Pompeji-Ausstellung: Wandeln im Haus des Menanders

von 29. November 2011

(ens) Anderthalb Jahre lang hat der Phelloplastiker Dieter Cöllen an seinem Korkmodell gearbeitet. Am Anfang stand eine Reise nach Pompeji. "Ich muss das Objekt atmen, ich kann nicht einfach nur so bauen", erklärte Cöllen. Anschließend standen Studien der Fachliteratur an, wurde das Gelände neu vermessen. Und dann ging es ans Werk. Sorgfältig baute er das Casa del Menandro des untergegangenen Pompeji, das Haus des Menander, im Maßstab 1:50 nach. Erst das Gelände, dann die Fußböden, später die Wände. Kork wurde übrigens als Material verwendet, weil es den Verfall gut darstellen kann. Freilich sei es nicht einfach gewesen, an den Kork heranzukommen. Der Markt sei voll von minderwertiger Ware, erklärte Cöllen. Da brauche es schon Beziehungen zu portugiesischen Bauern, schließlich muss die Rinde am Baum acht Jahre lang wachsen. Doch nun ist Cöllem zuversichtlich, dass sein Modell lange hält. "Wenn es gut behandelt wird, kann ich eine Garantie von 300 Jahren geben", sagte er. Danach werde der Kork langsam bröselig.

Detailgetreu ist Cöllem vorgegangen. "Durch das Modell können wir den Laien zeigen, welchen Prunk das Haus hatte", so Künstler Cöllem. Bei Grundrisszeichnungen fehle den meisten Menschen das räumliche Vorstellungsvermögen dafür. Selbst kleine Löcher im Mauerwerk hat er eingearbeitet. Durch die sind, so zeigte sich Wissenschaftler Jens-Arne Dickmann von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg überzeugt, wenige Monate nach dem Vulkanausbruch des Vesuv und der Zerstörung Pompejis durch Plünderer ins Mauerwerk geschlagen worden. Diese seien auf der Suche nach Wertgegenständen gewesen, die man verhökern konnte. 50 solcher Löcher, allesamt mit einem Durchmesser von 60 bis 70 Zentimetern, habe man gefunden. Viele in der Neuzeit wieder zugemauert aus Angst, die Löcher könnten die Statik gefährden.

Ganz den heutigen Gegebenheiten entspricht das Modell jedoch nicht. Auf die Überdachung habe man verzichtet. Die war in der Neuzeit aufgebracht worden, um einen weiteren Verfall des Hauses zu verhindern. "Dadurch ermöglichen wir den Besuchern, einen Blick in die einzelnen Räume zu werfen", sagt Wissenschaftler Dickmann. Gelungen ist übrigens bis heute nicht, herauszufinden wem das Haus gehört. Reiche und einflussreiche Leute seien es gewesen, die über lange Zeit hinweg immer mehr Nachbargrundstücke aufkauften und ihr Haus ausbauten. So seien nach und nach ein Heißbaderaum und eine riesige Empfangshalle, die größte in ganz Pompeji, entstanden. "Aber wer die Bewohner waren wissen wir nicht", so Dickmann.

Mit dem Modell beruft sich das Landesmuseum auf eine alte Tradition. Denn schon im 18. Jahrhundert gab es kleine Modelle antiker Gebäude, angefertigt von Reisenden. Vor allem in den Fürstenhäusern waren diese Nachbildungen sehr beliebt. Heute kann man fast überall hinreisen, sich vor Ort überzeugen. Vor 200 Jahren war das noch mit großen Anstrengungen verbunden. Also holte man sich die weite Welt in klein nach Hause.

Ermöglicht hat die Arbeiten am Modell eine Spende der Volksbank Halle. Dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) war es gelungen, von der Notwendigkeit des Modells zu überzeugen. Denn es wird das "Herzstück" der neuen Pompeji-Sonderausstellung, die am 9. Dezember im Landesmuseum ihre Pforten öffnet. 700 Ausstellungsstücke werden zu sehen sein. "Von der frühen Bronzezeit bis zur Spätantike", verspricht Museumssprecher Alfred Reichenberger. Auch einen Blick in die Katastrophe der Zukunft wolle man wagen. Denn fest steht: Der Vesuv schläft nicht und wird eines Tages wohl wieder einen gewaltigen Ausbruch erleben. Die Schirmherrschaft für die Ausstellung hat Italiens Staatspräsident Napolitano übernommen.