Verdauliches und Unverdauliches

von 13. Juni 2009

Wer schon einmal ein traditionelles englisches Frühstück vorgesetzt bekommen hat, kann den Kammermusikabend am Freitag im Händelhaus „In memorial of Purcell, Haydn, Händel“ gut nachvollziehen: Wie beim Traditional Breakfast wurden zwar einige Leckerbissen, aber leider auch sehr schwer Verdauliches kredenzt.

Angerichtet hatte den Abend das seit 25 Jahren zusammen musizierende Legrand Ensemble aus Manchester im Hinblick auf die drei Jubiläen dieses Jahres: Händels 250sten und Haydns 200sten Todestag sowie Purcells 350sten Geburtstag. Insofern erklärt sich die sehr ansprechende Menü-Zusammenstellung: Henry Purcells Stücke für Singstimme mit Instrumentalbegleitung, etwa aus seiner „Faery Queen“ wurden von der Sopranistin Lesley-Jan Rogers mitreißend und charaktervoll, wenn auch oft etwas zu laut für den kleinen Saal, interpretiert. Händels Sonate in C-Dur sowie vier kleine Stücke aus dem Werke Joseph Haydns, vorgetragen von Jonathan Price (Cello), John Turner (Blockflöte) und Ian Thompson (Cembalo) folgten routiniert und so ansprechend, dass das Publikum – horribile dictu – auch zwischen den Sätzen zu applaudieren wagte (Kommentar aus einer der hintern Reihen auf einen gemurmelten entsprechenden Vorwurf: „Aber es war doch so schön!“).

Wer aber das englische Frühstück kennt, weiß dass sich auf dem Teller manchmal auch etwas für den mitteleuropäischen Gaumen eher unappetitlich Anmutendes verbirgt, von den Briten meist als „Black Pudding“ bezeichnet, das irgendwie geschmacklich nicht zum Rest passt und bei dem ungeübten Gaumen eher Würgreize hervorruft. So war es auch mit dem Canticum Canticorum Salomonis (Das Hohelied Salomons) der Komponistin Ruth Zechlin, das vor der Pause als Auftragswerk für die Händelfestspiele 2009 uraufgeführt wurde. Man kann den Musikern nicht absprechen, dass sie sich bei dem anspruchsvollen Stück (erstaunlich auf welche Arten man Töne aus den Instrumenten bzw. Stimmbändern bekommen kann – es fehlte eigentlich nur noch, dass man die Sopranistin mit Flöten beworfen ins offen stehende Cembalo geworfen hätte) nicht alle Mühe gegeben hätten. Das Werk mit intensivem Einsatz von „expressiven Klangfiguren, großen Tonsprüngen, Clustern, Glissandi und Aleatorik sowie Sprechmelodik“(Programmtext) war sicherlich nicht jedermanns Sache und führte bei den einen zu extremer Erheiterung oder auch zu deutlicher Ablehnung (erkennbar an den Fingern in den Ohren) bei den anderen. Auch die deutlichen Buh-Rufe, die sich in den vereinzelten Applaus mischten, machten klar, dass sich die meisten Konzertbesucher aufgrund der Stücke der klassischen Komponisten ins Händelhaus begeben hatten und von der Uraufführung nichts ahnten.

Doch wie auch bei dem englischen Frühstück war auch noch nicht alles verdorben, nach der Pause versöhnten weitere Stücke von Haydn (Two Canzonettas und The MermaidŽs Song), sowie Händel (Oh Numi Eterni aus La Lucrezia) sowie Purcells „Oh, let me weep“ das Publikum wieder.

Beim englischen Frühstück gibt es ja auch traditionell diese zwei fingergliedlangen Dinger „sausages“), die entfernt an Nürnberger Bratwürstchen erinnern. Man weiß nicht genau was man davon halten soll, aber sie sind nicht ganz unbekömmlich. Ähnlich war es auch mit dem zweiten modernen Part des Abends, der Liederzyklus „Eine Frau Jung und Alt“ des zeitgenössischen Komponisten John Jourbert. Nachdem das Publikum von dem Werk Ruth Zechlins im ersten Teil des Abends einigermaßen abgehärtet war, kam es mit diesem Opus doch viel besser zurecht, was sicher auch daran lag, dass es Jourbert nicht so sehr auf die Provokation angelegt hatte sondern eher die leiseren Töne und die sanftere Übergänge bevorzugt.

Weil Lesley-Jane Rogers „a little time to cool her passions“ brauchte, wie der Flötist Turner schmunzelnd mitteilte, gab er abseits der strikten Programms drei kleine schottische Weisen aus dem 18.Jh. auf der Piccoloflöte zum Besten und hatte das begeisterte Publikum damit wieder ganz auf seiner Seite – mit einer der beste Momente des ganzen Abends.

War man sich also wie beim englischen Frühstück am Ende nicht ganz sicher, wie es einem gemundet hatte, half einem anschließend etwas Schottisches, das ganze herunterzuspülen und zu verdauen. Immer ein guter Tipp. Sláinte!