Halles Künstler protestieren gegen Schauspieler-Entlassung

von 15. November 2010

Mit offenen Briefen an Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados wenden sich mehrere hallesche Künstler, Schauspieler und Regisseure gegen die fristlose Kündigung des Thalia Theater-Schauspielers Axel Gärtner wegen dessen Protesten gegen die Thalia-Schließung bei der letzten Stadtratssitzung. Ebenso wenden sie sich gegen angedrohte rechtliche Schritte gegen die „Kreidemaler“, die während eines Flashmobs ihren Protest auf das Marktpflaster malten. „Unerlaubte Sondernutzen“, heißt es dazu von der Stadt.

„Eigentlich macht es mich nur sprachlos“, sagt Thomas Blase. „Wie kann es passieren, dass eine demokratisch gewählte Stadtverwaltung in solch anmaßender Manier die Meinungsäußerungen von Kindern und Jugendlichen, Bürgern der Stadt und die durch eine Schließung betroffenen Künstlern abbürstet und bestraft. Da wird Kindern, die sich für ihr Thalia-Theater engagieren an den Kopf geworfen, sie würden „benutzt“ und mit Polizei und Ordnungsamt gedroht. Sachlich vorgetragene Fragen auf einer Bürgerfragestunde werden mit Worthülsen abgewiegelt. Künstlern, die um ihren Arbeitsplatz zu kämpfen bereit sind, wird gekündigt. Und einer Öffentlichkeit, die sich aus ihrer Überzeugung heraus für den Erhalt des Theaters einsetzt wird, mit rechtlichen Schritten gedroht. Statt Respekt und Anerkennung für ihre beispiellose Arbeit erhalten Frau A. Hahn und die Künstler des Theaters Schließungsbeschluss und Kündigung. Durch eine solche Kommunalpolitik, die nicht in der Lage ist, sich in Kontroversen anders mit ihren Bürgern und Mitarbeitern auseinanderzusetzen als durch Repression, fühle ich mich in keiner Weise mehr vertreten. Was soll man vom Sachverstand einer Frau halten, die viele Jahre als Beigeordnete für Jugend und Soziales arbeitete, und nun, mit diesem fachlichen Hintergrund, meint, die Arbeit des Thalia sei durch mehr Kinderstücke in den anderen Häusern zu ersetzen? Wie kann man einer Kommune noch helfen, die nicht in der Lage ist zu erkennen, welchen Schatz ein solches Theater darstellt, und welchen Reichtum es bedeutet, wenn sich Kinder und Jugendliche aus freien Stücken daran machen für seinen Erhalt zu kämpfen? Im Rathaus von Halle fehlt es nicht in erster Linie an Geld, sondern viel mehr an Phantasie und einer Ahnung davon, was Halle für eine Stadt sein könnte, wenn es mehr von dem Engagement gäbe, welches sich im Moment für den Erhalt des Thalias stark macht.“

„Ich teile die Empörung und die Trauer über die Reaktion der Kommunalverwaltung und erinnere mich deutlich an die Wahlplakate der SPD, auf denen Frau Szabadosz sich mit Kindern hat ablichten lassen, um sich als familienfreundliche Politikerin zu inszenieren. Hier wird soziales und kulturelles Kapital vernichtet, einem echten „Leuchtturm" wird das Licht ausgeblasen und der legitime Protest der Bürger kriminalisiert. Besonders zynisch in diesem Zusammenhang scheint mir das gleichzeitige offizielle Gedenken an die Bürgerbewegung der Wende vor zwanzig Jahren“, äußert sich der Autor Jörg Wunderlich.

Regisseur Simon van Parys: „Ich finde es eine bodenlose Respektlosigkeit, dass der Schauspieler Axel Gärtner, der seit sicher 30 Jahren in einer Unzahl von Inszenierungen Tag für Tag für Halles Kinder und Jugendliche auf die Bühne gegangen ist wegen eines (und dann noch existentiellen!) Arbeitskampfvorgangs wie ein alter Hund, den man nicht mehr braucht, vor die Tür geworfen wird. Welch ein würdeloser Umgang der Stadt mit einem Künstler, der ihr jahrelang die Treue gehalten hat!“

Auch die Schauspielerin Conny Wolter, der Galerist Holger Neumaier, der Kunsthistoriker Roland Lange, der Künstler Wieland Krause und die Sprechwissenschaftlerin Antje Giertler reihen sich in den Protest mit ein.