„Als wär nix gewesen“ – ein (Wohnraum)Experiment

von 7. März 2012

 8 Studierende des 3. Studienjahres verschiedener Fachbereiche der Burg Giebichenstein luden ein, um ihr „Experiment“ einem kunstinteressierten Publikum vorzustellen. Es war ein eigenständiges Projekt der 8, für welches sie Betreuer und Förderer suchten; kein Pflichtpraktikum mit vorgegebenem Lerninhalt. Das Ergebnis: Ein beständiger Lernprozess und durch völlige Handlungsfreiheit sehr intensive Erfahrungen für die beteiligten Studenten, Entstehen und Vergehen, Anerkennung von Kommilitonen und Förderern, ungläubiges Gucken. Eine experimentelle Werkstatt in einer leer gewordenen Wohnung im halleschen Stadtteil Silberhöhe. Ansatz war ein Ausloten des breiten Spektrums von Möglichkeiten, welche die schlichten Koordinaten Decke, Wand und Boden eröffnen. Der Austausch mit Studierenden anderer Fachbereiche spielt dabei eine zentrale Rolle. Hier trafen Buchkunst, Bildhauerei/Figur, Bildhauerei/Metall, zeitbasierte Künste und Kunstpädagogik interdisziplinär zusammen, um sich mit dem Interessenschwerpunkt „Raum“ künstlerisch-praktisch auseinanderzusetzen. Es wurde skizziert und gestrichen, beobachtet, aufgezeichnet, nachgezeichnet, überzeichnet, zerlegt, gebaut, verbaut, eingebaut und eingerissen. Diese verschiedenartigen Raumerfahrungsprozesse wurden beständig durch die Kameralinse begleitet und dokumentiert: Ein künstlerisches Raumforschungsfeld inmitten regulär bewohnter Mieteinheiten. So wurden z. B. im Flur Körpererfahrungen im Raum realisiert, ohne dabei die Funktion „Flur“ zu beachten. Es wurden Sichtachsen hergestellt, mit dem Körper gemessen und Gedanken auf die Wand gebracht. Im Schlafzimmer sollte das Raumempfinden von Kindern herausgearbeitet werden. Herausgekommen ist eine Höhle mit unterschiedlichen Sichtweisen und Sichtachsen. In weiteren Räumen wurde mit verschiedenen Materialien gearbeitet, ein minimalistisch eingerichteter weißer Raum entstand und in der Küche wurde mit Lebensmitteln experimentiert. Es entstand eine Inszenierung aus Teigbruchstücken und Mehl. Es ragten Flaschenhälse aus den Wänden und ein filigranes Nest aus Maulbeerbaum entstand. Daneben wurden gruppen-experimentelle Projekte durchgeführt, wie ein dupliziertes Dinner mit Handlungsanweisungen in 2 gespiegelten Wohnungen. Sicher – für den „Nicht“-Studenten alles sehr staunenswert; für die 8 Studenten aber ein wichtiger Lernprozess, auch im Umgang mit der breiten Öffentlichkeit und mit den Medien. Beachtenswert ist die völlig selbstständige Durchführung des Projektes durch die Studenten und der professionelle Enthusiasmus, mit welchem sie dieses Projekt realisierten. Nach Ablauf der zweimonatigen Projektphase werden, dem üblichen Mietprozedere Folge leistend, die Spuren dieser Zwischennutzung sorgfältig beseitigt und die Wohnungen wieder in den Ausgangszustand zurück versetzt. Das Experiment zeigte, welche fast unbegrenzten temporären Handlungsspielräume die Gestaltung einer Mietwohnung bietet. Gefördert wurde das Projekt durch den Freundeskreis und Förderkreis der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle e. V., den  Studentenrat der Burg Giebichenstein, sowie von der Halleschen Wohnungsgenossenschaft „Freiheit“ eG. Prof. Stella Geppert hat das Projekt beratend unterstützt.