Das „papierne Zeitalter“: Neue Buchkunst zu Klopstock, Erxleben und GutsMuths

von 10. Mai 2019

Die Quedlinburger Friedrich Gottlieb Klopstock, Dorothea Christiane Erxleben und Johann Christoph Friedrich GutsMuths verbindet nicht nur ihre Heimatstadt, sondern auch die Epoche der Aufklärung, in der Papier und dessen Verwendung neue Formen, auch körperliche, annehmen konnte. Alle drei beschäftigten sich in dieser Zeit zudem aus jeweils unterschiedlicher Perspektive mit dem menschlichen Körper: Die Ärztin Erxleben schrieb ihre Doktorarbeit an der Universität Halle über damalige Behandlungsmethoden, wie den Aderlass, und übte daran Kritik. Der Pädagoge GutsMuths begründete den Schulsport. Und der Dichter Klopstock brachte mit freirhythmischen Versen die Sprache selbst in Bewegung.

Diese verschiedenen Zugänge diskutiert die Publikation “Wie der Körper zur Sprache kommt. Klopstock, Erxleben und GutsMuths im papiernen Zeitalter”. So widmen sich die Texte zum Beispiel Klopstocks Poetik der Bewegung, Erxlebens Therapiemethoden des kranken Leibes und GutsMuths Bewegungsspielen. Die bibliophile Arbeit ist zugleich die ungewöhnliche wissenschaftliche Begleitpublikation der gleichnamigen Dauerausstellung im Klopstockhaus in Quedlinburg, die ebenso von den Studierenden der MLU konzipiert wurde.

Gestalterisches Leitmotiv der buchkünstlerischen Arbeit ist das Papier. “In der Aufklärung erhielt dieses eine so große Bedeutung, dass man gegen Ende des 18. Jahrhunderts vom ‘papiernen Zeitalter’ sprach”, sagt Dr. Christiane Holm, Dozentin am Germanistischen Institut der MLU und Leiterin des Projekts. Die Menschen drückten ihre Gedanken und Gefühle dadurch aus, dass sie das Material nicht nur beschrieben, sondern zum Beispiel auch beküssten oder am Körper trugen.

In der Publikation werden diese zeitgenössischen Zugänge in aktuelle Formate übersetzt: Zum Beispiel ist ein Essay über Klopstocks Körpersprache und das Weinen wie ein Taschentuch gefaltet. “Der Lesevorgang hat auch eine leibliche Seite. Man wird sich des Papiers viel mehr bewusst, wenn man es wie in einem Buch nicht nur umblättern, sondern entfalten muss”, erklärt Christiane Holm. Faltungen ermöglichen zudem den Verzicht auf jegliche Formen von Bindung und Klebung – und so ist das Buch auch keines im herkömmlichen Sinne: In das handbedruckte Kartongehäuse sind die insgesamt sieben enthaltenen Texte treppenförmig hineingeschichtet und nehmen in dieser Anordnung Bezug auf die Treppenstufen im Klopstockhaus. Zudem enthält die Publikation ein Abzieh-Tattoo und Esspapier mit Versen von Klopstock – konkrete “leibliche” Angebote an die Leserinnen und Leser. Gestaltet wurde sie von Marlene Milla Woschni, Studentin der Buchkunst an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

Vorgestellt wird die Publikation am Sonntag, 19. Mai 2019, um 14 Uhr im Klopstockhaus in Quedlinburg. Anschließend besteht die Möglichkeit zu einem Rundgang durch die Ausstellung.

Zur Publikation: Maria Junker, Hannah Uhlen, Christiane Holm, Brigitte Meixner (Hg.): Wie der Körper zur Sprache kommt. Klopstock, Erxleben und GutsMuths im papiernen Zeitalter. Halle an der Saale 2019, 20 Euro, ISBN 978-3-946220-03-9