Zeitreise-Ausstellung startet in die Saison

von 31. März 2015

„Unser neuestes Ausstellungsstück ist ein original Zekiwa-Puppenwagen. Den hatte auch meine Tochter vor 40 Jahren. Als sie den jetzt sah, hat sie sich riesig gefreut“, erzählt Erika Grüner, die das „Ostalgie-Kabinett“ gemeinsam mit ihrem Mann Bernd und Sohn Dirk vor elf Jahren eröffnete.

Doch die Besucher können noch viel mehr entdecken: So hängen Comics von „Fix und Fax“ der Kinderzeitung „Atze“ an der Wand und in einem Regal türmen sich dutzende Ausgaben des Jugendmagazins „Wissenschaft und Technik“. Auch kleine elektrisch betriebene Kochherde oder Modellautos bis hin zu Wurfpfeilen mit Schaumgummi-Zielscheibe des Sportartikelherstellers Germina können bestaunt werden – alles mit dem originalen EVP-Preisschild. Besonders stolz ist Erika Grüner auf die Mini-Kaufläden, die vor allem von Mädchen der damaligen Zeit gewünscht wurden.

Auch im Konsum gibt es so einiges Neues. So findet sich neben über 600 Spirituosen, alle seit jeher noch verschlossen, auch eine Vitrine mit Zucker, Puddingpulver oder Mehl. „Keine Packung wurde jemals geöffnet“, verspricht Dirk Grüner. Es riecht wie in einer typischen Drogerie in der Ladenzeile neben dem Gemüseladen. Kein Wunder, denn 179 Sorten Seife findet der Besucher im Regal. Auch an Tabakwaren fehlt es nicht. Hier sind Zigaretten der Marken Duett, Monte Cristo, Kenton, Inka, Salem oder F58 aus den Werken des VEB „Dresdener Zigaretten-Fabriken“ zu finden.

Die erst im vergangenen Jahr eingeweihte Eisenbahnabteilung überrascht mit einem kompletten Mitropa-Geschirrservice und einer Speisekarte aus dem Jahre 1971 für eine Reichsbahn-Sonderfahrt von Dresden nach Varna. Im Angebot: Ochsenschwanzsuppe, Kasslerbraten oder Brühe mit Eierflocken.

Neu ist auch das Zimmer mit Nähbedarf und der Waren für die Frau. Hier fällt ein Herrenanzug der Marke „Präsent 20“ sofort ins Auge. Das Etikett verspricht, dass die Kombination aus Grisuten besteht, ein einst hochgelobtes und in der DDR entwickeltes Material. In einer Glasvitrine lagert eine der teuersten Bettwäschen, die in der DDR zu haben war, die „Extravagant“ für 216 DDR-Mark. Daneben finden sich Esda-Feinstrumpfhosen oder Pantalons, die Ost-Leggins der 1980er Jahre. Unweit davon entfernt werden elektrische Geräte präsentiert, die bei einer „Dame von Welt“ nicht fehlen durften. Hinter der „Luftdusche 901“verbirgt sich ganz schlicht ein Föhn. Nicht minder interessant ist der „Ondulierstab OS 76“ von AKA. Hierbei handelt es sich um einen Lockenstab.

Fast alles – Flure, Treppen, Räume und die abertausenden von Ausstellungsstücke – sind vom Winterstaub befreit. Auch Teile der Außenfassade wurden instandgesetzt. „Wir hatten im vergangen Jahr einige feuchte Wände, sodass sich Putz von innen löste“, erzählt Dirk Grüner. Wegen Rissen auf den Außenfensterbänken sei Regenwasser in das Mauerwerk gedrungen. Die Spendengelder reichten für eine Sanierung des Hauses nicht aus. „Doch die Dachdeckerfirma Matthias Pohl aus Osterweddingen hat uns aus der Patsche geholfen und Zinkbleche im Wert von 1200 Euro gesponsert. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich“, sagen die beiden Grüners.

Im „Ostalgie-Kabinett“ sind mittlerweile über 30.000 Exponate aus längst vergangenen Zeiten zu bestaunen. „Die Ausstellungsstücke aus 40 Jahren alter Republik und aus allen Bereichen des Lebens lassen die Besucher in eine längst vergangene DDR-Alltagsgeschichte eintauchen“, verspricht Dirk Grüner. Seit mehr als 13 Jahren sammeln er und seine Eltern Erika und Bernd typische Ost-Produkte und machten sie seit 2004 auf mittlerweile über drei Etagen und mehr als 300 Quadratmetern der Öffentlichkeit zugänglich. Für ihr Engagement zur Dokumentation von Geschichte erhielten sie im Jahr 2010 sogar die „Ehrennadel des Landes Sachsen-Anhalt“. „Da es nach über zehn Jahren nach der Wende noch kein DDR-Museum in unserer Nähe gab, dachten wir uns, dieses ins Leben zu rufen“, erinnert sich Dirk Grüner. Dass aus dieser Idee, gepaart mit viel Akribie, zeitlicher Hingabe und Enthusiasmus, ein so großes Hobby und damit das einmalige Museum entstehen würde, hätten sich die Grüners niemals träumen lassen. In der Anfangszeit haben sie all ihre Fühler ausgestreckt und sämtliche Kollegen, Bekannte und Familienmitglieder aufgerufen, in Kisten, Kellern und auf Böden nach alten Relikten zu suchen um das Projekt mit DDR-Exponaten zu füllen.

Von den etlichen DDR-Einzelstücken haben Vater, Mutter und Sohn mehr als 50 Prozent teils auf Trödelmärkten und teils über Internet-Auktionshäuser gekauft oder ersteigert. „Jetzt, wo es echt auch eine Platzfrage ist, benötigen wir nur noch wenige Dinge, die über die ‚Suchliste’ auf unserer Website www.ostalgie-kabinett.com eingesehen werden können“, ruft der Ostalgie-Experte zum Mitmachen auf.

Zu Ostern startet das Ostalgie-Kabinett in die neue Saison. Geöffnet ist von Karfreitag, 3. April, bis Ostermontag, 6. April, in der Zeit von 14 bis 18 Uhr, danach wieder nur nach Voranmeldung. Der Eintritt ist weiterhin frei – um Spenden wird gebeten.