Ein neuer Feininger für die Moritzburg

von 21. Juni 2012

 Was genau die Stiftung Moritzburg bezahlt hat, wollte Direktorin Katja Schneider nicht verraten. „Die Versteigerung ist aber sehr gut für uns ausgegangen, es gab keinen Bieterwettkampf.“ Etwas über dem Taxwert von 7.500 Euro habe der Preis gelegen. Nun darf die Stiftung die Bleistiftzeichnung “Kirche von Gelmeroda” ihr Eigen nennen.  Lyonel Feininger hatte das Werk um 1913 geschaffen. Der Bauhausmeister hatte die Kirche von Gelmeroda bereits 1906 für sich entdeckt. Das Motiv ist in der Folge für ihn zu einem zentralen Gegenstand seiner Auseinandersetzung mit neuen Ausdrucksformen geworden und findet sich nicht nur in Zeichnungen, sondern ebenso in der Malerei wie in der Druckgrafik wieder. Etwa 80 Zeichnungen und 14 Holzschnitte der Kirche, die heute als Autobahnkirche dient, gibt es. Die Zeichnung von 1913 ist ein brillantes Blatt von hoher kompositorischer Dichte, das die spitz zulaufenden Formen der Unteransicht in weichen, fast melodischen Schwüngen des Umfeldes auffängt. Dass dieses Blatt für das Grafische Kabinett erworben werden konnte, ist für die Stiftung Moritzburg bedeutsam, weil es den reichen Bestand an Feininger-Werken in einem thematisch wesentlichen Zusammenhang ergänzt und darüber hinaus einen hohen emotionalen Wert für das Museum besitzt. Die Zeichnung befand sich ursprünglich im Besitz von Alois Schardt (1889-1955), der als Nachfolger die Pionierarbeit des ersten Museumsdirektors Max Sauerlandt fortsetzte und als Direktor das Haus  von 1926 bis 1933 entscheidend prägte. Schardt verankerte Halle nachhaltig als eine der ersten Adressen der Moderne im kulturellen Bewusstsein der Weimarer Republik und gehört damit zu den bahnbrechenden deutschen Kunsthistorikern, die der modernen Kunst über ihre Vermittlungsarbeit den Weg ins Museum geebnet haben.  Seinem Engagement ist es überdies zu danken, dass Lyonel Feininger von der Stadt Halle den Auftrag für ein Gemälde mit einer Halle-Ansicht erhielt. Daraus wurde die berühmte Halle-Serie mit ursprünglich 11 Gemälden. Die Halle-Ansichten, die Feininger im Auftrag der Stadt zwischen 1929 und 1931 im Torturm der Moritzburg schuf, stellen einen Höhepunkt im Gesamtwerk des Bauhausmeisters dar. Bis heute sind die drei Werke der Serie, die trotz Beschlagnahmung und “Verwertung” durch die Nazis ihren Weg ins Museum zurück fanden, Glanzpunkte der Museumsgeschichte in Halle, die den Besuchern im Erweiterungsbau der Moritzburg an herausgehobener Stelle präsentiert werden. Dort, in der Feininger-Empore, soll auch das neu erworbene Werk ausgestellt werden. Bereits in den 90ern war es einmal in Halle zu sehen, damals als Leihgabe.