Kultur trotz leerer Kassen?

von 25. März 2010

Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados lauscht gespannt den Worten von Wirtschaftsminister Haseloff (CDU). Eines vereint sie beide: sie sind zum ersten Mal dabei, hier im Museumscafe der Moritzburg. Die eine war schon immer geladen, der andere erst heute, zum 5. Kulturstammtisch. Einer Veranstaltung des sozialdemokratischen Kulturforums, das, wie Moderator Günter Kraus nicht müde ist zu beteuern, der SPD zwar nahe, aber allen Bürgern offen stehtl.

Dass der Saal im Cafe Moritz gefüllt war, mag an vielem gelegen haben. Da ist das spezielle „Format“ der Veranstaltung, das sich sowohl optisch (es gibt kein Podium) als auch bei der Durchführung (das Publikum darf auch gerne unterbrechen) von anderen Veranstaltungen behutsam unterscheiden mag, oder an den geladenen Gästen: Neben dem Minister und der OB waren da Stefan Voss (Stadtmarketing), Rolf Stiska (TheaterOperOrchester Halle) , Matthias Lux (Stadtwerke), Ines Schotte (Volksbank)
Mit Rolf W. Gruner (Förderkreis Schriftsteller) und Burkard Aust (Vereinigung Hallescher Künstler) waren schließlich auch die Kulturproduzenten vertreten.
Partei- und interessenübergreifend ist man sich gleich einig in der Ratlosigkeit gegenüber Sparzwängen, als auch im Willen, trotz leerer Kassen an Kultur irgendwie festhalten zu wollen. Der Schrecken drohender, gar beschlossener Theater- und Opernhausschließungen in Ost und West (Dessau, Wuppertal), beschworen in einführenden Worten von Günter Kraus, hing sichtbar in der Luft. Haseloff dachte laut über Erhöhungen von Eintrittspreisen nach, die unüberhörbar unwidersprochen blieben. Schließlich bezahle man für Dienstleistungen im Restaurantgewerbe auch hohe Preise. Das müsse doch etwas möglich sein; schließlich reiche das Taschengeld von Jugendlichen offenbar zur Bezahlung von nicht geförderten Kulturveranstaltungen aus (AC/DC, der Minister nannte den Ticketpreis: 180 €). Mit Bedenken gegen staatliche Subventionierung meldete sich auch Tom Wolter aus dem Publikum. Bei einem subventionierten Eintrittspreis von 3,50€ für Schulklassen im Thalia-Theater seien Träger freier Theater nicht konkurrenzfähig.

Trotzdem: Kultur ohne staatliche Förderung kann sich auch Haseloff nicht vorstellen, man halte zwar an einem Kulturetat von ca. 1% des Haushaltes fest. Aber dass der nominell weniger werde, sei ihm klar. Deshalb sei er entschieden gegen Steuersenkungen. Und er sei dagegen, die Förderung von Kultur proportional zum Bevölkerungsschwund zurück zu fahren. Für den Kultur- und Bildungsetat gebrauche er den Begriff der „Sonderzone“. Solchen Bekenntnissen eines CDU-Ministers wollte niemand widersprechen, schon gar nicht auf einer SPD-nahen Veranstaltung.

Dann ging es natürlich um die Stadt-Umland-Problematik, und das ist das Thema von Dagmar Szabados. Der Saalkreis nutze das Kulturangebot von Halle, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. Dadurch sei über die Jahre hinweg ein Defizit entstanden, ja, das Haushaltsdefizit der Stadt läge sogar hauptsächlich daran. Das habe sich über Jahre hinweg aufgestaut.
Den Einwand von Haseloff, das Kommanalausgleichsgesetz sei geändert worden, ließ sie nur bedingt gelten, denn es löse nicht das Problem aufgelaufener Altschulden.
Die Hausaufgaben habe die Stadt Halle gemacht. Die Konzentration der Kultureinrichtungen Oper, Theater und Orchester in die Kultur GmbH habe zu mehr Effizienz geführt, und niemand habe negative Folgen verspürt, sagte die OB.

Derjenige, der es umgesetzt hat, der „böse Bube“, wie Günter Kraus ihn ansprach, war auch dabei: Rolf Stiska, Geschäftsführer der neu gegründeten Theater, Oper und Orchester GmbH. Angesichts des Sparzwangs habe er gehandelt. Es habe zwei Alternativen gegeben: Personaleinsparungen oder Lohnkürzungen. Weil man aber weder im Orchester noch im Theater Personal durch Maschinen ersetzen könne, habe er mit großer Zustimmung der Betroffenen Haustarifverträgen durchgesetzt. Stiska beneidet die Energieerzeuger: „die erhöhen einfach ihre Preise“. Wenn er Hunger habe, gehe er in eine Gaststätte, aber der Kopf funktioniere anders, sagte er, wohl meinend, den Hunger nach Kultur könne man durch Verzicht einfacher stillen.

Solch einfache Sicht auf die Wirtschaft widerstreben Herrn Lux, der als Vertreter der Privatwirtschaft eingeladen war, und verwies auf den freien Wettbewerb. Auf den Publikumseinwand, die Stadtwerke seien doch keine wirklich privatwirtschaftlichen Mäzene, weil sie nur Kulturprojekte aus Zwangsabgaben und verstecktem öffentlichen Haushalt fördern, wies er zurück. Die Stadtwerke betrieben nur Sponsoring aus dem Umsatzanteil des freien Marktes, vor allem des liberalisierten Energiesektors.

Stadtmarketing-Chef Steffan Voss setzt auf Synergieeffekte, was für ihn nicht nur reiner Neologismus sei. Man wolle Kultureinrichtungen in das Stadtmarketing einbinden, dabei hielt er eine entsprechende Tourismusbroschüre hoch.

Kleine Projekte fördert auch die Volksbank, sowohl in Halle als auch im Saalekreis. Und da kann sich Frau Schotte aufregen. Weil die Medien immer nur über das Negative berichten, wie etwa über die Bankenkrise. Und dabei gäbe es doch so viel Positives. Das war für Günter Kraus das Stichwort, die Medienvertreter für die vermutete Abwesenheit zu schelten (sic!).

Endlich kamen auch die Künstler zu Wort. Gruner war eigentlich ganz zufrieden über den Umfang der Literaturförderung, wünschte sich aber mehr Verlässlichkeit, was die Auftrittsmöglichkeiten von Literaten im öffentlichen Raum, insbesondere an Schulen, betrifft.
Schließlich seien Lesungen an Schulen demokratiesichernde Maßnahmen. Der im Aufbruch befindliche Minister versprach, das mit zu nehmen.

Ganz bescheiden war Burkhard Aust. Bildende Künstler seien Individuen. Er wisse selbst nicht, ob und wie man Künstler fördern könne. Richtig komisch findet er den Begriff des Kulturbüros. Das klinge ja so, als könne man Kultur verwalten.