Ein Meisterwerk von Egon Schiele zu Gast in der Moritzburg

von 24. Oktober 2011

Das „Bildnis Marie Henneberg“ (1902) von Gustav Klimt verlässt auf begrenzte Zeit seinen Stammplatz in der Dauerausstellung Moderne Eins der Moritzburg und ist in der Ausstellung „Gustav Klimt und Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne“ vom 24. Oktober 2011 bis 4. März 2012 in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien und danach vom 29. März bis zum 1. Juli 2012 in den Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique in Brüssel zu sehen. Die Schau vereint Werke aus hochrangigen Museen und besitzt internationale Bedeutung. Dies war für die Moritzburg ein Grund, das Meisterwerk Klimts ausnahmsweise als Leihgabe zur Verfügung zu stellen.

Im Gegenzug erhält das Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt das Bildnis „Dr. Hugo Koller“ (1918) von Egon Schiele. Ein Werk, das zu den berühmtesten Porträtdarstellungen des Künstlers zählt. Mehr als drei Monate gibt es nun die Gelegenheit, erstmals ein Werk des bedeutenden österreichischen Malers in der Moritzburg zu erleben.

Das Porträt von Hugo Koller (1867-1949) entstand nur wenige Monate vor dem Tod Egon Schieles im Jahre 1918. Dr. Hugo Koller war studierter Mediziner, Naturwissenschaftler und erfolgreicher Unternehmer. Aber vor allem war er ein bedeutender Kunstmäzen im Wien der Jahrhundertwende. Schiele stellte jene herausragende Persönlichkeit der Wiener Gesellschaft in seiner Bibliothek auf dem Landsitz Oberwaltersdorf dar. Diesen hatte der Porträtierte 1912 bis 1914 von Josef Hoffmann umbauen lassen, das Inventar wurde im Wesentlichen von Koloman Moser und den Wiener Werkstätten entworfen.

Egon Schieles (1890-1918) außergewöhnliche künstlerische Begabung fiel bereits in seinen jungen Jahren auf und ebnete ihm nach der Schulausbildung den direkten Weg an die Wiener Akademie der Bildenden Künste, in die er 1906 im Alter von 16 Jahren eintrat. Doch da der Akademiebetrieb seinen Vorstellungen nicht entsprach, verließ er die Akademie bereits nach zwei Jahren und gründete mit Kommilitonen die „Wiener Neukunstgruppe“. 1907 lernte er Gustav Klimt kennen, der ihn seitdem förderte. Schon 1909 feierte Egon Schiele erste Erfolge mit einem am Jugendstil geschulten und von Klimt beeinflussten Stil. Davon entfernte er sich jedoch bald und entwickelte einen individuellen Expressionismus, der sich durch harte Konturen und gebrochenes Kolorit auszeichnete. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde Schiele in der Wiener Kunstszene zu einem gefeierten Künstler und stieg nach dem Tod Klimts am 6. Februar 1918 zur Leitfigur der Wiener Maler auf. Doch starb er noch im gleichen Jahr, am 31. Oktober 1918, im Zuge einer verheerenden Grippewelle, der drei Tage zuvor bereits seine schwangere Frau Edith erlegen war. Neben einzigartigen Landschaftsdarstellungen – einen Höhepunkt bezeichnet sein Aufenthalt in Krumau (heute: Český Krumlov) – war sein Hauptmotiv der Mensch. In zahllosen Selbstbildnissen untersuchte er die eigene Psyche. Aber auch in den Porträts ihm nahestehender Personen lotete Schiele alle Facetten der menschlichen Existenz aus. Dabei bleibt für das Werk dieses frühvollendeten Meisters übergreifend ein melancholischer Grundton feststellbar. Heute zählt Egon Schiele neben Gustav Klimt und Oskar Kokoschka zu den großen Erneuerern der österreichischen Kunst um 1900.