100 Jahre Händel-Festspiele in Halle

100 Jahre Händel-Festspiele in Halle
von 11. Februar 2022

Eröffnet werden die Festspiele mit einer Neuproduktion der Oper „Orlando“, die 1922 als erste Händel-Oper in Halle den Abschluss des „Hallischen Händelfestes“ bildete. Zahlreiche weitere Opern, Oratorien und Konzerte machen die 17 Festivaltage zum Highlight für Barockfans. Abgerundet wird das Programm durch innovative und spannende Veranstaltungen, die alle musikalischen Grenzen von E und U sprengen. Viele bekannte Barockstars, darunter auch etliche Händel-Preisträgerinnen und -Preisträger vergangener Jahre, werden musikalisch das Jubiläum in Halle mitfeiern.

Der diesjährige Händel-Preis wird im Rahmen der Festspiele an den verdienten Händelforscher Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt und zugleich Präsident der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft ist, verliehen. Neben dem opulenten musikalischen Programm und einer exklusiven CD-Sonderedition lassen ein reich bebildertes Begleitbuch und die Jahresausstellung „Feuerwerk und Halle-luja“ das Publikum in die umfangreiche Geschichte der Händel-Festspiele Halle eintauchen. Ein Festival am Puls der Zeit, gebaut auf Tradition. Der Vorverkauf startet am 11.02.2022.

Mit 67 Haupt- und zahlreichen Begleitveranstaltungen in Halle und der Region garantieren die traditionsreichen Händel-Festspiele auch 2022 wieder ein ebenso abwechslungsreiches wie hochkarätig besetztes Programm. So erwartet das Publikum unter anderem eine Neuinszenierung des „Orlando“. Der neue Intendant der Oper Halle, der Brite Walter Sutcliffe, führt Regie, die musikalische Leitung liegt mit Christian Curnyn bei einem weiteren Briten. Der Bühnenkomponist Händel ist ebenso mit „Caio Fabbricio“ vertreten, einem virtuosen Pasticcio, das im historischen Goethe-Theater Bad Lauchstädt die erste Wiederaufführung in der Neuzeit erleben wird. Und eine veritable Uraufführung gibt es sogar mit „Fernando, Re di Castiglia“ zu hören. Großgeschrieben wird auch weiterhin der Dialog zwischen den Kulturen und der Austausch mit musikalischen Idiomen jenseits des Barock.

Wie der „Orlando“ sind auch zahlreiche Konzerte und Oratorien im Festspielkalender dramaturgisch von den Aufführungen des Jahres 1922 inspiriert, wobei die teilweise speziell für diesen Anlass rekonstruierten Programme nicht nur an den originalen Orten stattfinden, sondern auch dieselben Klangkörper oder deren heutige Nachfolger als Partner mit ins Boot geholt wurden. Ein freudiges Wiedersehen gibt es darüber hinaus mit zahlreichen Händel-Preisträgerinnen und -Preisträgern der vergangenen Jahre, die es sich nicht nehmen lassen, „ihren“ Festspielen zu gratulieren: Publikumslieblinge wie Jordi Savall, Philippe Jaroussky, Ragna Schirmer oder Romelia Lichtenstein, aber auch Countertenor Axel Köhler, der nach seinem Rückzug von der Bühne die Festspiele als Regisseur weiter begleitete.

Für die Authentizität der Aufführungen sorgt in Halle nicht nur der „genius loci“, sondern auch zahlreiche renommierte Originalklang-Formationen, Stammgäste ebenso wie Debütantinnen und Debütanten – so unter anderem das Ensemble Divino Sospiro aus Portugal, das dem Publikum in Halle den „Messias“ in der Fassung von Wolfgang Amadeus Mozart vorstellt.

Dass Händels Musik auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Faszination und Anziehungskraft verloren hat, zeigen begleitend dazu Projekte wie das beliebte „Bridges to Classics“-Open Air sowie Begegnungen mit der Jazz-Szene oder ein Poetry-Slam. Bis heute ist Händels Musik auch jenseits von Oper und Oratorium präsent. Eine internationale wissenschaftliche Konferenz beleuchtet die Händel-Renaissance, die ihn zum heute meistgespielten Barockkomponisten machte.

Der Musikwissenschaftler, Musikhistoriker und Hochschullehrer Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann erhält den Händel-Preis der Stadt Halle, vergeben durch die Stiftung Händel-Haus, 2022. Damit würdigt das Kuratorium der Stiftung Händel-Haus Prof. Hirschmanns vielfältige und hoch-engagierte Arbeit, mit der er seit über einem Jahrzehnt Maßstäbe und wichtige Akzente setzt, beispielsweise als einer von zwei Editionsleitern und als Mitglied des Editorial Boards der Hallischen Händel-Ausgabe.

Mit einer Jahresausstellung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten blickt die Stiftung Händel-Haus zurück auf die wechselvolle Geschichte der Händel-Festspiele in Halle. Schon 1922 durften die Feuerwerksmusik und das „Halleluja“ aus dem „Messias“ natürlich nicht fehlen; diese beiden Konstanten im Festspielprogramm gaben der Jahresausstellung 2022 ihren Titel. Die Jahresausstellung wird am 23. Februar 2022 (Händels Geburtstag), um 17.00 Uhr, eröffnet und ist bis zum 8. Januar 2023 zu sehen.

Parallel zur großen Sonderausstellung wird ein repräsentatives und reich bebildertes Begleitbuch erscheinen, in dem nicht nur die Geschichte der Festspiele, sondern auch renommierte Persönlichkeiten zu Wort kommen werden, um ihrer Verbundenheit mit den Händel-Festspielen Ausdruck zu verleihen.

Ergänzend gibt die Stiftung Händel-Haus eine exklusive CD-Sonderedition mit Einspielungen aus den Jahren zwischen 1958 und 2008 heraus. Diese ist exklusiv im Museumsshop des Händel-Hauses zum Kauf erhältlich.

Intendant Clemens Birnbaum freut sich auf das Jubiläumsprogramm: „Wir können 100 Jahre lebendige Händel-Geschichte in Halle in einem großen Jubiläumsfestival vereinen, viele Wegbegleiter werden uns dabei aktiv unterstützen und ganz besonders freue ich mich, dass der Bundespräsident in seinem Schreiben den Händel-Festspielen eine erfolgreiche Jubiläumssaison und eine gute Zukunft wünscht. Danken möchte ich all jenen, mit deren Unterstützung wir mit unserem Publikum aus Nah und Fern ein solch großes Ereignis feiern können. Neben der Stadt Halle, dem Land Sachsen-Anhalt und dem Bund möchte ich stellvertretend Lotto Sachsen-Anhalt, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Saalesparkasse hervorheben.“

Bürgermeister Egbert Geier hebt die große Bedeutung Händels für seine Stadt hervor: „Händel war und ist einer der bedeutendsten Hallenser. Seine Musik begeistert die Menschen weltweit und wir alle sind stolz und glücklich, in seiner Geburtsstadt mit einem der größten internationalen Festivals und dem wichtigsten in Sachsen-Anhalt sein Andenken hochhalten zu können.“

Dr. Jürgen Fox unterstützt die Händel-Festspiele nicht nur als Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Händel-Haus: „Die Händel-Festspiele sind ein Besuchermagnet für Gäste aus aller Welt. Genauso stark ist die besondere Verbundenheit der Hallenserinnen und Hallenser mit ihren Festspielen. Als Vorstandsvorsitzender der Saalesparkasse freue ich mich, unsere langjährige Partnerschaft auch in diesem Jahr fortsetzen und gemeinsam mit der Ostdeutschen Sparkassenstiftung weiter aktiv zum Gelingen der Händel-Festspiele Halle beitragen zu können.“



Opern bei den Händel-Festspielen Halle 2022

Zum Start in die Jubiläumssaison feiert mit „Orlando“ die „musikalisch herrlichste aller Händel-Opern“ (Winton Dean) ihre Premiere und schlägt damit gleichzeitig den Bogen zurück zu den Wurzeln des Festivals. Die nicht nur in vokaler Hinsicht spektakuläre Zauberoper, deren textliche Grundlage der „Orlando furioso“ von Ludovico Ariost bildet, ist ein Meisterwerk des Komponisten und begründete 1922 die Händel-Festspieltradition in Halle. Die Neuinszenierung der Oper Halle verantwortet Walter Sutcliffe, die musikalische Leitung liegt bei Barock-Spezialist Christian Curnyn. In der Titelrolle ist Countertenor Xavier Sabata zu erleben.

Hieran anknüpfend steht mit „Ariodante“ aber gleich noch ein weiterer Händel-Klassiker auf dem Programm, der von Ariosts berühmtem Versepos inspiriert wurde. Die Aufführung der Lautten Compagney Berlin und des Marionettentheaters Carlo Colla [&] Figli war nach den bejubelten Koproduktionen von Händels Opern „Rinaldo“ und „Giustino“ bereits 2021 als dritte gemeinsame Arbeit geplant, konnte dann allerdings nur digital realisiert werden. Nun wird die Live-Premiere bei den Händel-Festspielen unter der musikalischen Leitung von Händel-Preisträger Wolfgang Katschner endlich nachgeholt. Dieses besondere Theatererlebnis wird ermöglicht dank einer Förderung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Saalesparkasse.

Eine veritable Uraufführung erwartet das Publikum danach sogar mit „Fernando, Re di Castiglia“. Das Opernfragment verarbeitet den familiären und politischen Konflikt zwischen dem portugiesischen König Dionisio und dessen Sohn, der durch das Eingreifen des Titelhelden letztlich ein glückliches Ende findet. Aufgrund offensichtlicher Parallelen zum englischen Herrscherhaus verlegte Händel die Handlung einst in ein neutrales orientalisches Milieu und brachte seine Oper unter dem Titel „Sosarme“ heraus. In Kooperation mit dem London Handel Festival stellt das Ensemble Opera Settecento unter der Leitung von Leo Duarte nun erstmals die Urfassung dieses packenden, unvollendet gebliebenen Historiendramas zur Diskussion.

Endlich wieder in Halle zu Gast ist ebenfalls das L’Orfeo Barockorchester aus Linz, das von Erich Traxler geleitet wird. Als Koproduktion mit den Donaufestwochen im Strudengau steht „Siroe, Re di Persia“ auf dem Spielplan.

Die multimediale Inszenierung knüpft an die erfolgreiche Kooperation bei „Atalanta“ im Jahr 2019 an. Für die szenische Umsetzung dieser Geschichte um Verrat, Rache und verbotene Liebe sorgt erneut Kobie van Rensburg.

Neben eigenen Werken ist der versierte Theaterpraktiker Händel aber auch als Bearbeiter zu erleben. 1733 brachte der Komponist mit „Caio Fabbricio“ eine Neufassung der gleichnamigen Hasse-Oper auf die Bühne, bei der die Handlung auf das wesentliche komprimiert und für die aufgebotenen Gesangsstars in bester Pasticcio-Tradition mit koloraturgespickten Arien von Albinoni, Vinci und natürlich Händel selbst aufgewertet wurde. Die Koproduktion mit dem Concert Royal Köln markiert dabei die erste Aufführung dieses virtuosen Feuerwerks in der Neuzeit.

Opern bei den Händel-Festspielen

ORLANDO

Oper Halle (Neuproduktion)
(HWV 31) 27. / 29. Mai, 4. / 10. Juni

ARIODANTE

Goethe-Theater Bad Lauchstädt
(HWV 33) 28. / 29. / 30. Mai

FERNANDO, RE DI CASTIGLIA

Franckesche Stiftungen
(HWV 30) (Uraufführung) – konzertant
31. Mai
(Aufführung nach der Hallischen Händel-Ausgabe)

SIROE, RE DI PERSIA

Carl-Maria-von-Weber-Theater Bernburg
(HWV 24) 5. / 6. Juni
(Aufführung nach der Hallischen Händel-Ausgabe)

CAIO FABBRICIO

Goethe-Theater Bad Lauchstädt
Pasticcio (Händel, Hasse, u.a.) (Erstaufführung in der Neuzeit)
(HWV A9) 10. / 11. / 12. Juni


Oratorien bei den Händel-Festspielen Halle 2022

Zurück zu den Wurzeln lautet das Motto auch beim Reigen der hochkarätig besetzten Oratorien im Festivalkalender 2022. Hier steht im Dom zu Halle unter anderem Händels „Susanna“ auf dem Programm, die auf die bislang nicht publizierte Strichfassung von Arnold Schering zurückgreift, die 1922 an gleicher Stelle erklang und in der Sammlung der Stiftung Händel-Haus aufbewahrt wird. Für eine zeitgemäße, historisch informierte Umsetzung sorgen dabei das Leipziger Barockorchester sowie der MDR Rundfunkchor unter seinem künstlerischen Leiter Philipp Ahmann.

Aus berufenen Händen stammt die Bearbeitung des „Messias“. Dieser Händel-Klassiker erklingt in der berühmten, aber heute nur noch selten aufgeführten deutschen Fassung von Wolfgang Amadeus Mozart, die sich vor allem durch ihre opulenten Holzbläserpartien auszeichnet. Das renommierte portugiesische Originalklangensemble Divino Sospiro stellt sich mit dieser Aufführung erstmals in Halle vor, unterstützt vom renommierten Gulbenkian Chor Lissabon und einem prominenten Solistenquartett. Es dirigiert Massimo Mazzeo. Traditionell wird die Aufführung des „Messias“ von Lotto Sachsen-Anhalt präsentiert.

Die Grenzen zwischen Oper und Oratorium waren zu Händels Zeiten oft fließend. So verfügen viele seiner geistlichen Kompositionen über eine dramatische Qualität, die das Bild der „Oper im kirchlichen Gewand“ geprägt haben. Inspiriert hiervon wagte sich die Oper Halle an eine szenische Produktion der „Brockes-Passion“, die Regisseur Walter Sutcliffe als Reflexion über das Wesen der Religion inszenierte. Barthold Heinrich Brockes fügt den biblischen Figuren eine Reihe weiterer Personen hinzu, die deren Handeln fortlaufend kommentieren. Die ursprünglich für die Festspiele 2021 geplante Veranstaltung hatte im Oktober Premiere und wird 2022 in Festivalbesetzung mit Händel-Preisträgerin Romelia Lichtenstein nachgeholt. Die musikalische Leitung übernimmt Michael Hofstetter.

Mit der Bezeichnung „after the manner of an Oratorio“, macht es einem Händel auch bei der mythologischen Geschichte seiner „Semele“ nicht einfach mit der Verortung. Er selbst hat das Werk zeit seines Lebens nur konzertant aufgeführt. Ebenso fand das Eröffnungskonzert des ersten Hallischen Händelfestes am 25. Mai 1922 statt. Zum Jubiläum dirigiert Händel-Preisträger Howard Arman die damals erstellte, groß besetzte deutsche Fassung von Alfred Rahlwes, die eigens für die 100-jährigen Händel-Festspiele rekonstruiert wurde. Es muszieren die Staatskapelle Halle, die Robert-Franz-Singakademie, die bereits bei der Aufführung in Halle 1922 mitwirkte, und der Konzertchor Leipzig.

Abgerundet wird das Programm schließlich noch mit dem wohl populärsten italienischen Oratorium aus dem Händel’schen Werkverzeichnis. „La Bellezza ravveduta nel trionfo del Tempo e del Disinganno“, in dem vier allegorische Figuren – Schönheit, Vergnügen, Erkenntnis und Zeit – einen dramatischen Wettstreit um Wahrheit und Trug, um ewige Seligkeit und flüchtiges Glück austragen. Für eine authentische Umsetzung sorgt hierbei Originalklang-Spezialist Ottavio Dantone am Pult der Accademia Bizantina.

Oratorien bei den Händel-Festspielen

DER MESSIAS (Händel / Mozart)

Dom zu Halle
(HWV 56 / KV 572) 28. Mai

SUSANNA

Dom zu Halle
(HWV 66 – Strichfassung 1922) 29. Mai

BROCKES PASSION

Oper Halle – szenisch
(HWV 48) 2. / 12. Juni

SEMELE

Georg Friedrich Händel-Halle
(HW 58 – dte. Fassung 1922) 5. Juni

LA BELLEZZA RAVVEDUTA NEL

Konzerthalle Ulrichskirche
TRIONFO DEL TEMPO E DEL 5. Juni
DISINGANNO
(HWV 46a – Aufführung nach der Hallischen Händel-Ausgabe)


„Heimkehrer“ – Konzerte bei den Händel-Festspielen

Den Blick nach vorn richten, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu vernachlässigen – dieser Spagat ist den Händel-Festspielen Halle immer wieder gelungen, frei nach dem berühmten Thomas-Morus-Zitat: „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.“ Zum Jubiläum begrüßt man daher nicht nur spannende neue Gesichter der Alten Musik-Szene, die Festival-Saison 2022 bietet ebenso ein Wiedersehen mit prominenten Händel-Preisträgerinnen und -Preisträgern der vergangenen Jahre.

Den Anfang macht hier der international gefeierte Countertenor Philippe Jaroussky. Er wird sich dem Publikum in Halle nun erstmals auch als Dirigent vorstellen. Am Pult des Ensembles Artaserse, mit dem er einen großen Querschnitt durch berühmte Arien aus der Hand Händels präsentiert. Solistin dieses Abends ist die Sopranistin Em?ke Baráth.

Ragna Schirmer, die Preisträgerin von 2012, die unter anderem auch für ihre Händel-Einspielungen mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde, widmet sich mit ihrem Klavier-Recital den „Suites de pieces pour le clavecin“ und beleuchtet damit eine ganz andere Facette aus dem Schaffen des Komponisten.

„Die Elemente und die Furien“ ist der Abend überschrieben, der von Jordi Savall mit seinem Orchester Concert des Nations bestritten wird. Der katalanische Stardirigent und Gamben-Virtuose wird hier die Kräfte der Natur und der Höllengeister heraufbeschwören, wie sie von Händel, Gluck und Rameau in Musik gesetzt wurden.

Ein wahres Gipfeltreffen der Stars der Alten Musik verspricht schließlich das Galakonzert „Vier auf einen Streich“. Hier begegnen sich unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Katschner Countertenor Valer Sabadus und Mezzosopranistin Vivica Genaux bei einem virtuosen Potpourri mit Bravour-Arien von Händel und Hasse. Durch den Abend führt Axel Köhler, der den Festspielen seit Jahrzehnten sowohl als Countertenor wie als Regisseur eng verbunden war. Ein derartiges Staraufgebot in einem Konzert ist nur möglich dank der Unterstützung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Saalesparkasse.

Weitere Highlights im Programm sind unter anderem die Aufführung der Kantate „Aminta e Fillide“ unter der Leitung von William Christie, ein Festkonzert mit Countertenor Iestyn Davies sowie unter dem Titel „Händels Bestiarium“ eine von Annett Renneberg und Händel-Fan Donna Leon gestaltete Lesung, die von den Sängerinnen Inga Kalna und Maite Beaumont musikalisch begleitet wird. Das Ensemble Il Pomo d’Oro wird dabei von Zefira Valova geleitet. Eine sinnliche Begegnung zwischen Orient und Okzident unternimmt das Pera Ensemble unter seinem Leiter Mehmet Ye?ilçay. Timur war geschichtlich einer der gewaltsüchtigsten Herrscher zu Beginn des 15. Jahrhunderts, der in kriegerischen Konflikt mit dem Osmanischen Reich geriet. Diese Geschichte, die unter anderem auch Händel zu seinem „Tamerlano“ inspirierte, wird nun erstmals gemeinsam von Musikerinnen und Musikern der verschiedenen Kulturkreise aus Europa, der Türkei und der Mongolei erzählt.

Jenseits von E und U

Neben dem Namenspatron selbst widmen sich die Händel-Festspiele längst auch regelmäßig anderen Musikgenres und neuen Konzertformaten, mit denen man die durch Klischees festgefahrenen Grenzen konsequent erweitert. Gute Musik kennt kein E oder U, sondern vor allem die Freude am gemeinsamen Konzerterlebnis.

Eines der Highlights im diesjährigen Festivalkalender ist zweifellos am 11. Juni das große Open Air unter dem Motto „Bridges to Classics“. Für den Brückenschlag zwischen der Musik Händels und einem Symphonic Rock-Konzert kommen Tausende Menschen in die wunderbare Naturkulisse der Galgenbergschlucht. Der kreative Kopf des Projekts ist seit Jahren der Saxofonist und Dirigent Bernd Ruf. An seiner Seite wirken neben der Staatskapelle Halle Musiker mit, die über reiche Erfahrung in musikalischer Grenzüberschreitung verfügen. Stargast 2022 ist Robert Hart, der Sänger von Manfred Mann’s Earthband.

Händel aus einem neuen Blickwinkel lässt sich in der St. Georgenkirche erleben, wo Sängerin Lia Pale in Kooperation mit „Women in Jazz“ ein Programm vorstellt, das sie mit „The Handel Songbook: Yes, I’m in Love“ überschrieben hat. Pale und ihr Ensemble machen hier das, was im Jazz ohnehin üblich ist – vorhandenes musikalisches Material nehmen, um etwas Eigenes, Neues daraus zu kreieren. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie ihre Lieder aus dem „Great European Songbook“ bezieht, also Werke von Schubert, Schumann und Brahms. Nun widmet sich die Sängerin einem Herzensprojekt und hat für diesen besonderen Abend ihr Repertoire mit einem „Handel Songbook“ erweitert, das eine weitere spannende Brücke zwischen Barock und Jazz schlagen wird.

Der Streit, ob nun Dichtung oder Musik an erster Stelle stehen, ist fast so alt wie die Oper selbst. Komponisten von Rang haben dabei aber schon immer verstanden, dass eine erfolgreiche Oper eben immer nur so gut ist, wie das vertonte Libretto. So kommen bei den Händel-Festspielen seit 2018 regelmäßig Wortakrobatinnen und -akrobaten unserer Tage zu ihrem Recht. Auch 2022 wartet im Händel-Haus ein Poetry-Slam auf das Publikum. Die hallische Slammerin Katja Hofmann stellt sich dabei als Moderatorin vor, um zum Thema des jährlichen Festivals Texte und Performances darzubieten. Eine Mischung aus Wort und Witz, mit einer Prise Tiefgang. Wir sind gespannt, wer gewinnt, und freuen uns auf einen poetischen Abend.

Erstmals gastieren die Händel-Festspiele 2022 im WuK Theater Quartier und zur Premiere gibt es etwas Außergewöhnliches. In der „Baroque Lounge I“ arrangiert hier der argentinische Allroundkünstler Marcello Nisinman die groovigen Hits der Musikgeschichte neu, entfernt jahrhundertealte Patina und schafft so den Brückenschlag ins 21. Jahrhundert. „Stigie larve – Geister der Hölle”, das berühmte Accompagnato aus Händels „Orlando“, steht exemplarisch für das Konzert. Die italienische Altistin Candida Guida beschwört mit ihrem bemerkenswerten tiefen Register die Geister der Hölle, beseelt aber auch lyrische und tief emotionale Arien aus Opern Händels, Mozarts u. a. So lebendig kann Alte Musik klingen! In der „Baroque Lounge II“ lassen die in der New Yorker Juilliard School gegründete Musica Sequenza, der Live-Elektronik-Künstler Carlo Grippa und die Sängerin Margret Bahr Händels Musik zu einer einzigartigen Klangcollage verschmelzen.


Die Stadt als Bühne – Open Airs, Kirchenkonzerte und mehr

Musik an authentischen Orten, so lautet die Devise der Händel-Festspiele Halle, bei denen 2022 wieder die ganze Stadt zur Bühne wird – oft sogar bei freiem Eintritt. Dies beginnt am Eröffnungstag des Festivals, dem 27. Mai, mit einer musikalisch untermalten Feierstunde am Händel-Denkmal, gefolgt von einem Carillon-Konzert am Glockenspiel im Roten Turm, ehe man ab 18 Uhr zur großen Orgelnacht einlädt. Hier werden renommierte Organisten gleich in fünf Kirchen die „Königin der Instrumente“ zum Klingen bringen.

Eine Neuheit ist die Straßentheater-Performance „Vogelfrei“: Gefiederte Wesen bieten mit Tanz, Artistik, Figurenspiel und Gesang ein abwechslungsreiches Spektakel auf dem Marktplatz.

Musik unter freiem Himmel lässt sich nicht nur auf dem Marktplatz, sondern ebenso bei einem Wandelkonzert im Botanischen Garten erleben, wo der Universitätschor Halle sowie die Pfeiferstuhl Music für die stilvolle Untermalung sorgen; oder an Bord der MS Händel II. Bei der „Wassermusik“ mit Sachsen-Anhalt Brass darf man sich hier fühlen wie der englische König George I., der sich zu seinen Bootsfahrten auf der Themse von Händel unterhalten ließ. Nicht zu vergessen das Abschlusskonzert in der Galgenbergschlucht, wo das Jubiläum erneut mit großem Feuerwerk zelebriert wird!

Um das barocke Lebensgefühl abzurunden, fehlt es natürlich auch nicht an musikalisch-kulinarischen Angeboten. So etwa mit einem Walking Dinner. Ferner gibt es eine Reihe von kostenfreien Lunch-Konzerten im Händel-Haus. Diese werden unter anderem von einem Preisträger der „Handel Singing Competition London“ bestritten, einem renommierten Wettbewerb, der schon für so manches junge Talent den Startschuss zur internationalen Karriere markierte.

Neben neuen, innovativen Formaten wird die Tradition bei den Händel-Festspielen natürlich weiterhin großgeschrieben. Mehr als ein Konzert weist dabei im Jubiläumsjahr auf die Wurzeln des Festivals. So lässt sich etwa im Festsaal der Leopoldina ein Romantisches Chorkonzert erleben, das am 2. Mai 1922 an selber Stelle erklang. Gleiches gilt für das von Roberta Mameli und Jonathan de la Paz Zaens gestaltete Kammerkonzert im Löwengebäude sowie für das Sinfoniekonzert in der Ulrichskirche oder das große Kirchenkonzert in der St. Moritzkirche, bei dem man sich Alt-Hallischen Meistern widmet und dabei ebenfalls den Programmzetteln aus dem Gründungsjahr folgt.

Als großes Thema beschäftigt die Festspielsaison 2022 nicht zuletzt auch der „Orlando furioso“, die Inspiration für die erste in Halle aufgeführte Händel-Oper. Die hiermit losgetretene hallesche Händel-Renaissance, die ihn zum heute meistgespielten Barockkomponisten machte, wird auch im Rahmen einer Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz unter die Lupe genommen. Parallel zur Neuinszenierung des „Orlando“ im Opernhaus werden auch andere Bearbeitungen des Ariost-Stoffes präsentiert, musikalisch begleitet vom Kammerorchester Basel, das mit der Sopranistin Giulia Semenzato unter dem Titel „Angelica Diabolica“ Orlando-Vertonungen aus der Feder von Komponisten wie Porpora, Torelli oder Sabadini zur Aufführung bringt.