Franckesche Stiftungen eröffnen Jahresschau

von 2. Mai 2011

Am Sonntag wurde in den Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) die Jahresausstellung „Freiheit, Fortschritt und Verheißung. Blickwechsel zwischen Europa und Nordamerika seit der frühen Neuzeit“ eröffnet. Auf die Besucher warten sieben Themenräume. Thematisiert werden dabei die frühen phantastischen Reiseberichte, die Eroberung und Erforschung Nordamerikas und die Indianermission. Aber auch die Massenauswanderungen und der mit der Aufklärung und der amerikanischen Unabhängigkeit verbundene Fortschrittsoptimismus findet hier Platz, ebenso wie Amerika-Kritik.

In einer Wunderkammer können amerikanische Pflanzen und Tiere bestaunt werden. Auch eine der letzten vier False-Face-Masken der Delaware-Indianer aus dem 18. Jahrhundert sind zu sehen, eine äußerst wertvolle Leihgabe des Karl-May-Museums in Radebeul. Auch den ersten Druck des Briefes von Christoph Kolumbus, in dem er annahm, Inseln jenseits des Ganges gefunden zu haben, findet man hier. Die unscheinbare Tabakpfeife der Creek-Indianer fand hier ebenso ihren Platz.

Über 300 Objekte von über 50 Leihgebern, darunter renommierte wissenschaftliche Einrichtungen, bedeutende museale und wertvolle Privatsammlungen sind vom Kurator der Ausstellung, Dr. Claus Veltmann, zusammengetragen worden. Am Ende der Schau steht zudem ein Kaugummi-Automat. Für 20 Cent darf man sich hier einen „Knetscher“ ziehen. Der Erlös kommt dem Krokoseum zugute.

Im Anschluss an die Eröffnung kamen im frühlingshaften Lindenhof alle Klassiker Johnny Cashs wie auch die wichtigsten seiner „American Recordings“ auf die Bühne. Die multinationale Coverband "The Ca$hbags" holte den typischen Boom-Chicka-Boom-Sound aus den Südstaaten nach Halle und bot eine lässige Country-Show in stilechten Outfits.

Für den Global Player August Hermann Francke (1663-1727) ist bereits Ende des 17. Jahrhunderts ein starkes Interesse an Nordamerika belegt, das später zu einem regen Kontakt mit Cotton Mather (1663-1728) führte, einer zu Unrecht wenig präsenten „Gründungsfigur der amerikanischen Religionskultur“ (FAZ). Durch die Entsendung Heinrich Melchior Mühlenbergs (1711-1787) im Jahr 1742 nahm das über den englischen Hof weltweit agierende Hallesche Waisenhaus erstmals aktiv Einfluss auf die Entwicklung Pennsylvanias an der Ostküste Nordamerikas, einer Kolonie, die Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem von Deutschen besiedelt war. In seiner über 40-jährigen intensiven Wirkungszeit in Nordamerika wird Mühlenberg für die Gruppe der Einwanderer stehen, die ein eigenes amerikanisches Selbstverständnis entwickelten. Trotz der engen Anbindung an das Hallesche Waisenhaus löste er sich vollständig vom europäischen Vorbild und gründete erstmals in der Geschichte ein vom Staat unabhängiges Lutherisches Kirchenwesen. Seine Söhne schickte Mühlenberg zur Ausbildung nach Halle. Sie zählen heute zu den Gründungsvätern der amerikanischen Demokratie. Frederick Augustus Mühlenberg (1750-1801) wurde der erste Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses nach der Unabhängigkeit der USA und damit zum dritten Mann im Staat nach dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten. Er schrieb als Erstunterzeichner der Bill of Rights Geschichte.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog im Verlag der Franckeschen Stiftungen. Auf 300 Seiten verankern die Beiträge der renommiertesten deutschen Amerikaforscher der Gegenwart die Schwerpunkte der Jahresausstellung in der Geschichte. Mark Häberlein, Professor an der Universität Bamberg und Co-Autor der vielgelobten, 2008 im Reclam-Verlag erschienenen „Kleinen Geschichte der USA“, zeichnet ergänzend zum ersten Teil der Ausstellung ein Bild der frühen Auswanderungen nach Nordamerika zwischen 1600 und 1730. Prof. Hermann Wellenreuther, Universität Göttingen, widmet seinen Beitrag einem Überblick über 300 Jahre europäische Bilder von Amerika (16. – 19. Jh.). Das Zentrum für USA-Studien in Wittenberg ist durch Dr. Wolfgang Splitter vertreten und mit Dr. Frauke Geyken eine ausgewiesene Spezialistin für die Geschichte der Indianermission. Den Einblick in die jüngeren USA-Bilder übernahmen Prof. Claudia Schnurmann aus Hamburg und Prof. Volker Depkat, Department of English and American Studies der Universität Regensburg.