
6. Je mehr ich meine Gefühle kontrolliere und unterdrücke,
7. Je weniger ich auf meinen eigenen Körper achte,

desto männlicher bin ich.

Diese Einstellung „verbietet“ vermeintlich weibliche Eigenschaften. Wird die Männlichkeit sowie von Goldberg beschrieben verstanden, ist dies schädlich für jegliche Art des Gesundheitsverhaltens.