Kinder, Krätze, Karitas

von 19. April 2009

(ens) In einem Monat öffnen die Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) ihre neue Jahresausstellung. Sie trägt in diesem Jahr den Titel „Kinder, Krätze, Karitas“ und beschäftigt sich mit den Waisenhäusern in der Frühen Neuzeit. HalleForum.de hat bereits vorab einen Blick auf die Vorbereitungen zur Ausstellung geworfen. Stolz zeigten sich die Ausstellungskuratoren Claus Veltmann und Jochen Birkenmeier. Immerhin ist es ihnen gelungen, vier originale Kupferstiche zu erwerben. Hinzu kommen zahlreiche Faksimiledrucke. Für die Franckeschen Stiftungen ein Schnäppchen für 300 Euro von hohem Wert.

Immerhin zeigen zwei der Kupferstiche das 1727 gegründete königliche Waisenhaus in Kopenhagen, erbaut nach dem halleschen Vorbild. Schon seit 1705 hat August Hermann Francke eng mit dem vom dänischen Hof geförderten Missionskollegium in Kopenhagen zusammen gearbeitet. Zunächst vor allem, um die Aufgaben der Dänisch-Halleschen Mission im südindischen Tranquebar zu koordinieren. 1711 begannen dann nach einer Pestepidemie die Planungen für ein Waisenhaus. Das die Planungen auf Halle und Francke fielen ist nicht ungewöhnlich, galt doch in Dänemark der Pietismus quasi als Staatsreligion. Und so wurde das Kopenhagener Waisenhaus zum Zentrum der pietistischen Bewegung in Dänemark. Dazu trug vor allem die Druckerei des Waisenhauses bei, die nach hallischem Vorbild Erbauungsschriften und Bibeln publizierte.

Doch von dem Kopenhagener Antiquariat erwarben die Hallenser auch das Wappen des Londoner Foundling Hospital, gestochen von William Hogarth (1697-1764). 1749 hatte Georg-Friedrich Händel zugunsten des Waisenhauses ein Benefizkonzert aufgeführt, das nun am 17. Mai zur Eröffnung der Jahresausstellung in den Franckeschen Stiftungen zum ersten Mal seit 240 Jahren wieder erklingen wird. Aufgeführt wird es vom Barockensemble LauttenCompagney Berlin gemeinsam mit dem Stadtsingechor Halle.

Die Schau zeigt mit rund 400 Exponaten die Geschichte der Waisenfürsorge vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Und die hat sich über die Jahre drastisch geändert. Als Francke sein „Schloss für die Waisen“ in Glaucha gründete, mussten in den bis dahin bestehenden Waisenhäusern die Kinder für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Zum Beispiel Wolle spinnen. Die Sterblichkeitsrate war hoch, viele Kinder starben durch Wollstaublungen. Und auch die Lebensbedingungen im Allgemeinen waren schlecht, Krätze gehörte zum Alltag. Die führte zwar nicht selbst zum Tod, doch durch das ständige Kratzen bildeten sich gefährliche Entzündungen.

Zu einer Ausstellung über Waisenkinder und –häuser gehört natürlich auch die Geschichte der Findelkinder dazu. Die gab es damals wie heute. Im Mittelalter waren Steinschalen an Kirchen angebracht, eine solche ist in der Schau zu sehen. Und daneben wird eine Babyklappe aus der heutigen Zeit gezeigt.

Noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein galten in den Waisenhäusern Zucht und Ordnung, Züchtigung gehörte zum Alltag. Danach setzt dann der große Wandel ein. Das Waisenhaus selbst hat heute ausgedient, Jugendwohngruppen sind an seine Stelle getreten, die Einrichtungen sind nun nach dem Kinderwohl ausgerichtet.

Mit Fachvorträgen im Herbst findet die Ausstellung am 4. Oktober ihr Ende.