Kiosk zieht die Blicke an

von 29. April 2016

Als Hallelife den Kiosk am frühen Donnerstagnachmittag aufsuchte, saß gerade eine tschechische Studentin am Schalter, um Neugierigen des Projekt zu erklären. Ein Mann klebte gerade einen Punkt auf einen Halle-Stadtplan, über dem die Aufforderung stand: “Zeig uns Deine Lieblingsorte!” In den Fenstern hingen Stimmen zur Stadt: “Wir wollen die Hochstraße rosa streichen.” / “Es sollte nicht so viel schön saniert werden, dadurch hat Halle mehr Patina und man hat das Gefühl, dass man noch etwas machen kann.” / “Ich wollte in Städte wie Leipzig oder Dresden wohnen bleiben, aber dann hab ich meine Frau aus Halle kennengelernt.” / “Der Marktplatz ist gleichzeitig zu voll und zu leer.” / “I am missing a lush and healthy society.” (Ich vermisse gerade eine gesunde Gesellschaft.) / “Es müsste mehr Parkhäuser geben, damit die Autos von den Straßen verschwinden.” / “Ich habe zufällig eine Bekannte dreimal an einem Tag, an drei verschiedenen Orten in Halle getroffen. Da wusste ich, wie das in Halle halt so ist.” / “Die komplette Verkehrsführung ist komisch.” / “I enjoy to swim in Saale with success.” (Ich erfreue mich daran, in der Saale zu schwimmen.) / “Wenn ich mit dem Fahrrad irgendwohin fahre, dann auch gerne dahin, wo sonst keiner ist, wo auch Ruhe herrscht und Vögel piepen.”

Im Vorfeld gingen die Projektteilnehmer selbst auf Entdeckungsreise. Dazu teilten sie Halle in neun Distrikte auf, um sie mit allen Sinnen zu untersuchen und an mindestens einer Stelle selbst einzugreifen. Unter anderem belebten sie die zum Abriss vorgesehene blaue Brücke am Com-Center, richteten an ungewöhnlichen Orten “Straßengärten” ein (Stichwort Guerilla-Gardening) errichteten am Hasenberg im Paulusviertel eine Perspektiven-Stehle und kartierten Hundekot am Galgenberg.

Zahlreiche weitere Projekte sind im Internet auf der Herr-Fleischer-Vereins-Seite zu finden. Darunter das Vorhaben “Mach den Kiosk!” mit einer Bewerbungsfrist bis zum 30. April 2016. Dabei steht der Kiosk im September und Oktober 2016 für die Ergebnisse eines mit 1000 Euro dotierten Projektstipendiums zur Verfügung. Mitte Mai will eine fünfköpfige Jury die Bewerbungen auswerten, heißt es auf der Internetseite des Kioskbetreibers Hr. Fleischer-Verein. “Das Stipendium ist dem Andenken unseres tragisch zu Tode gekommenen Gründungsmitglieds Juliane Noack gewidmet.” Die junge Künstlerin war beim Absturz einer Germanwings-Maschine am 24. März 2015 in den französischen Alpen ums Leben gekommen, der von einem psychisch kranken Co-Piloten herbeigeführt worden war.

Der Verein Herr Fleischer im Internet

http://herrfleischer.blogspot.de

hr.fleischer – Kiosk am Reileck

herrfleischer.blogspot.de

Für die einen ist es religiöser Ort, den man einmal im Leben besucht und umrundet haben muss. Für die anderen ist und bleibt es ein unbegreifliches Mysterium.

das Projekt Urbanitat

http://urbanitat.jimdo.com/urbanitaten/

im Gedenken an Juliane Noack fortgesetzte Internetseite

http://julianenoack.de