Thalia-Unterstützer stürmen Stadtratssitzung

von 27. Oktober 2010

So einfach lassen sie sich “ihr” Theater nicht wegnehmen. Rund 200 vor allem jugendliche Hallenser haben am Mittwoch im halleschen Stadtrat gegen die drohende Schließung des Thalia Theaters protestiert. Bereits auf dem Weg ins Stadthaus zeigten sie den ankommenden Stadträten sowie der Verwaltungsspitze auf Spruchbändern und Plakaten, was sie von den Plänen der Stadt halten. “Thalia will spielen” war da zu lesen oder “36 Jahre, 1 Familie – und nun?”.

In der Einwohnerfragestunde wurden die Thalia-Unterstützer dann konkreter. Steffen warf dem Linke-Stadtrat Rudenz Schramm einen Interessenskonflikt vor, weil dieser Betreiber von Steintor und Händelhalle ist und zugleich im Aufsichtsrat der Theater, Oper und Orchester GmbH sitzt. “Wir wurden in den Schließungsprozess nicht mit einbezogen”, sagte der Thalia-Schauspieler Axel Gärtner. Er erklärte, man sei bereit das Theater eigenständig fortzuführen und wolle nun wissen, was die Stadt davon hält. Weitere Redner fragten nach, wie ernst die Stadt denn die 15.000 Unterschriften unter der Petition nehme und was Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados von einem Runden Tisch hält, so wie ihn Kultusministerin Birgitta Wolff vorschlug.

“Liebe Freunde der Kultur in Halle” – so setzte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados zu ihrer Antwort an. Interesse der Stadt sei es immer gewesen, in der Kultur eine angemessene Vielfalt zu erhalten. “Deshalb geben wir enorme Mengen aus.” Das Stadtoberhaupt verwies auf 35 Millionen Euro, die jährlich in die halleschen Bühnen fließen – obwohl sich das Land Jahr für Jahr immer mehr zurückziehe, die Landeszuschüsse weiter sinken. “Wir wollen, dass Halle kulturell nicht unter die Räder kommt.” Doch dazu seien mehr Gelder nötig. Szabados beklagte, dass das Umland die Einrichtungen zwar nutze aber nicht mitbezahle. “Die Hallenser sind über Gebühr belastet.” Sie forderte ein Kultur-Umland-Gesetz wie in Sachsen. “Denn wir schaffen es nicht mehr allein, alle Theater zu finanzieren”, so Szabados. Eine Gesprächsrunde mit Kultusministerin Wolff zur Kultursituation in ganze Sachsen-Anhalt sei deshalb tatsächlich sinnvoll.

Szabados verteidigte noch einmal den Beschluss des Aufsichtsrates. Der sei niemandem leicht gefallen. “Aber wir mussten eine Insolvenz abwenden.” Die habe der GmbH wegen steigender Ausgaben gedroht. Der Schließungsbeschluss sei aber nicht endgültig, so die Oberbürgermeisterin. Denn ein Haustarifvertrag sei noch eine Lösung. Die Mitarbeiter müssten in dem Falle auf 20 Prozent ihres Einkommens verzichten.

Die Proteste zum Erhalt des Theaters begrüßte Szabados. Es zeige, dass es ein Interesse für die Kultur gebe. Doch gegen etwas zu sein sei sowieso immer leicht, Deshalb sei der öffentliche Aufschrei auch klar gewesen. Doch die Protestierer hätten ihre Kraft mal lieber in Aufrufe stecken sollen, mehr Hallenser ins Theater zu locken. Wenn die Theater wenigstens zu zwei Drittel ausgelastet seien, könnte man darüber reden. Doch wenn die Auslastung weiterhin so schlecht sei, müsse man Konsequenzen ziehen. “Wir können das Geld nicht zum Fenster herauswerfen”, so Szabados.

Immer wieder erntete Szabados während ihrer Rede Pfiffe und Buh-Rufe. “Lüge” und “Schwachsinn” schallte es ihr und Kulturreferentin Ursula Wohlfeld entgegen, als die Zuschauerzahlen verlesen wurden. Gerade einmal 36.000 Zuschauer seien in der Saison 09/10 gekommen, 04/05 wären es noch 42.000 gewesen. Die Auslastung liege bei 60 Prozent, meinte Wohlfeld. Zahlen, die die Thalia-Unterstützer anzweifelten.

Doch nicht nur in der Bürgerfragestunde sollte das Thalia Theater Thema sein. Die Grünen wollten den Aufsichtsratsbeschluss zur Schließung aufheben lassen. Doch der Dringlichkeitsantrag schafft es nicht auf die Tagesordnung. Dazu wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen, die durch Gegenstimmen von SPD, FDP und CDU nicht zustande kam. Bernhard Bönisch (CDU) regte später in der Sitzung ein öffentliches Forum zur Zukunft des Thalia Theaters an. Hier sollten alle Seiten einmal ungezwungen miteinander ins Gespräch kommen.

Überschattet wurden die Proteste von einem Sturm auf die Ratssitzung. Rund 100 Thalia-Unterstützer hatten mit Plakaten und unter “Thalia Thalia”-Rufen sowie Trillerpfeifen den Sitzungssaal gestürmt und dadurch für eine 20minütige Unterbrechung gesorgt. Die herbeigerufene Polizei sorgte besonnen für Ruhe, auch wenn Teils aggressiv reagiert wurde. “Wann sprüht ihr endlich Tränengas”, bekamen einige Polizisten zu hören. Dem Sitzungsleiter Harald Bartl warf man indes vor, er agiere so wie 1989 Politbüro-Funktionär und SED-Bezirkschef Hans-Joachim Böhme. Eine Kränkung für Bartl, der zur Wende 1989 mit zur Demokratiebewegung gehörte. Er hatte zuvor auf die Kinder eingeredet, ihre Proteste seien angekommen und sie sollten doch nun die Sitzung verlassen. “Sie haben eine laute Stimme von sich gegeben. Ich bitte sie jetzt, den Saal zu verlassen.” Die Proteste seien in den Medien angekommen. Auch viele Kinder waren an den Protesten beteiligt. Mehrmals versuchte Bartl, sie zum gehen aufzufordern. “Ihr werdet missbraucht”, sagte er den Kindern – sie würden nur vorgeschickt. Unrecht hatte er damit nicht unbedingt. Die Kinder aber kannten ihn nicht, folgten seinen Worten dadurch auch nicht. Da hatte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados mehr Autorität. Sie konnte die Situation etwas beruhigen und verunsicherte die Kinder etwas. Die nämlich waren verwirrt, weil sie vom Stadtoberhaupt gebeten wurden, doch den Saal zu verlassen damit die Sitzung weitergehen kann. “Wieso? Uns hat man doch gesagt, wir sollen hier hoch kommen und laut sein”, meinte eine Gruppe Kinder daraufhin.