Erneute öffentliche Auslegung des Verordnungsentwurfes zum NSG „Elbaue Jerichow“

von 15. Februar 2013

Das geplante Naturschutzgebiet „Elbaue Jerichow“, welches sich zwischen Hohenwarthe und Werben erstreckt, mit neuer Bezeichnung Naturschutzgebiet „Elbaue zwischen Hohenwarthe und Werben“, ist eines der wenigen noch intakten Überflutungsauen. Was sich hier über Jahrtausende herausgebildet hat, sind nach europäischem Recht (Flora-Fauna-Habitat (FFH)- und Vogelschutz (SPA)- Richtlinie) gefährdete und zu schützende Lebensräume. Dazu gehören z.B. die typischen, an die Gewässerdynamik angepassten Auenwälder, viele Fließ- und Stillgewässer, aber auch die Auengrünländer wie die Brenndolden-Auenwiesen. Dieses Mosaik aus Lebensräumen bildet unersetzbare Habitate für bedrohte und geschützte Tier- und Pflanzenarten. Hierzu gehören u.a. die Libellenart Grüne Flussjungfer, die Rotbauchunke, die in der Elbaue Sachsen-Anhalts ihren Verbreitungsschwerpunkt hat, der Kammmolch und viele Vogelarten, wie z. B. der Kiebitz, der Wachtelkönig, die Trauerseeschwalbe und der Seeadler.

Nach EU-Recht dürfen sich diese Schutzgüter in ihrem Erhaltungszustand nicht verschlechtern. Anders ausgedrückt: Würde die „Elbaue Jerichow“ nicht unter Schutz gestellt, handelte Sachsen-Anhalt nicht EU-konform. Bedroht ist das Gebiet durch die Intensivierung der Nutzung. Beispielweise führt eine hohe Düngung und Schnitthäufigkeit zu nachweisbar deutlichen Verlusten arten- und blütenreicher Grünlandgesellschaften. Das Fehlen störungsfreier Räume in den Rast- und Brutbereichen führt zu einem Rückgang der Bestände heimischer, überwinternder oder durchziehender Vogelarten. Deshalb müssen die Mitgliedsländer notwendige Erhaltungsmaßnahmen festlegen, die den ökologischen Anforderungen der Tier- und Pflanzenarten entsprechen.

Im Rahmen der Ausweisung des NSG „Elbaue Jerichow“ sind bisher ca. 600 teilweise mit Unterschriftslisten versehene Stellungnahmen im Landesverwaltungsamt eingegangen. Kritisiert wird insbesondere der Ablauf der Ausweisung des Naturschutzgebietes. Es bestand die Befürchtung, dass aufgrund der zu eng befundenen Terminstellung kein Einfluss mehr auf den Regelungsinhalt genommen werden kann. Durch die öffentliche Auslegung des Verordnungsentwurfes (VOE), deren Bekanntmachung den Verbandsgemeinden und Städten in ortsüblicher Weise obliegt, wurden Betroffene wie Landnutzer, Bürger, Verbände und Gemeinden aufgefordert, die persönliche Betroffenheit darzustellen. Hier wurden insbesondere auch viele Terminverlängerungen zur Abgabe der Stellungnahmen gewünscht.

Als ein beidseitiger Erfolg ist zu werten, dass durch die bereits im Verfahren gegebenen Hinweise der Betroffenen grundlegende Veränderungen im VOE vorgenommen werden konnten. Dazu beigetragen haben auch die durch Bauernverbände, Fischer, Angelvereine, Jagdpächter sowie durch die Verbands- und Einheitsgemeinden im Rahmen von mit dem Landesverwaltungsamt durchgeführten Erörterungsterminen konstruktiv vorgebrachten Hinweise und Anregungen. So wurden für die Landwirtschaft, die Fischerei sowie zu den Anregungen der Angler und Jäger viele Veränderungen vorgenommen.

Viele Anwohner und Betroffene befürchten neben ihrer Ausgrenzung aus der Natur auch eine Gefährdung des Tourismus. Aber wird der naturinteressierte Tourist nicht insbesondere durch eine vielfältige, unverbaute Landschaft mit seiner reichen Tier- und Pflanzenwelt angelockt? Im VOE ist zudem geregelt, dass bestehende Häfen und Radwege in bisheriger Art und Weise genutzt und unterhalten werden können. Zulässige Bade- und Feuerstellen sollen auch weiterhin nutzbar sein. Darüber hinaus bleiben alle bestehenden behördlichen Genehmigungen und Verwaltungsakte von den Verboten der Verordnung unberührt. Auf Basis eingegangener Stellungnahmen wurden u.a. Veranstaltungen wie der Pferdemarkt Havelberg, der Elbbadetag, der Elbdeichmarathon und das Blütenfest Rogätz im bisherigen Umfang freigestellt. Zudem ist vorgesehen, die Nutzung von Eisflächen in einem bestimmten Rahmen freizugeben. Es soll auch zukünftig möglich sein, die Elbaue aus der Nähe zu genießen.
Im Rahmen des öffentlichen Verfahrens fanden zahlreiche Erörterungen und Vor-Ort-Termine statt – weitere werden folgen. Das Landesverwaltungsamt ist grundsätzlich bestrebt, auf Basis der vorgebrachten Hinweise und Bedenken aus der Region Kompromisse zwischen den Betroffenen und geltendem Naturschutzrecht zu finden. Nach Prüfung der Hinweise und Überarbeitung der Auslegungsunterlagen, was noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, erfolgt eine erneute öffentliche Beteiligung zu den Änderungen im Entwurf. Damit möchte das Landesverwaltungsamt die Veränderungen transparent kommunizieren.

Der neue VOE wird neu ausgelegt, wenn alle Einwände geprüft und die Vororttermine abgeschlossen sind. Ein konkreter Termin steht noch nicht fest. Es wird noch einmal eine erneute Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, der land- und forstwirtschaftlichen Berufsvertretungen, der anerkannten Naturschutzvereinigungen sowie eine öffentliche Auslegung in den Städten, Verbands- und Einheitsgemeinden (Verbandsgemeinden Arneburg-Goldbeck, Elbe-Havel-Land, Elbe-Heide, Seehausen (Altmark), den Einheitsgemeinden Elbe-Parey, Möser, Stadt Jerichow und Stadt Tangerhütte und den Städten Burg, Hansestadt Havelberg, Tangermünde und Wolmirstedt) geben.