Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 kg/m² sprechen Mediziner von einer Adipositas-Erkrankung Grad 1. In den Industrieländern, in denen die Lebensbedingungen mehrheitlich durch wenig körperliche Arbeit bei einem gleichzeitigen Überangebot an Lebensmitteln geprägt sind, besteht ein besonders hohes Risiko, eine aus medizinischer Sicht bedenkliche Fettleibigkeit zu entwickeln. In den letzten Jahren sind zunehmend auch Schwellenländer von dieser Entwicklung betroffen. Zusätzlich erhöhen Erkrankungen wie Diabetes, genetische Faktoren sowie ungünstige Voraussetzungen im sozialen Umfeld die Wahrscheinlichkeit, eine Adipositaserkrankung unterschiedlich schwerer Ausprägung zu entwickeln. Adipositaspatienten zeigen zudem häufig Begleiterkrankungen wie Schädigungen des Bewegungsapparates, Schlafapnoe oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die konservative, also nichtoperative Behandlung von Adipositas-Patienten basiert auf drei Säulen: Der Verhaltenstherapie, der Ernährungstherapie und der Bewegungstherapie. Führt eine konservative Therapie nicht zu einem nachhaltigen Erfolg oder übersteigt der BMI den Wert von 50 kg/m², bei welchem nichtoperative Konzepte nur noch selten greifen, rät der Arzt zu einem Eingriff. Die metabolische, den Stoffwechsel betreffende Chirurgie kennt verschiedene Ansätze, um das hohe Gesundheitsrisiko eines Patienten mit erheblichem Übergewicht zu senken. Neben den verschiedenen Verfahren einer Magenverkleinerung können zum Beispiel Dünndarmschlingen operativ ausgeschaltet werden, so dass die Aufnahme der Nahrungsbestandteile im Körper deutlich reduziert wird. Der operative Eingriff selbst wird nahezu immer minimal-invasiv, mit dem schonenden Schlüssellochverfahren, durchgeführt. Am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale) hat nun eine Gruppe von Spezialisten aus verschiedenen Fachrichtungen die regelmäßige Zusammenarbeit bei der Behandlung von Patienten mit gesundheitsgefährdendem Übergewicht im Rahmen eines Adipositasboards vereinbart. Der interdisziplinäre Austausch von Internisten, Chirurgen, Ernährungstherapeuten, Physiotherapeuten und Psychologen zu schweren Adipositasfällen findet in Sachsen-Anhalt außer am Hallenser Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara nur noch in Magdeburg statt.
Dr. Walter Asperger, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Ärztlicher Direktor des katholischen Krankenhauses, hat die Adipositaschirurgie am Standort begründet und weiterentwickelt. Gemeinsam mit Oberarzt Dr. Frank Weigmann, der als Viszeralchirurg das Adipositaszentrum leitet, wurde nun am Krankenhaus die Idee umgesetzt, ein Spezialistenforum ins Leben zu rufen. Dr. Asperger beschreibt das Vorgehen: Bei der Diagnose und Therapie der Adipositaserkrankung beziehen wir die Kompetenz aller beteiligten Fachrichtungen gleichermaßen ein und erreichen so eine besonders erfolgreiche Behandlung. Der erfahrene Chirurg setzt dabei auch auf den guten Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten. Selbstverständlich laden wir auch weitere externe Kollegen recht herzlich ein, sich am Adipositasboard zu beteiligen, so Asperger.
Die Vorteile des interdisziplinären Austausches liegen auf der Hand: Bereits im Vorfeld untersuchen Psychologen den Patienten auf etwaige psychische Erkrankungen, Suchterkrankungen oder psychische Gründe für ein gestörtes
Essverhalten. Ernährungstherapeuten erarbeiten im Rahmen des DocWeight genannten Programms individuelle Ernährungspläne. Physiotherapeuten leiten den Patienten an, durch eine Bewegungstherapie entscheidende Schritte in Richtung des gewünschten Normalgewichts zu gehen. Auf der internistischen Seite können mögliche endokrinologische, die Hormondrüsen betreffende Störungen, sicher erkannt werden. Diabetologen betrachten Fälle, in denen die Adipositas durch eine Diabeteserkrankung hervorgerufen wird. Die Gastroenterologie klärt durch eine Magenspiegelung die Risiken einer möglichen Operation ab. Anästhesisten und Intensivmediziner erstellen schließlich ein individuelles Risikoprofil des Patienten hinsichtlich seiner Narkosefähigkeit. Eine entscheidende Rolle, so die Experten des Adipositasboards, spielt jedoch immer auch die Eigenmotivation des Patienten bei der Reduktion des Übergewichts.
Dr. Frank Weigmann verspricht sich von den regelmäßigen Sitzungen des Adipositasboards einen weiteren Ausbau des Alleinstellungsmerkmals im Hallenser Klinikumfeld: Unser Ziel ist, dem bisherigen Mangel an fundierter Behandlung adipöser Patienten entgegenzuwirken und die Diagnose und Therapie des vielschichtigen Krankheitsbilds optimal aufeinander abzustimmen. Neben dem Ausbau von Diagnose und Therapie sei das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara auch bei der Ausstattung auf die Aufnahme von Adipositaspatienten vorbereitet, zum Beispiel durch spezielles OP-Instrumentarium und Mobiliar.
Patienten mit erheblichem Übergewicht können sich in der speziellen Adipositassprechstunde der Klinik gezielt informieren und beraten lassen. Termine sind unter der Telefonnummer (0345) 213 -4271 zu vereinbaren.
Bildunterzeile:
Interdisziplinärer Austausch für optimierte Behandlungsstrategien (v.l.n.r.): Eva-Maria Steinke (Diplom- Ernährungswissenschaftlerin), Christiane Lützner (Diplom-Psychologin), Barbara Renz (Ernährungsmedizinerin / Chirurgin), Dr. Walter Asperger (Ärztlicher Direktor / Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirugie, Dr. Frank Weigmann (Viszeralchirurg / Leiter Adipositaszentrum), Dr. Frank Ackermann (Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologe / Androloge), Thomas Wüstner (Geschäftsführer Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara), Steffi Bauerfeld (Dokumentationsassistentin). (Quelle: Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara / Bergert).