Ein Schatz ist gehoben

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von 3. Mai 2023 0 Kommentare

Kulturstiftung Sachsen-Anhalt veröffentlicht historische Flugblätter auf Online-Plattform museum-digital für Forschung und Öffentlichkeit

 

Seit 2020 erfasst und digitalisiert die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt die Flugblattsammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale). Mit rund 1.200 illustrierten Einblattdrucken des 15. bis 19. Jahrhunderts besitzt das Kunstmuseum eine beeindruckende Sammlung. Ab sofort ist es möglich, die Drucke, die bisher zumeist in den Depots schlummerten, auf der Online-Plattform museum-digital zu recherchieren. Durch dieses Digitalisierungsprojekt der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt wird nicht nur intern die museale Arbeit erleichtert, sondern alle Daten stehen auch der interessierten Öffentlichkeit zum Stöbern und Forschen zur Verfügung.

Mit der Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts war das Flugblatt in der Frühen Neuzeit zum Massenmedium geworden, das sich meist mit einem Holzschnitt, Kupferstich oder einer Radierung sowie einem Text präsentierte. Flugblätter waren die Vorläufer von Zeitung und digitalen Nachrichtenmedien heute. Verleger wie zum Beispiel Jakob van der Heyden (1573−1636) konzipierten und radierten selbst oder gabenbei Kupferstechern und Autoren Bilder und Texte in Auftrag. Verkauft wurden die Blätter auf Messen, Märkten, vor Kirchen und in Wirtshäusern.

Die Themen der Drucke sind vielfältig und spiegeln die damaligen Sorgen, Interessen und Bedürfnisse der Menschen wider. Eine wichtige Rolle spielen zum Beispiel zeitgeschichtliche Großereignisse wie Kriege und Schlachten, Hochzeiten und Feste der herrschenden Persönlichkeiten, spektakuläre Hinrichtungen oder besondere Einzelereignisse wie die Zurschaustellung eines Elefanten. https://st.museum-digital.de/collection/1163

In der Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg befinden sich darüber hinaus zahlreiche Blätter, die die politischen Auseinandersetzungen der Jahrhunderte von 1560 bis 1700 spiegeln: Der Streit zwischen den Katholiken und Protestanten um den „wahren“ Glauben. Dutzende Kriege, von denen der Dreißigjährige Krieg der bekannteste ist, resultierten im 16. und 17. Jahrhundert aus diesen Zwistigkeiten. https://st.museum-digital.de/collection/1166

Daneben bestimmen Themen zur Gestaltung des Alltags die Flugblätter: Welche Rollen und Verhaltensweisen sollen Männer und Frauen in Ehe und Öffentlichkeit zeigen? Wie sollen sie sich kleiden, zueinander verhalten, wer gibt zu Hause den Ton an? https://st.museum-digital.de/collection/1162

Oder die Blätter dienten als Mahnung vor dem unausweichlichen Tod, erinnerten daran, ein gutes Leben zu führen in Zeiten, in denen das Ende oft unvorhergesehen kam. Dem Unvorbereiteten verschaffte dies einen schlechten Stand im Jenseits. Ein Grund für den Aufruf „Memento mori“ („Bedenke heute, dass du sterben musst“). https://st.museum-digital.de/collection/1165

Missstände prangerten die Autoren und Zeichner der Flugblätter aber auch mit Spott und handfester Satire an: Modenarren werden vorgeführt, verblendete Liebhaber entlarvt, den Lasterhaften Strafe in Aussicht gestellt. https://st.museum-digital.de/collection/1167

Bemerkenswert sind die Blätter, die oft mit „moderner“ naturwissenschaftlicher Präzision unbekannte oder schwer erklärliche Phänomene wiedergeben, etwa Himmelserscheinungen, Missbildungen bei Menschen und Tieren oder auch Mammutzähne, die für Zähne von Riesen gehalten wurden. https://st.museum-digital.de/collection/1169

Zahlreiche Unikate und seltene Exemplare zeugen von dem bedeutenden Stellenwert der Flugblattsammlung des Kunstmuseums Moritzburg. Bemerkenswert ist auch, dass Leben und Werk einer Einzelpersönlichkeit wie des Verlegers Jakob van der Heyden, von dem nun 59 Blätter online stehen, bisher in der Forschung kaum bearbeitet sind. Insofern stellt diese Onlinepublikation auch ein Angebot zur vertieften Beschäftigung mit dem Material dar.

 

Hintergrund

Die Datenbank museum-digital als ein Projekt von vielen großen und kleinen Museen zur gemeinsamen digitalen Publikation von Museumsdaten, bietet dem interessierten Nutzer Informationen auf vielen Ebenen: Bilder und Erläuterungstexte, aber auch kartografische Übersichten. So sind zum Beispiel auf einer Überblickskarte die Schlachtfelder und Festungsstädte, die zahlreich auf den Flugblättern wiedergegeben werden, verzeichnet.

Die Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg umfasst zum Großteil Drucke des 15. bis 17. Jahrhunderts sowie Bilderbögen des 18./19. Jahrhunderts. Zudem finden sich auch Illustrationen aus Büchern, Flugschriften und Zeitungen in der Sammlung. Der überwiegende Teil der Sammlung kam nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Architekten, Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Hermann Wäscher (1887−1961) in die Moritzburg, der seit 1951 Leiter des Grafischen Kabinetts der „Staatlichen Galerie Moritzburg“ war. Er erkannte die soziokulturelle und historische Bedeutung der Flugblätter, die erst seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Kunstgeschichte Beachtung fanden.

 

 

Hier einige Stücke:

(Unbekannter Holzschneider)/Johann Schöffer (Drucker, zugeschrieben), „Sehet auff/ das ist eyn seltzams thier/ Eyn wolff bekleydt mit kirche geschier/(…), um 1521, Holzschnitt und
Typendruck, 258 x 357 mm (Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00015.
Das reformatorische Flugblatt stellt Luther als Retter der christlichen Herde dar.

 

 

Monogrammist I.V. (Holzschneider), „Mit Bewilligung der Hohen Obrigkeit/ Ist allhier
in dem Fechthaus zu sehen/ Ein Grosser Elephant// Ein Maennlein/ welcher aus Indienvon Sylon gekommen/ und/ viel Verwunderungs=wuerdige Kuenste thun kan.“, 1650 –
1700, Holzschnitt und Typendruck, 202 x 139 mm (Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00077.
Der Anschlagzettel informiert über das Zurschaustellen eines Elefanten in Nürnberg.

 

 

(Unbekannter Holzschneider)/Bartholomaeus Hörnig (Drucker), „Eigentlicher Abriß/ und
warhafftiger/ gründlicher Bericht// Welcher gestalt/ der erbare und ehrnwolgeachte Jacobus Sporn/ von Antorff bue=/ tig gewesender Buerger und Jubilirer zuFranckfurt am Meyn; Zu Hall in Sachsen/
den 4. Junij/ auff den A=/ ben/ des 1605. Jahrs/ […] und/ hernach gefunden worden/ Wie hie beschrieben folget.“, 1605, Holzschnitt und Typendruck, 289 x 182 mm (Blattmaß), Kulturstiftung
Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00157.
Das Blatt erzählt von einem Raubmord an dem Frankfurter Juwelier Jacob Spohr in Halle (Saale) und der Auffindung der vergrabenen Körperteile

 

 

 

Monogrammist BHKNFG (Kupferstecher), „Mit Fuß tretten Handt drücken unnd Lachen: Kan Ich sie alle drey zu Narren Machenn.“, 1590, Kupferstich, 195 x 250 mm (Blattmaß), Kulturstiftung
Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00269.
Das Blatt warnt den Betrachter vor listigen Frauen und verspottet buhlerische Männer und verblendete Liebesnarren.

 

 

Matthäus Merian der Ältere (Kupferstecher/Verleger, zugeschrieben), „Waarhaffte grösse und abbildung eines zaan von dem Jenigen Rissen cörper welcher zu / Crembs in
unter Österreich A. 1645 gefunden und außsgraben worden. wigt 3 viij. ß. Medic. pond.“, 1645/46, Kupferstich, 171 x 279 mm (Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt,
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00385.
Auf dem Blatt ist ein Mammutzahn von beiden Seiten dargestellt, der 1645 in Krems bei Schanzarbeiten gefunden wurde und den der Autor des Blattes einem “Rissen cörper” (Riesenkörper) zuschreibt.

 

(Unbekannter Kupferstecher), „Wahre abcontrafactur eines erschröklichen wunderthiers, welches ein Schwein, nach acht Lebendigen Färcklein, zu letzt todter
geworffen hat, nahet bey Wien in Oesterreich in den flecken Herrnals/ genant den 8. dieses Monats Septembris und jahrs 1619“, 1619, Kupferstich, 152 x 204 mm
(Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00391.
Das Flugblatt informiert über die zur Schaustellung eines missgebildeten Ferkels bei Wien im Jahr 1619.

 

(Unbekannter Kupferstecher)/Peter Overadt (Verleger, zugeschrieben), „Der Jungfrauen Schawspigel Werdt/ Jch Genanndt Allen Jungfrawen/ Woll Bekanndt“,
nach 1596, Kupferstich, Klappbild, 178 x 117 mm (Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00755.
Das Flugblatt will mit dem Memento-mori-Motiv an die Vergänglichkeit des Lebens erinnern.

 


(Unbekannter Radierer), o.T., 1632, Radierung, 223 x 354 mm (Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF00951-1.
Die Schlacht bei Lützen war eine der Hauptschlachten des Dreißigjährigen Krieges.
Auf dem Flugblatt ist das Schlachtfeld in Vogelschau abgebildet


Crispijn de Passe (Kupferstecher), „HEINTZMAN spricht./ Holla Feygen des mus ich lachen/ (…)“, 1588, Kupferstich, 206 x 242 mm (Blattmaß), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt,
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Inv.-Nr. MOIIF01138.
Das Blatt greift als Satire mangelnde Sauberkeit und Unordnung an.

 

Einstieg in die gesamte Sammlung https://st.museum-digital.de/collection/1077

 

         

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