Grüße aus Halle

von 13. Februar 2010

Das Ansehen der Stadt. Unter diesem Titel zeigen die Franckeschen Stiftungen noch bis zum 28. März 2010 eine vielbeachtete Ausstellung im Historischen Waisenhaus, die erstmals seit 70 Jahren das Bild der Stadt Halle in ihren Darstellungen nachzeichnet. Am 17. Februar wird Dr. Claus Veltmann in einer Sonderführung die mit dem Bau des Halleschen Waisenhauses einhergegangenen Veränderungen des hallischen Stadtbildes in den Ansichten des 17.-19. Jahrhunderts vorstellen.

"Grüße aus Halle" steht auf der Postkarte und das, was hier von Halle gezeigt wird, entspricht so gar nicht unseren Vorstellungen von heute. Stadtansichten entstanden zu allen Zeiten auf Gemälden, Druckgrafiken, Holzschnitten, Frontispizen in Büchern, Darstellungen auf Gefäßen, bebilderten Stadtplänen oder Veduten. Die heutige Geschichtswissenschaft hat die sich dahinter verbergenden sozial-, kultur-, wirtschafts-, migrations-, demografie- und politikgeschichtlichen Themen entdeckt. Stadtansichten sind keine Dokumentation eines Ist-Zustandes. In ihrer vielschichtigen Aussage verraten sie vielmehr Intentionen, geben Einblicke in die Sicht- und Denkweise der Zeitgenossen. Es ist mehr als ein glücklicher Umstand, dass dank der Leidenschaft des Kunstsachverständigen Dr. Hans Stula eine der umfassendsten Sammlungen von Ansichten Halles aus vier Jahrhunderten zusammen getragen werden konnte. Der Sammler schwärmt von der seltenen Halle-Rose, einem Souvenir, das nach einer Anleitung für Scherenschnitt und Serviettentechnik des Biedermeier aussieht, auf dessen Rosenblättern die Rauchschwaden der Kefersteinschen Papierfabrik einträchtig neben der Bergschenke zu Cröllwitz verewigt sind. Den Franckeschen Stiftungen wurden gleich vier Stahlstiche gewidmet.

Kaum eine Persönlichkeit hat mit ihrem Wirken das Ansehen der Stadt Halle so nachhaltig geprägt wie August Hermann Francke (1663-1727). Die "Ansicht von Süden" erlebt nach 1700 eine regelrechte Renaissance. Dem aufmerksamen Betrachter wird angesichts der aktuellen Diskussion um die heutige Verkehrsplanung das üppige Grün zwischen Stiftungen und Stadtbefestigung auf dem Ölgemälde (um 1800) des deutschen Philosophen Johann August Eberhardt (1739-1809) nicht entgehen. Die Leipziger "Illustrirte Zeitung" sieht 60 Jahre später an derselben Stelle nördlich der Franckeschen Stiftungen eine unbebaute Freifläche zum Flanieren, südlich des Lindenhofs sind wohlgeordnete Gärten und der Turnplatz erkennbar. Dieselbe Zeitung wirbt 1898 mit einem ganz anderen Bild von Halle. Nicht mehr Grün und beschaulich sind die Stiftungen eingebettet, denn jetzt säumt den Blick von Norden über die Franckeschen Stiftungen eine Reihe rauchender Schlote am Horizont. Das Industriegebiet im Südosten Halles war innerhalb weniger Jahre zu einem neuen Zentrum im Süden Halles gewachsen. Wie durch ein Zeitfenster von 500 Jahren lassen sich in der Ausstellung Stadtgeschichte und Stadtgeschichten erkennen.