Kunst im historischen Straßenbahndepot

von 19. Juni 2010

Zugegeben, das Publikum war geteilt. Da waren die einen, die mit dem Audi ins Büro fahren. Die Geschäftsführer, Professoren, Gönner. Und dann die Studenten, die mit dem Fahrrad in der Universität oder Hochschule fahren. Vereint waren sie alle an einem Ort, der für die Geschichte der Fortbewegung in Halle wichtig ist. Im Straßenbahndepot in der Seebener Straße. Illuminiert waren Gleis, Oberleitungen und Straßenbahnen. Eine würdige Kulisse für den Halleschen Designpreis 2010, der hier am Samstagabend verliehen wurde. Und standesgemäß kam natürlich auch ein Teil der Gäste mit der historischen Bimmel. Der scheidende Burg-Rektor Ulrich Klieber freute sich: “jahrelang habe ich die Bahn an mit vorbeifahren sehen. Jetzt bin ich das erste Mal mitgefahren.”

Doch zum wichtigsten. Zur Preisverleihung. Der mit 3.000 Euro dotierte erste Platz ging an den Niederländer Guy Königstein. Er hat keine Kunst, kein Design zum Anfassen geschaffen, sondern ein Video, in dem er mit Nadel und Nähfäden die weite Reise seiner Familie darstellte, die Geschichte. Denn Reise, das war das weit gefasste Thema des Designpreises. „Wie von Zauberhand gelenkt, gleiten Garnrollen, stellvertretend für Personen, über das Papier … So gipfelt der Prozess des Erzählens in Gestaltung. Und siehe da: Was eben noch verworren, zusammenhanglos, ja chaotisch schien, ergibt ein klares Bild. Farbige Linien formieren sich zum Grundriss einer Familienchronik. Behände und leichtfüßig, aber nicht minder präzise und formvollendet gelingt es dem Designer, das Schematische der Lebenswege zu ergründen, ohne das Individuelle zu verraten“, sagte die Juryvorsitzende Prof. Annette Tietenberg in ihrer Laudatio für Guy Königstein (27).

Was ganz praktisches hat der 24jährige in Utrecht lebende Student Erik De Nijs entwickelt. Und das wird alle freuen, die viel Reisen und öfter mal lange auf ihren Flug warten müssen. Man baut die Koffer einfach zu einer gemütlichen Sitzecke zusammen. Und so hieß es auch in der Jury-Begründung von Thomas Edelmann: „Er verschafft den gleitenden Gepäckstücken einen Zusatznutzen, indem er sie zu mobilen Elementen individueller Häuslichkeit weiterentwickelt. Überall, wo es zu Verzögerungen kommt, verwandeln sich die Gepäckstücke im Handumdrehen in eine mehr oder minder bequeme Sitzlandschaft. Der höchst eigenständige Entwurf betont dekorative Aspekte, wird mit der Ausformung eines kompakten Boardcase zur Rückenlehne durchaus konkret, darf aber nicht als gestalterisch durchgebildete Lösung missverstanden werden, die unverändert morgen schon in Produktion gehen könnte. Doch gerade die Vision des Möbels für unterwegs, das im öffentlichen Raum temporär Privatheit entstehen lässt, die skizzenhaft konzeptuelle Ausarbeitung der Idee, hat uns überzeugt.“ 2.000 Euro und Platz 2 gab es dafür.

Zwei weitere Wettbewerbsbeiträge waren der Jury eine besondere Würdigung wert: Eine mit einem Reisegutschein im Wert von 1.000,00 Euro verbundene „Anerkennung“ erhielten die beiden Dortmunder Studenten Daniel Behn und Clemens Müller für „RESI®“, einen Koffer „zur Gewährleistung der Reisesicherheit des Deutschen im Ausland“. Drin finden sich Klobrillenbezüge, eine Volksmusik-Kassette, Wimpel … 15 Studenten der Fachhochschule Dortmund wurden für einen gemeinsam gestalteten „Pappkoffer“, in dem sie ihre Wettbewerbsbeiträge für den Designpreis nach Halle gesandt hatten, mit einem „Sonderpreis“ ausgezeichnet.

Für den Designpreis gingen insgesamt 166 Beiträge aus 13 Ländern ein. Der nächste Designpreis soll im Jahr 2013 vergeben werden. Der Präsident des Designpreis Halle, Prof. Peter Heimann, hat dazu schon ganz konkrete Vorstellungen und will das Angebot erweitern. Neben Preisverleihung, Ausstellung und Parcours soll es in drei Jahren auch einen Kongress geben. Und am Ende steht das ganz große Ziel: “Wir wollen mit dem Juwel der Burg wuchern. Halle soll langfristig die Designstadt werden.“

Wer nicht zu den geladenen Gästen am Samstag gehörte, hat noch bis 4. Juli Zeit, sich die 19 besten Beiträge inklusive der Gewinner anzuschauen. Geöffnet ist täglich von 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Parallel zur Ausstellung findet erstmalig ein Designparcours statt. Ein Designmobil fährt auf einer festgelegten Route zu 15 Orten in Halle, an denen sich kreative Köpfe aus den Bereichen Architektur, Design und Kunst mit einem Projekt oder einer Aktion zum Wettbewerbsthema Reisen präsentieren. Der Designparcours findet an den Sonntagen 20. Und 27. Juni, jeweils in der Zeit von 10.00 bis 18.00 Uhr statt. Gleichzeitig als Ticket geltende Programmhefte und nähere Informationen zum Designparcours gibt es im historischen Straßenbahndepot in der Seebener Straße 191 in Halle (Saale), direkt im Designmobil und telefonisch unter 0345 2126385.

Der Designpreis Halle (Saale) ist eine Initiative des gleichnamigen Vereins. Ihm gehören u.a. die Handwerkskammer Halle, die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, der Industrie-Club Mitteldeutschland zu Halle e.V., der Marketing-Club Halle e.V. und die Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle an. Die Initiative wird seitens der Stadt Halle unterstützt. Der dph 2010 wird hauptsächlich durch ein Sponsoring in Halle und Mitteldeutschland ansässiger Unternehmen finanziert.