Ein Siegfried nicht nur für Halle

von 2. Mai 2012

Da werden dann im März alle 4 Ring-Teile als Zyklus in Halle zu erleben sein. Und weil speziell dieser Ring ja ein Gemeinschaftsprojekt mit Ludwigshafen ist (ein Ensemble, eine Inszenierung, aber mit dem jeweils heimischen Orchester), gibt es das Ganze dort noch einmal im April.Es kann durchaus sein, dass im nächsten Jahr selbst der hartgesottenste Wagnerfan genug von der Musik seines Idols hat – im Moment freut er sich noch über jeden neuen Beitrag in dieser Richtung! Vor allem, wenn es gelingt, so wie bei Karl-Heiz Steffens und Hansgünther Heyme, in erster Linie das musikalische, aber auch das szenische Niveau beim Ring-Schmieden zu halten. Und obendrein bei den nicht so überreichlich gesäten Wagnerstimmen mit Überraschungen aufzuwarten. So wie in der „Walküre“ mit dem Siegmund Thomas Mohr. Oder wie jetzt mit Andreas Schagers Siegfried-Debüt! Es gibt noch ein zweites, denn der Österreicher wird diesen Wagnerhelden auch in der „Götterdämmerung“ singen! Als Jung-Siegfried jedenfalls war er überragend! Die selbstverständliche Kraft seiner Stimme imponierte, die Textverständlichkeit war wohltuend. Nirgends gab es die „Hauptsache Laut“-Attitüde, in die sich beispielsweise sein für den Bayreuther Jubiläumsring nominierter Kollege Lance Ryan gern flüchtet.Dass er schon zwei Akte hinter sich hat, wenn er am Ende endlich der (ausgeruhten) Brünnhilde, in Gestalt der kraftvoll erblühenden, feminin-sinnlichen Lisa Livingston begegnet, war hier kein Problem, sondern nur die Vorlage für eine grandiose Steigerung! Schager lieferte nicht nur für Hallesche Maßstäbe einen Siegfried der Extraklasse!Doch damit nicht genug: Besonders im Gedächtnis bleiben Ralph Ertel und Gérard Kim. Der eine als prägnant singender und gegen das Zappel-Klischee anspielender Mime, der andere als souveräner und konditionsstarker Wanderer, also Wotan. Auch die kleineren Auftritte sitzen: ob Gerd Vogels Alberich, Deborah Humbles aus der Tiefe aufsteigende Erda, der gleich in seiner Riesen-Gestalt auftauchende Christoph Stegemann als Wurm Fafner und Ines Lex‘ schwindelfrei in den Schnürboden und die vokalen Höhen entschwebender Waldvogel – hier ist ein Siegfried-Ensemble ohne Schwachstelle beieinander!Und Karl-Heinz Steffens hält am Pult der Staatskapelle Halle nicht nur alle Fäden in der Hand, sondern lässt, bei tief abgesenktem Graben, den Stimmen den Vorrang und findet doch den sinnlichen Sound fürs Waldweben ebenso wie für den Furor der Schmiedegesänge oder das Lodern der Leidenschaft im großen Liebesduett am Ende!Szenisch bleibt sich Regisseur und Ausstatter Hansgünther Heyme treu. Ein metaphorisches Kontinuum ist seine Asservatenkammer der Geschichte im Hintergrund. In riesigen Regalen gibt es für jeden Toten ein beschriftetes Kästchen. Dort landen jetzt diverse Erinnerungsstücke von Mime und Fafner, die von Siegfried erschlagen wurden. Wenn es irgendwie geht, liefert Heyme handgemachtes Theater ohne technische Angeberei. Nicht ohne einen Tüftlerhochsitz für Mime, und eine Schmiedeausstattung mit reichlichem Flammenzüngeln und Kohlen-Nachschub oder einen Flugapparat für den Waldvogel versteht sich. Doch für die Neidhöhle und ihren Bewohner (dem Riesenwurm Fafner) kommt er mit Wald-, Goldschatz- und Ungeheuer-Prospekten aus. Auch Erda erscheint aus der Tiefe nur von einem Tuch mit aufgedruckten Händen umwölkt.Wotan hat bei alledem im wahrsten Wortsinn die Fäden in der Hand. Selbst wenn Siegfrieds Mutter Sieglinde wie ein Geist auftaucht und das Waldvöglein ins Spiel bringt, dann gehört diese Erscheinung schlüssig in das Spiel Wotans, der aus dem Hintergrund Siegfrieds Erwachsenwerden eben doch lenkt. So nach dem Motto: einmal Gott, immer Strippenzieher – auch, wenn es dem eigenen Untergang entgegen geht. Dass dieser Sieglinden-Geist dann aber am Ende, kurz vor Siegfrieds und Brünnhildes „erstem Mal“, noch einmal auftaucht, ist dann doch zu plakativ.Meistens erzählt Heyme bewusst deutlich und klar. Mit Qualitäten eines vokalen Kammerspiels, das sich nicht nur selbst genügt. Man erkennt durchaus das gute, alte – und bei Heyme, der mit seinen 76 Jahren niemanden mehr irgendwas beweisen muss – geläutert entspannte Regietheater, das etwas mehr sagen will, als man sowieso hört. Und man ist nicht verstimmt!Selbst wenn dieser „Siegfried“ etwas hinter der erfrischenden und dichter inszenierten Wucht der „Walküre“ zurückbleibt – richtig schief gehen kann dieser Ring eigentlich nicht mehr.Das etwas sonderbar daherkommende Zusammenwirken von Halle und Ludwigshafen erklärt sich vor allem aus der Orchesterchef-Position, die Karlheinz Steffens hier wie dort inne hat. Um den Ring in Halle (also der Händelstadt!) und in Ludwigshafen (wo in Mannheim, also in Fußweg-Entfernung, gerade Achim Freyer eine konkurrierende Ringschmiede betreibt), plausibel zu machen, setzt der Theaterroutinier Heyme von Anfang an auch auf eine Mitmachoffensive und integriert die Resultate. Nach dem Rheingold-„Vorhang der Hoffnung“ aus Schülerzeichnungen, der Graffiti „Wand der Verzweiflung“ für die „Walküre“ gab es für „Siegfried“ diesmal den Kostümwettbewerb „Create Siegfried“, mit dem die Gewinnerin Kathrin Ehrenbogen den Superhelden an unsere Gegenwart heranholte. Auch wenn das etwas didaktisch aussieht, da die Qualität stimmt, funktioniert es! Von wegen „Von allem zu viel und überall das Gleiche“.Apropos: Wer wissen will, wie es bei Wagner weitergeht, der kann noch in diesem Monat den Ringstart in Dessau besuchen – dort geht am 12. Mai nämlich  mit der Götterdämmerung los!Weitere Informationen gibt es unter [url=http://www.ring2013.de]www.ring2013.de[/url].[Linkbox-Klein]