Schillers sämtliche Werke leicht gekürzt das war Vorgabe bei der Theateraufführung in den alten Fernsehstudios am Waisenhausring 6. Klingt kompliziert, nicht wirklich ausführbar und ziemlich trocken. War es aber nicht.
Die vier Schauspieler Jan Felix Frenkel, Martin Kreusch, Piet Moedebeck und Alexander Terhorst spielen zunächst sich selbst bei einem konspirativen Treffen, in dem es um Schillers Leben, Schillers Wirken und seine dramatischen Werke gehen soll. Die vier arbeiten sich chronologisch bis zum Tod des Dichters und darüber hinaus vor. Sie schlüpfen abwechselnd in die wichtigsten Rollen der Dramen von Schiller und spielen die Szenen nach.
Dies ist mal sehr ernst und intensiv wie beispielsweise ein Monolog des Franz Mohr aus Die Räuber. Piet Moedebeck beweist hier mit umwerfender Mimik wie hässlich Franz Mohr wirklich ist. Er verzerrt sein Gesicht zu einer wilden Fratze und spricht von seinem unglücklichen Leben wie ein Irrer mit einer großen Portion Selbstmitleid.
Andere Male ist es unglaublich witzig: Der Feldherr Wallenstein aus Wallenstein verwandelt sich plötzlich in Hitler, reist von der Theaterszene in die NS-Zeit. Es ist bekannt, dass Hitler großer Schillerfan war und sich selbst als Freiheitskämpfer, wie er in Wilhelm Tell beschrieben wird, sah. Auf der Bühne nun wird Hitler allerdings als der Bösewicht und Massenmörder in Wilhelm Tell enttarnt und geht am Ende bedrückt und beleidigt ins Off.
Das einfache Bühnenbild Tisch, vier Stühle und einige Reclam-Ausgaben von Schillers Werken – von Laura C. Schoch tut dem Spielverlauf keinen Abbruch, im Gegenteil: Es lenkt den Fokus auf die Personen und deren Äußerungen, Handlungen. So entstehen kreative Lösungen für die Verwandlung in Frauenrollen oder die Erzeugung einer Friedhofsatmosphäre.
Betont sei noch, dass das Stück im Großen und Ganzen vor allem ein Comedy-Abend zu Schiller ist. Ein Kalauer jagt den anderen. Eine Überspitzung der Szene die nächste. Abstruse Vergleiche mit Filmszenen und persönliche Auseinandersetzungen zwischen den Darstellern sorgen für weitere Lacher. Besonders Jan Felix Frenkels Talent in solch verrückten Situationen ernst zu bleiben und sich völlig mit der Rolle zu identifizieren fällt positiv auf.
Nicht ganz klar wird allerdings die Funktion der ironischen (?) Witze über Piet Moedebecks ausländischen Wurzeln. Auch die Gründe für seine klischeehafte Besetzung der Rolle einschließlich Gangstersprache und Rapeinlage bleibt unklar. Soll das gesellschaftskritisch sein? Oder migrantenkritisch? Oder ist das einfach nur ein plattes Rollenklischee, das bedient wird? Hier hat leider entweder der Autor Michael Ehnert oder die Regisseurin Anna Siegmund-Schultze danebengegriffen.
Bis zum 26. Dezember dieses Jahres bietet sich noch die Gelegenheit Schiller einmal anders kennenzulernen. Die nächste Aufführung ist am kommenden Freitag um 20 Uhr.
Schiller würde die Aufführung vermutlich so kommentieren: Alles Höchste, es kommt frei von den Göttern herab.



