Wohin GEMA heute Abend?

von 5. Juli 2012

„Wohin GEMA heute Abend“ – unter diesem Motto fand am Donnerstagnachmittag im Steintor in Halle (Saale) eine Diskussionsrunde zur Zukunft der halleschen Musiklandschaft statt. Hintergrund sind die geplanten Tarifänderungen der Gema. Denn seit Monaten heißt es, diese Änderungen bringen das deutsche Club- und Diskothekensystem arg in Bedrängnis. Ist das wirklich so? Genau darum soll es in den folgenden zwei Stunden gehen. Eingeladen waren neben zwei Vertretern der in der Kritik stehenden Gema auch Vertreter der halleschen Musikszene.  Doch worum geht’s überhaupt? Eine Positionsbestimmung muss so. Und so hat Uwe Dorn von der GEMA zunächst das Wort. Man sei die Verwertungsgesellschaft für die Rechte der Musikurheber, stellt er den gewerblichen Verein vor. „Wir vertreten die, die Musik erfinden.“ Dies tue man treuhänderisch. 10 Prozent der Karteneinnahmen seien eine angemessene Vergütung, erklärte Dorn mit Blick auf die jüngsten Forderungen. Man unterliege dem Deutschen Patent- und Markenamt als Aufsicht, dort gebe es eine Schiedsstelle. Seit Mitte der 80er Jahre gehe diese Stelle immer davon aus, dass 10 Prozent der Karteneinnahmen bei Live-Konzerten und Einzelveranstaltungen angemessen sind. Deshalb habe man die vorliegenden Tarife auch für alle anderen Veranstaltungen angepasst. Bei Diskotheken seien bislang nur Öffnungszeiten und Größe heran gezogen worden. Wie Dorn berichtete, habe die Schiedsstelle jetzt ein Jahr Zeit, sich dazu zu äußern, ob diese 10 Prozent auch tatsächlich angemessen sind. Am 20. April sei die Schiedsstelle angerufen worden. Robert Lucka von der WiWi-Lounge führt an, dass es sich um „eine sehr sehr große“ Anhebung handele. Teilweise gehe es um Preissteigerungen von 100 oder 1000 Prozent, wenn man dies auf Besucher umlege. „Wir können nur selbst bezahlen oder auf den Gast umlegen“, machte Lucka deutlich.  Dorn weist darauf hin, dass die jetzigen Tarife unverhandelt seien. Das liege daran, dass die Gegenseite zu keinerlei Verhandlungen bereit gewesen sei. Er führt auch die Verhandlungen um Live-Konzertveranstalter an, die zunächst auch nicht verhandeln wollten. Später sei es durch das Schiedsgericht doch zu einer Einigung gekommen. Damals sei ein Einführungsszenario über fünf bis sechs Jahre vereinbart worden. Bei 7,56 Prozent liege der Tarif bei Konzerten künftig, bei kleinen Live-Veranstaltungen 5 Prozent. Doch der Diskothekenverband habe sich bislang eben nicht eingelassen.  Ein Vertreter vom Studentenclub Turm hat Sorgen, dass es besonders bei nicht ausverkauften Veranstaltungen Nachteile gebe und man hier draufzahle.  Laute Uwe Dorn gebe die Gema 85 Cent jedes verkauften Euro an die Urheber weiter. Der restliche Betrag werde für den Betrieb der Gema benötigt. 100 Quadratmeter entsprechen der gängigen Auffassung 100 Besuchern, so nehme man es in den Tarifen an. Es gebe aber auch eine Härtefallregelung, beispielsweise wenn der Veranstalter geringere Einnahmen hat. Der Mindestsatz seien 22 Euro je 100 Quadratmeter. Andernfalls würde man die Rechte der Urheber verramschen. Petra Sitte, Bundestagsabgeordnete der Linken und Stadträtin, mischt sich auch in die Diskussion ein, fragt unter anderem, wie es denn bei Veranstaltungen mit Gema-freier Musik aussieht. Daneben erkundigt sie sich nach einem Einführungsszenario, wie es ja offenbar bei Live-Konzerten passiert sei. Denn dort greife ja der endgültige Tarif nach 5 Jahren.  Dorn erwidert, im jetzt vorliegenden Fall für Discos und Clubs gebe es einen Verband, der nicht verhandeln wolle. Im Bereich der Unterhaltungsmusik gebe es die Gema-Vermutung, sagte Uwe Dorn.  Ein Veranstalter müsse der Gema nachweisen, dass er Gema-freie Musik spielt. Er berichtet von einem Tanzfestival in Rudolstadt. Dort gab es 40 Prozent nicht lizensierte Musik, dort sei man zu einer Lösung gekommen. Rüdiger Sachse, selbst Konzertveranstalter, berichtet von den Verhandlungen zwischen seinem Verband und der Gema, dies sei im Jahr 2009 passiert. „Es war ein leidvoller Prozess mit viel Kampf“, erklärte er.   Pirat Christian Kunze berichtet von einer Aufstellung von Kinderliedern seiner Partei mit Gema-freier Musik. Dort komme es jetzt wegen der Gema-Vermutung zu einem Verfahren. Es sei Schikane, dass Veranstalter nachweisen müssen, dass diese Gema-freie Musik spielen. Es müsste umgekehrt sein, sagte Kunze unter Applaus des Publikums. Schließlich habe die Gema ja Datenbanken mit ihren Künstlern.  Wie sieht es für die Clubbetreiber aus, wenn diese Erhöhung zum 1. Januar tatsächlich kommt?  „Das ist ein großes Desaster“, sagte Torsten Schreck von der Tanzbar Palette. Man könne dies nicht auf die Gäste umlegen. Sein Unternehmen zahle bereits sehr viel an die Gema. „Was passiert mit dem vielen Geld?“, fragt er. Uwe Dorn legt einen Spielstättenreport vor. Um die 22 Prozent der Umsätze einer Diskothek werden demnach durch den Kartenverkauf getätigt. Und davon wolle man 10 Prozent, „was einen Anteil von rund 2 Prozent an den Gesamteinnahmen der Veranstalter ausmacht“, so Dorn. Aus diesem Grund verstehe er nicht, wieso dies an der Existenz nagen soll. Das eingenommene Geld werde nach einem bestimmten Schlüssel verteilt, „ohne Ansehen des Status.“ Jedes Werk habe den gleichen Wert.  Robert Lucka von der WiWi-Lounge sagte, die Veranstalter in Halle hätten einen Pro-Kopf-Umsatz von 8 Euro. Die Karteneinnahmen machten einen beträchtlichen Anteil aus. Genau dadurch komme hier das ganze System ins Wanken. In den letzten Jahren seien die Tarife undurchsichtig und nicht nachvollziehbar gewesen. Schon im ersten Tarif habe man nicht durchgeblickt. „Und jetzt kommt eine Erhöhung, mit der wir nicht leben können und wollen.“ Dorn weist darauf hin, dass gerade kleine Veranstalter noch einmal genau hinschauen sollten. Bislang haben beispielsweise Diskothekenbetreiber mit einer gleichen Quadratmeterzahl den gleichen Anteil gezahlt – egal ob hohe oder niedrige Eintrittspreise und wie oft diese geöffnet hätten. Genau dies werde jetzt angepasst.  Derzeit laufen die Verhandlungen mit der Schiedsstelle, diese hat ein Jahr Zeit, also bis 20. April 2013. Doch die Gema wolle schon zum 1. Januar mehr Geld, beklagte ein Gast im Publikum. Uwe Dorn erklärte, das Urteil des Schiedsgerichtes habe keine bindende Wirkung. Mit den Verbänden verhandele man außerdem über eine Zwischenlösung ab 1. Januar 2013, „da hoffe ich drauf“, so Dorn. Er habe vollstes Verständnis dafür, wenn Diskothekenbetreiber Unverständnis äußern, dass ihre Gema-Zahlungen von 5.000 auf 40.000 Euro steigen. Doch es könne nicht sein, dass der Nutzer bestimmen will, was er dem Urheber zu bekommen hat.  Jens Böker von der Diskothek „Flash City“ erklärt, in seinem Haus werde vor allem elektronische Musik gespielt, oft Gema-frei. Er geht aber auch auf die VGL ein, die ja noch Anteile für den Musiktext haben will und dies über die Gema mit einziehen lässt.Uwe Dorn erklärt, dass die VGL tatsächlich ebenfalls eine Erhöhung ihres Anteils versucht habe. Näher wird auf diese Diskussion aber nicht eingegangen, das führt zu weit vom eigentlichen Thema weg. Ein Vertreter des Charles Bronson, einem Club an der Berliner Straße, meldet sich nun zu Wort. So zahle die Distillery Leipzig derzeit 8.000 und künftig 80.000 Euro. Er fragt, wo da noch ein Anteil für die Betreiber bleiben soll, um zu überleben. Er befürchte ein Clubsterben, darauf folgen auch Einnahmeverluste für Gema und Künstler. Er als Musiker sei selbst bewusst nicht bei der Gema.  Uwe Dorn weist noch einmal darauf hin, dass sich die Auszahlung danach richte, wie oft ein bestimmtes Werk aufgeführt werde.  Robert Lucka erhebt den Vorwurf, die Gema habe eine Tarifanpassung über Jahre verschlafen. Das weist Uwe Dorn zurück. Seit 1956 habe man mit den Verbänden immer wieder verhandelt. Lucka erwidert aber, was die Gema wolle sei nicht leistbar. Rudenz Schramm vom Steintor Varieté stellte die Frage in den Raum, ob die Verbände überhaupt die Clubbetreiber in ihren Interessen vertreten. Daneben stelle sich die Frage, was Urheberrechte überhaupt noch seien. Wenn jemand kaum noch erkennbare Samples nutze, was habe das noch mit Urheberrecht zu tun. „Will man jetzt 30 oder 40 Schnipsel verteilen?“ Weil es 60.000 Gema-Mitglieder, aber nur 3.000 „ordentliche Mitglieder“ gebe, stellte er die Frage in den Raum, wie man denn so ein ordentliches Mitglied werde.  Es möge sein, dass die Bundesvereinigung der Diskothekenbetreiber nicht repräsentativ sei, doch dies habe sich über Jahre so eingebürgert, meinte Uwe Dorn. Er berichtet auch von verschiedenen anderen Verbänden, beispielsweise für Karnevalisten, Tanzlehrer…  Es gebe drei Stadien der Mitgliedschaft bei der Gema: angeschlossenes Mitglied, was jeder werden kann. Außerordentliches Mitglied kann jeder werden, der musikalisch schöpferisch tätig ist. Und wer ordentliches Mitglied werden will, der müsse laut Dorn über einen bestimmten Umsatz verfügen. Zur Verteilung der Werke sagte Dorn, die Gema sei eine Solidargemeinschaft. Jeder bekommt für die Anzahl seiner gespielten Werke genau so viel Geld bekommt wie jeder andere.  Leif Ziemann vom Klub Drushba kritisiert das Blackbox-Verfahren, die es in ausgewählten Diskotheken gebe. Seine Vermutung, vor allem die elektronischen Clubs werden dadurch mit ihrer Musik nicht erfasst.  Nun geht es in der Diskussion noch einmal um Gema-freie Musik. Uwe Dorn verweist auf die Beweisumkehrpflicht. Das bedeutet also, Clubbetreiber müssen nachweisen, dass ihre Musik tatsächlich Gema-frei ist. Dorn erklärt auch, die Gema arbeite nach rechtlichen Vorgaben.  Ein Besucher befürchtet, dass es durch die Tariferhöhung zu einem Diskothekensterben kommt. Uwe Dorn glaubt nicht daran. „In Frankreich gibt es auch Clubs, und dort sind die Vergütungssätze viel höher.“ Torsten Schreck von der Palette erklärte, bei der befürchteten Tariferhöhung werden sicher einige Betreiber aufgeben. „Und da hängen Arbeitsplätze dran.“  Ein Gast aus dem Publikum bemängelt, dass Clubveranstaltungen gegenüber Volksfesten benachteiligt werden. Dabei geht es um die Spielzeit von fünf Stunden. Uwe Dorn weist darauf hin, dass bislang beispielsweise Veranstalter von Feuerwehrfesten und ähnliches das Neunfache gegenüber Diskothekenbetreibern zahlen. „Und das halten wir für ungerecht.“ Dorn macht auch noch einmal deutlich, „wir sind keine Leute, die Ihnen in die Tasche greifen wollen. Wir arbeiten nach Recht und Gesetz.“ Eine Zuschauerin geht darauf ein, dass sich in den letzten Jahren die Nutzungen deutlich geändert haben. Früher habe es die Sonntagsdiskos gegeben, das habe sich deutlich geändert. Darauf müsse die Gema Rücksicht nehmen.  Uwe Dorn erklärt noch einmal, dass die Gema künftig 10 Prozent der Karteneinnahmen haben will. Bislang ging es nach Veranstaltungsdauer, Größe usw.  Nun kritisiert eine Zuschauerin, dass die Gleichbehandlung nicht gegeben ist.  Sie geht darauf ein, dass die geplante Kernzeit für Veranstaltungen von fünf Stunden an die jetzigen Gegebenheiten angepasst werden muss, möglicherweise 7 Stunden. Denn geht eine Veranstaltung länger als 5 Stunden, erhöht sich der Gema-Satz um jeweils 50 Prozent für drei Stunden. Und das dürfte auf fas jede Disko-Veranstaltung zutreffen. Oder wo ist nach fünf Stunden schon Schluss? Wie bereits mehrfach zuvor erwähnt erklärt Uwe Dorn noch einmal, dass man die zehn Prozent für angemessen hält.  Robert Lucka erklärt, dass er als Veranstalter der WiWi-Lounge nicht Mitglied in einem Verband sei. „Wir wissen nicht, mit wem sie da verhandeln.“ Eine Künstlerin meldet sich zu Wort, mixt Werke in ihre Stücke. Sie will wissen, bis zu welcher Länge sie kostenlos fremde Werke nutzen kann. So eine Regelung gibt es nicht.  Daneben fragt sie, wie es sich mit Musikstücken verhält, die ein Künstler kostenlos zum Download bereitstellt – ob sie diese denn kostenlos nutzen kann. Nein, wenn der Künstler der Gema die Rechte abgetreten hat. Christian Kunze geht auf die Einnahmen der Gema ein, 820 Millionen Euro pro Jahr. Wer über die Auszahlung entscheidet, will er wissen. Das machen die 3.500 ordentlichen Mitglieder, so Uwe Dorn. Kunze will lieber, dass alle 66.000 Mitglieder am Tarifsystem mitarbeiten. Auf die Frage aus dem Publikum erklärte Dorn, die Gema sei durchaus bestrebt einen Kompromiss zu finden.   Zum Schluss meldet sich noch einmal Rüdiger Sachse zu Wort. Er erklärte es müsse schnell gehandelt werden. „Es ist fünf vor Zwölf.“ Wenn diese Regelung eintrete, sei es für viele Clubs zu spät.    Ein Fazit nach zwei Stunden: jeder beharrt auf seiner Position. Die Clubs befürchten enorme Mehrausgaben. Die Gema zieht sich auf Recht und Gesetz zurück, verweist auf mangelnde Verhandlungsbereitschaft.