Kultur in Halle droht weiteres Streichkonzert

von 11. August 2010

In welchem Umfang wird es in Halle künftig noch Oper und Theater geben? Genau vor dieser Frage werden wohl die Stadträte in den nächsten Monaten stehen. Zwar haben Stadt und Land die Finanzierung der vor anderthalb Jahren gegründeten Theater, Oper und Orchester GmbH Halle finanziell bis ins Jahr 2012 vertraglich abgesichert. Doch dem Mehrspartenhaus aus Oper, Staatskapelle, Puppentheater, neuem theater und Thalia Theater geht das Geld aus. Schuld daran sind nicht etwa die sinkenden Zuschüsse, bei der Förderung ist eine Absenkung von 37 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 32 Millionen Euro im Jahr 2012 vorgesehen, sondern die Tarifsteigerungen.

Am Dienstag informierte Bühnen-Geschäftsführer Rolf Stiska den Kulturausschuss über die angespannte Situation. Schon der Verlust des ausgeklungenen Geschäftsjahres, es läuft wie die Spielzeit von August bis Juli, lässt zunächst aufhorchen. 513.000 Euro stehen auf dem Papier. Doch mit diesem Ergebnis ist Stiska noch zufrieden, werden doch nur 90.000 Euro finanziell wirksam. Der große Rest hängt mit der Trennung von Kalender- und Geschäftsjahr zusammen. So sind 423.000 Euro auf noch in diesem Jahr ausstehende Urlaubstage zurückzuführen, die allerdings schon verrechnet werden mussten. Eine Zahl, die sich ausgleicht und nicht für die finanziellen Probleme sorgt.

Aber die Tariferhöhungen der kommenden Jahre lassen das Mehrspartenhaus tief in die roten Zahlen rutschen. In der Spielzeit 2010/11 beträgt die Mehrbelastung dadurch 938.000 Euro. Ein Jahr darauf sind es 920.000 Euro. Und im Gründungspapier für das Mehrspartenhaus wurden mögliche Tariferhöhungen nicht berücksichtigt, bemängelt Stiska. Er will nun mit einem Haustarifvertrag retten, was zu retten ist. Denn laut Stadtratsbeschluss soll die Kultur GmbH 60 Stellen abbauen. 30 davon sind nun schon gestrichen, von 18 weiteren Mitarbeitern könne man sich bis 2012 ohne betriebsbedingte Kündigungen trennen, meinte Stiska. Doch alles darüber hinaus geht an die Substanz. Schließlich machen die Personalkosten 80 Prozent des Gesamtetats aus, entsprechend drastisch würden sich Tariferhöhungen auswirken. Künstler sollen durch den Haustarifvertrag auf ihre Zuwendungen, ähnlich einem 13. Monatsgehalt, verzichten. Bei allen anderen Mitarbeitern will Stiska die Wochenarbeitszeit von 40 auf 37 oder 36 Stunden absenken. Unklar ist aber noch, ob die Gewerkschaften mitspielen. Im September sind dazu noch mal Sondierungsgespräche vorgesehen, an denen auch Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados teilnimmt. “Unsere Sparmöglichkeiten sind ausgeschöpft”, gestand Stiska nun im Ausschuss. Eine Alternative zum Haustarifvertrag wären die Erhöhung des Zuschusses – mit Blick auf die finanzielle Situation von Stadt und Land ausgeschlossen – oder die Beschneidung der künstlerischen Arbeit.

Aber bringen die Haustarifverträge allein die notwendigen Einsparungen? Wahrscheinlich nicht. Auch der Auszug aus Mietobjekten soll für Einsparungen von mehr als 100.000 Euro im Jahr sorgen. So wird das Thalia-Jugendhotel in der Kardinal-Albrecht-Straße 7 geschlossen, ebenso die Thalia-Probebühne am Weidenplan.

Und ein ganz wichtiger Punkt ist die Auslastung. Die nämlich ist mehr als bescheiden. Rund 240.000 Besucher wurden in der ausgeklungenen Spielzeit in Oper, Staatskapellenkonzerten, neuem theater, Thalia Theater und Puppentheater gezählt. Vor zehn Jahren waren es noch mehr als 300.000. “Wir haben große Besucherprobleme”, so Stiska. Und so spielen die Bühnen nur 9,1 Prozent ihrer Kosten ein. Konkret heißt das: mit 141 Euro bezuschusst die öffentliche Hand derzeit jede einzelne Theaterkarte. Und so muss man sich auch die Frage nach der Nutzung der künstlerischen Angebote stellen. Während die Konzerte der Staatskapelle gut angenommen werden und sich das Puppentheater über volle Vorstellungen freuen darf, bleiben bei Oper und Schauspiel die Zuschauer weg. Im Opernhaus gebe es eine Auslastung von unter 60 Prozent. In den meisten Vorstellungen bleibt also jeder zweite Platz leer. “Das kann nicht so bleiben”, meint Stiska und kündigt eine Trendwende an, die man versuche. Besucherfreundlichere Inszenierungen, attraktivere Stücke und eine stärkere Zuwendung an den Zuschauer sollen die Reihen wieder füllen. Zudem wird es in der kommenden Spielzeit deutlich weniger Inszenierungen geben – 36 statt 53. Hoffnungen setzt Stiska auch in den neuen nt-Intendanten. Denn mit dem Abgang von Peter Sodann gingen auch die Besucherzahlen zurück. Viele Stammbesucher seien von der Machart des damals neuen Intendanten Christoph Werner verschreckt gewesen, so Stiska. Und auch die Zahl der Vorstellungen wird nach und nach zurückgehen. “Wir haben zu viele Vorstellungen und damit ein Überangebot.” Außerdem fehle die theaterfreundliche Bürgerschaft – also die Bildungselite – die mit Stolz damals die Theater aufgebaut hat.

Und dann begab sich Stiska doch noch in das Terrain, über das man insgeheim spricht, aber laut und deutlich trotzdem noch niemand ausspricht. Die Strukturdebatte. “Wir müssen Entscheidungen treffen, wie es ab 2013 weitergeht.” Stiska sprach dabei von einer Konzentration im Schauspielbereich. Auf Nachfrage von HalleForum.de präzisierte er: die Zusammenlegung von Theaterspielstätten wäre eine Option. Eine Vermutung, die schon vor der Gründung des Mehrspartenhauses umherschwirrte. Einige Stadträte stellten schon damals das Thalia Theater infrage – das könnte stattdessen in die Kulturinsel integriert werden. Doch auch, ob man ein Ensemble braucht, könnte die Diskussionen bestimmen. Roland Gruner sprach dann noch ein Prestigeprojekt an: “Braucht Halle überhaupt eine Oper? Kann man mit Sprechtheater nicht mehr erzielen”, fragte er. “Das ist eine politische Entscheidung”, entgegnete Rolf Stiska völlig zurecht. Die Strukturdiskussion ist damit eröffnet und man darf gespannt sein, wann durch die Verwaltung entsprechende Beschlussvorlagen kommen. Noch ist keine Eile geboten, greifen die geplanten Maßnahmen, ist bis 2012 erst einmal Ruhe. Doch eins ist auch klar: “scheitert der Haustarifvertrag brauchen wir sofort eine Lösung”, so Stiska.