Thalia will allein weitermachen

von 14. Oktober 2010

Eine Woche ist der Beschluss des Aufsichtsrates der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOO) zur Schließung des Thalia Theaters her. Und schon werden Nägel mit Köpfen gemacht. Wie Thalia-Intendantin Annegret Hahn am Donnerstag im Rahmen einer von den Jusos organisierten Diskussionsrunde sagte, erhalten am Freitag die ersten Mitarbeiter des Ensembles ihre Kündigung. Die Probebühne wird im November, das Verwaltungsgebäude in der Kardinal-Albrecht-Straße im Frühjahr 2011 geschlossen. Rund anderthalb Stunden hatte Hahn zusammen mit Vertretern der SPD-Nachwuchsorganisation, SPD-Stadträten und interessierten Gästen diskutiert. Das Thalia sei eine der letzten großen Einrichtung, die sich noch auf Kinder- und Jugendarbeit spezialisiert habe, erklärte Halles Juso-Vorsitzender Felix Peter am Beginn der Runde. “Es ist bedauerlich, dass das Thalia Theater geschlossen werden soll.”

Intendantin Hahn erklärte, wie überraschend auch für sie der Schließungsbeschluss im Aufsichtsrat kam. Seit 10 Jahren lebe sie nun schon mit immer wieder aufkommenden Schließungsgerüchten. Hoffungen hatte ihr die Vollversammlung der Mitarbeiter der TOO GmbH am 1. Oktober gegeben. Sie habe nicht an eine mehrheitliche Zustimmung der Beschäftigten zu Haustarifverträgen geglaubt. Doch die Zustimmung kam, selbst die großen Gewerkschaften ver.di und GdBA stimmten zu. Doch ob die Verhandlungen zu Lohnverzicht und Arbeitszeitverkürzung bei den halleschen Bühnen nach dem Aufsichtsratsbeschluss überhaupt noch Sinn machen, das zweifelt Hahn an. Es ist der Zeitplan, der sie stutzig werden lässt. Am 2. November soll die Aufnahme der Haustarifverhandlungen beginnen, doch bis Ende Oktober müssen die Kündigungen am Thalia erfolgt sein. “Wie hoch ist da wohl noch die Motivation zu Haustarifverträgen?”, stellte Hahn fragend fest.

Die Theatermacherin sieht vor allem in der “leichtfüßigen Struktur” das Thalias einen Grund zur Schließung. “Wir sind auf relativ leichte Weise abzuschaffen.” Während beispielsweise das neue theater 20 unkündbare Schauspieler habe, die länger als 15 Jahre am Ensemble arbeiten, sei es am Thalia nur einer. Hahn warf den Verantwortlichen vor, nicht auf die Leistungen, sondern auf Zahlen geschaut zu haben. Diese hätten 51 Mitarbeiter auf dem Papier zu viel gehabt, geschaut und seien beim Thalia fündig geworden, wo genau jene 51 Personen tätig seien. Möglicherweise könnte ja das Thalia ein Störenfried gewesen sein, mutmaßte Hahn. Das Theater sei klein, flexibel und überheblich, wage sich viel. Und vor allem habe man auch Ausschau nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten gesucht. “Drittmittel einwerben war mal so was wie ein Sport bei uns”, meinte Hahn. Deshalb habe man die Dramaturgen abgeschafft und stattdessen Projektleiterstellen geschaffen. Die drei Mitarbeiter hätten sich um die Mittelakquise und die Umsetzung der Projekte gekümmert.

Als “absoluten Hohn” bezeichnete Hahn die neuesten Ideen, nun im neuen theater ein Weihnachtsmärchen aufzuführen und auf diese Weise zu meinen, man habe so die Arbeit eines Kinder- und Jugendtheaters erfüllt. “Da kommt mir die Galle hoch”, schimpfte Hahn, “mir dreht sich bei so was der Magen um.” Überhaupt sei sie “richtig sauer”, so die Intendantin. “Wir wollten mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Ich empfinde es jetzt als Backpfeife, das man nicht mit mir geredet hat. Das ist eine tiefe persönliche Kränkung”, kritisierte Hahn die Leiter der Theater, Oper und Orchester GmbH. Bis heute habe mit ihr niemand offiziell über die Schließung gesprochen, alles was sie wisse entnehme sie den Medien. Überhaupt sei wohl der Kontakt zwischen Geschäftsführung und ihr als künstlerische Leiterin mehr als spärlich. Es gebe keine Runden mit der GmbH-Führung. Nach dem Aufkommen der ersten konkreten Schließungsgerüchte habe sie sich schriftlich an die Leitung gewandet, aber von Geschäftsführer Rolf Stiska bis heute keine Antwort erhalten. Und auch die Arbeit habe sich seit Bestehen der GmbH verschlechtert. Das mit den Schulen ausgehandelte Abosystem funktioniere nicht mehr, weil Ansprechpartner fehlen würden. Überhaupt könne man doch angesichts der aktuell in Deutschland laufenden Bildungsdebatte nicht einfach ein Kinder- und Jugendtheater schließen.

Aber wie geht es nun weiter mit dem Thalia Theater? Hahn sieht als einzige Möglichkeit die Eigenständigkeit. “Wir müssen raus aus der GmbH.” Und auch die Politik selbst ist gefordert, das machten auch einige Beteiligte der Runde klar. Innendezernent Bernd Wiegand wies auf Beteiligungsmöglichkeiten der Kommunalpolitiker hin. Die SPD-Stadträte Katharina Hintz und Detlef Wendt sowie der parteilose Rat Robert Bonan sprachen sich klar für den Fortbestand aus. Er empfinde die Schließung als Katastrophe, erklärte Bonan. Er lobte die hohe Qualität der Einrichtung und sagte, die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst seien lange bekannt gewesen und hätten eingeplant werden müssen. Bonan war noch nicht im Stadtrat, als dieser die Zusammenfassung der halleschen Bühnen in einer gemeinsamen GmbH beschloss. Detlef Wendt will das direkte Gespräch mit GmbH-Chef Stiska führen. Und dann gelte es gut zu taktieren. Denn ein Problem hat die hallesche SPD. Sie ist “Rathauspartei”. So könne man die eigene SPD-Oberbürgermeisterin nicht mit gegenteiligen Beschlüssen im Rat vorführen.

Unterdessen sind auch schon die ersten Protestaktionen geplant. Der Theater-Jugendclub bereitet diese gerade vor. Auch von anderer Seite kommt Unterstützung. So sollen die Jusos geschlossen mit SPD-T-Shirts im Thalia Aufführungen besuchen und so ein Zeichen für den Erhalt setzen. Und dann gilt es noch der Bevölkerung klar zu machen, welchen Verlust eine Schließung bedeuten würde. Stadtelternrat und der Kinder- und Jugendrat sollen angesprochen werden.