Residenz auf Abruf?

von 10. Dezember 2011

Der heute eher unscheinbare Baukomplex der Neuen Residenz war früher neben der Moritzburg einer der prächtigsten Profanbauten der Saalestadt. Der in den Jahren 1531 bis 1539 erbaute fürstliche Wohnsitz diente als Privatresidenz des Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490-1545). Nach seinem Weggang von Halle 1541 residierten hier bis zum Dreißigjährigen Krieg fünf weitere Administratoren des Erzstifts Magdeburg.

Die Historikerin Andrea Thiele beleuchtet nun in ihrem Buch „Residenz auf Abruf?“ aus dem Mitteldeutschen Verlag die Hof- und Stadtgesellschaft in Halle unter dem letzten Administrator August von Sachsen (1614-1680). Er regierte in der Saalestadt unter dem Vorzeichen der „Residenz auf Abruf“, denn mit seinem Tod im Jahre 1680 war die Zeit der Residenzstadt endgültig vorbei. Herzog Augusts Nachkommen zogen wenige Wochen später in das von ihm seit 1660 neu errichtete Schloss in Weißenfels. Dies ist auch ein Grund für die bisher geringe Beachtung der Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg in Halle.

Die Autorin untersucht sehr ausführlich die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der Residenz, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit zwischen 1638 und 1680 liegt. Detailliert werden die personelle Ausstattung, die finanziellen Abhängigkeiten und die Spielarten des höfischen Lebens sowie Hoforganisation und Hofstaat geschildert.

Auch die Wechselbeziehungen zwischen der Stadt Halle und der Residenz werden betrachtet; dafür recherchierte Thiele in Bürgerbüchern, Steuerlisten und Kirchenbüchern. So werden die wirtschaftlichen, gewerblichen sowie religiösen Schnittmengen zwischen Residenz und Bürgerschaft aufgedeckt.

In der Regierungszeit August von Sachsens lassen sich schließlich drei Phasen ausmachen: Die Anfangsjahre waren vom Dreißigjährigen Krieg geprägt. In der glanzvollen mittleren Phase besaß er als Administrator eine große Souveränität, während die abschließende Phase einen alternden Fürsten zeigt.

Die Betrachtungen werden durch einen umfangreichen Anhang ergänzt, der neben einem ausführlichen Teil mit Anmerkungen und Erklärungen auch ein umfassendes Quellen- und Literaturverzeichnis zur weiteren Vertiefung in die Materie zur Verfügung stellt.

Die erschöpfenden Darstellungen führen zu dem Fazit: Die Jahre der Regierung von August von Sachsen waren – verglichen mit den unsicheren Zuständen zuvor – eine Zeit der Stabilität und der positiven Entwicklung für die Stadt Halle.

(Manfred Orlick)

Andrea Thiele: „Residenz auf Abruf?“, Mitteldeutscher Verlag Halle 2011, 36,00 €, 568 S., ISBN 978-3-89812-735-6