Kosten übersteigen Nutzen um ein Vielfaches

von 13. Dezember 2012

Prof. Ulrich Zabel, Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat auf Wunsch des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beide Gutachten analysiert. Während das Planco-Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass die Kosten des Kanalprojektes den Nutzen um das Vierfache übersteigen, stellt das Gutachten des sachsen-anhaltischen Landesverkehrsministeriums das Gegenteil fest: Der Kanalnutzen übersteige dessen Kosten um das Doppelte.

Ulrich Zabel: “Im Planco-Gutachten wurden veränderte Bedingungen an der Elbe wie der Rückgang der Wasserstände oder der Bau der Niedrigwasserschleuse im Magdeburger Hafen berücksichtigt. Demnach sind Massenguttransporte im Elbe-Saale-Verkehr nicht wettbewerbsfähig und daher unrealistisch. Daran würde auch der Bau des Elbe-Saale-Kanals nichts ändern. Ursache für die Unwirtschaftlichkeit sind vor allem verstärkt auftretende Niedrigwasserstände der Elbe, die keine verlässlichen Transporte nach Fahrplan zulassen.”

Nach aktuellen Analysen der Jahre 1997 bis 2012 (siehe Grafiken im Anhang) führte die Elbe von der Saalemündung stromab Richtung Magdeburg nur an 135 Tagen im Jahr ausreichend Wasser für einen rentablen Massenguttransport mit über 1000 Tonnen Ladung, stromauf Richtung Dresden und Tschechien sogar nur an 126 Tagen. Diese wenigen rentablen Schifffahrtstage werden zusätzlich durch Sperrungen bei Hochwasser oder Eisgang sowie im Elbe-Saale-Verkehr durch Schleusensperrungen an der Saale reduziert.

Unter diesen Umständen würde es laut Planco Consulting auch nach dem Bau eines Elbe-Saale-Kanals aus betriebswirtschaftlichen Gründen keine Massenguttransporte per Güterschiff im Elbe-Saale-Raum geben. Daher seien die bereits getroffenen logistischen Lösungen der Bernburger Großbetriebe Solvay und ESCO, Transporte per Bahn zum Seehafen Wismar zu realisieren bzw. die Lösung der Firma Schwenk, Zement per LKW bis zum Hafen Magdeburg und dann mit Motorgüterschiffen mit bis zu 2000 Tonnen Ladung auf dem ganzjährig vier Meter tiefen Mittellandkanal zu transportieren nachvollziehbar.

Zabel: “Ein nennenswerter Kanalnutzen ist unter diesen Voraussetzungen nicht zu erwarten. Diese entscheidenden Tatbestände werden im Gutachten der Landesregierung Sachsen-Anhalt ausgeblendet. Tonnen einfach aufzuaddieren und nicht nach der Realisierbarkeit der Transporte sowie deren Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu fragen ist unseriös.”

Der BUND-Vorsitzende Prof. Hubert Weiger forderte die Landesregierung Sachsen-Anhalts auf, die veränderten Rahmenbedingungen anzuerkennen und den durch das Bundesverkehrsministerium eingeleiteten Paradigmenwechsel in der Flusspolitik zu unterstützen.

Weiger: “Der Nutzen unserer Flüsse resultiert nicht allein aus der Schifffahrt. Immens ist ihr gesamtgesellschaftlicher Nutzen durch die Gratisleistungen der Natur, die sogenannten Ökosystem-Leistungen. Land-, Forst- und Wasserwirtschaft sowie der Tourismus profitieren von einzigartigen, naturnahen Flusslandschaften. Für den Arten- und Klimaschutz sind Flüsse und ihre Auen ebenfalls von unschätzbarem Wert.”

Der BUND erwarte deshalb von der Landesregierung mehr Entschlossenheit, sich bei der ökologischen Verbesserung von Elbe und Saale stärker zu engagieren und damit die Europäischen Richtlinien zu erfüllen anstatt weiter auf einen unnützen Kanalbau zu setzen.

“Wenn das nicht gelingt, werden wir alle zu Verlierern: Die Natur mit dem UNESCO-Biosphärenreservat Mittelelbe und dem UNESCO-Welterbegebiet Dessau-Wörlitzer Gartenreich ebenso wie die Wirtschaft. Selbst die Schifffahrt steht in Frage, weil die beschleunigte Sohlerosion die Buhnen an der Elbe gefährdet. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung und das Land Sachsen-Anhalt an der Elbe an einem Strang ziehen”, sagte Weiger.