„Gertrud“ und der Kinderchor begehen 35. Bestehen

von 22. Oktober 2009

(una) Vor 35 Jahren wurde er gegründet als Kinderchor des Volkschores Halle. Heimstatt war damals der Volkspark in der Burgstraße. Und von Anfang an dabei Sabine Bauer als Chorleiterin. Kurz danach holte sie Manfred Wipler zum Chor, eigentlich nur als Stimmbildner vorgesehen. Aber manchmal kommt es anders als gedacht, er wurde ebenfalls Chorleiter. Beide sind wohl inzwischen eines der am längsten noch amtierenden Chorleiter in Deutschland. Manfred Wipler ist zwar seit zwei Jahren im Ruhestand, aber er kommt nicht davon los. Viele Kinder haben die beiden seit dem singen gehört und aufwachsen gesehen. Nachweisbar sind mindestens 1200 Kinder, so Sybille Amoury, Vereinsvorsitzende vom Förderverein. Das macht immerhin mindestens 35 neue Kinder pro Jahr.

Auf denm Bild in der Mitte das inzwischene erwachsene Chorkind Judith Schmitz mit dem Maskotchen Gertrud, links die beiden Chorleiter Sabine Bauer und Manfred Wipler, rechts davon Sybille Amoury, Vorsitzende des Förderverein und Lars Hayne, Bereichsleiter der Jugendwerkstatt, alle mit Kostümen aus verschiedenen Epochen des Chores.

Inzwischen gibt es mehrere singende Generationen, in der „Singschule“ gibt es neben dem Kinderchor mit 55 Kindern noch den Jugendchor mit 40 und den Erwachsenenchor mit 55 Sangesfreudigen. Insgesamt werden aber etwa 330 Kinder musikalisch in der Musikschule betreut. Und sie kommen aus dem gesamten Stadtgebiet von Halle und dem angrenzendem Saalekreis.

Bereits am 11. Mai 1975 trat der Kinderchor bei seinem ersten Festival im Volkspark auf, Kostüme gab es auch schon. Denn im Gegensatz zu heute gab es damals kaum Geldsorgen. Man unterstand der Volksbildung, die Förderung von Kindern hatte damals einen anderen Stellenwert. Auch der Wechsel 1978 vom Volkspark zum Pionierhaus änderte daran nichts. Dem einher ging die Eingliederung in das „Pionier- und FDJ-Esemle der Stadt Halle“. Dadurch gab es unter anderem auch Auftritte im damaligen Theater „Junge Garde“, dem heutigen „Thalia“. Heute stehen die Kinder auch auf den Brettern die die Welt bedeuten. Viele Opernhäuser in Deutschland haben eigene Kinderchöre. Nicht so in Halle. Hier ist dann auch der Kinderchor von der „Singschule“ gefragt. Bei insgesamt 28 Aufführungen ist er in diesem Jahr dabei.

Fünfunddreißig Jahre für einen Kinderchor ist schon eine beachtliche Zeit. Ehrungen gab es für das leitende Paar Bauer/Wipler schon, das Bundesverdienstkreuz und einen Händelpreis können beide ihr eigen nennen. Aber die letzten Jahre waren nicht einfach, vor allen aus finanzieller Sicht. Nach der Wende dem Konservatorium zugehörig, gibt es nun seit knapp zwei Jahren zumindest nun eine kleine Sicherheit. Vertreter der Stadt hatten sich stark gemacht, als neuer Träger ist nun seit Januar 2008 die „Jugendwerkstatt Frohe Zukunft“ zuständig. Aber das ganze würde trotzdem über die Jahre nicht funktioniert haben, gäbe es da nicht den „traumhaften Förderverein“, so die Chorleiterin Frau Bauer. Den Dank seiner Unterstützung ist es für viele Kinder erst möglich am Chorleben teilzunehmen. 15 Euro kostet der Monatsbeitrag im Kinderchor. Und auch die Reisen zu Festivals in andere Länder kosten Geld. Lag es dieses Jahr mit Paris fast um die Ecke war das Ziel im Jahr 2008 mit Südafrika doch schon etwas entfernter. So können die Kosten pro Kind im Jahr auf bis zu 3000 Euro anwachsen. Ohne den Förderverein nicht machbar.

Aber auch Sorgen der anderen Art plagen die Chorleiter und der Förderverein. Denn noch immer wird ein Chorleiter als Nachfolger für Manfred Wipler gesucht. Noch gibt es niemanden. Aber Sabine Bauer macht sich große Sorgen: das derjenige dann nicht den hohen Anforderungen gerecht wird und der Chor schaden nimmt.
Auch um das seit 30 Jahren initiierte Kinderchorfestival „Fröhlich sein und singen“ macht man sich sorgen. Immerhin ist es eines der jährlichen Höhepunkte in Halle mit internationaler Beachtung. Bereits in diesem Jahr gab es von verschiedenen Seiten Verrenkungen wegen des Titels des Festivals. So stoße sich wer auch immer angeblich am Namen, erinnere es doch angeblich an die Pionierzeitung „FRÖSI“. Was für viele allerdings nicht nachvollziehbar ist, am wenigsten für die Kinder. Und: Dürfen Kinder und Jugendliche von Heute nicht mehr fröhlich sein und singen?

Schmerzen bereiten nach Ansicht von Frau Bauer aber die versuchte inhaltliche Umkremplung des Festivals, die Qualität solle dem Kommerz untergeordnet werden. Lars Hayne, Bereichsleiter der Singschule der Jugendwerkstatt sieht es aber etwas anders. Das Konzept des Festivals ist überarbeitet wurden. „Die Zeiten verändern sich und damit auch die Anforderungen an den Charakter einer Institution wie es das Festival nun einmal ist.“, so Lars Hayne gegenüber HalleForum.de. „Das neue Konzept stellt ein gelungenes Konglomerat aus Neuem und Traditionen dar. Neu sind Workshops, in denen Chöre verschiedener Nationalität gemeinsam unter professioneller Anleitung neue Werke studieren können. Neu ist ebenfalls eine Masterclass für das Dirigat von Kinder- und Jugendchören.“, so Hayne weiter. Und hier offenbart sich anscheinend schon ein, sagen wir mal vorsichtig, kleines Problem der Verständigung untereinander. Warum verwendet Hayne keine deutschen Wörter? Es ist ein deutscher Chor? Das tut weh.
Bestand soll aber weiterhin die Singende Meile, die Konzerte in der Ulrichskirche und das Abschlusskonzert im Steintor-Varieté im neuen Konzept haben. Eine der Neuerungen wird das Fest der Begegnung im Stadtzentrum sein, es sollen zum ersten Mal Kinder aus ganz Halle und den Umlandgemeinden gemeinsam mit den Kindern der Festivalchöre feiern können. Das tut gut.

Aber auch Finanziell steht das nächste Festival noch nicht auf sicheren Füßen. Man ist aber guter Dinge. Jedenfalls sind alle nötigen Anträge an mögliche Sponsoren gestellt, so Lars Hayne gegenüber HalleForum.de.
„Die Hauptgeldgeber des Festivals sind, wie schon in diesem Jahr, das Land Sachsen-Anhalt, die Stadt Halle sowie die Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt. Ohne die großzügige finanzielle Unterstützung dieser drei Geldgeber hätte bereits das 30. Internationale Kinderchorfestival 2009 wahrscheinlich nicht stattfinden können und auch das Festival 2010 wäre nicht realisierbar. Die Fördermittelanträge für 2010 wurden mittlerweile fristgemäß gestellt. Das neue Konzept fand dabei, wie wir froh sagen können, übereinstimmend großen Zuspruch bei Vertretern der genannten Institutionen.“, so Hayne. Die Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ als Organisator des Internationalen Kinderchorfestival des vergangenen und der noch kommenden Festivals, dankt allen für die Geld- und Sachspenden. Und nicht vergessen sind die vielen Hallenser und Bürger der Saalekreisgemeinden, die als Gasteltern den Chorkindern ein Zuhause auf Zeit gaben. Sie alle halfen mit um das letzte Festival zu etwas Besonderem zu machen.
Momentan ist man dabei eine frühkindliche, musikalische Erziehung im Haus mit Kindern von unter 3 Jahren bis zur Einschulung zu starten. Die Resonanz ist Gut, der erste Kurs am 26.10. ist bereits komplett belegt. Anmeldungen für einen nächsten Kurs werden gerne entgegengenommen. Der Bereich Musikalische Früherziehung für Kinder ist allerdings nicht neu an der Musikschule, sie ist bereits seit Jahrzehnten an der Singschule etabliert, bisher aber erst ab 3 ½ Jahre.
Und noch ein kleines, aber feines Angebot gibt es. Welches Kind will einmal auf der Bühne stehen und singen? Der Kinderchor lädt alle Kinder ab der ersten Klasse ein zum kostenfreien mitmachen bei einer Weihnachtsveranstaltung. Aber schnell melden, der Termin für die Veranstaltung ist der 1. Advent um 11 Uhr.

Und nun wird am kommenden Wochenende gefeiert. Und „Gertrud“ ist dabei, das Maskottchen des Kinderchores. Gertrud ist eine Singmaus. Wie lange ist Gertrud eigentlich schon dabei? Keine Ahnung. Aber sie hat viele Geschwister in aller Welt. Denn jeder Chor der in Halle zu Besuch war reiste mit einer Zwillings-Gertrud nach Hause.

Bunt wird das Programm. Und Arbeitsreich für die Veranstalter.
Am Freitag beginnt es um 16 Uhr mit einem kleinen festlichen Rahmen im Stadthaus mit einem Sektempfang. Ab 19 Uhr steht aber wieder Arbeit an: Probe mit Ehemaligen des Chores für Samstag und "erstes Beisammensein" in der Singschule.
Am Samstag ab 10 Uhr ist Proben in der Konzerthalle Ulrichskirche angesagt. Den von 15-17 Uhr gibt es ein Festkonzert mit den Chören und den „Ehemaligen“. Karten für das Konzert zum Preis von 10 Euro (ermäßigt 5 Euro) gibt es laut Stadt an der Abendkasse.
Anschließend fahren die Akteure mit „Gertruds Jubiläumsbahn“ in die Weinbergmensa. Denn dort startet ab 18 Uhr der große „Gertruds Jubiläumsball“. Geplant sind viele tolle Überraschungen. Und es wird eine Uraufführung geben. Eine weitere Eulenspiegelszene von Wolfram Graf.
Am Sonntag klingt dann das Festwochenende mit einem Brunch in der Singschule in der Silberhöhe aus.