Blindes Panorama: Zwischen Liebe zum Leben und Todesangst

von 3. Mai 2021

Musik ist politisch: Die Musikfesttage KlangART Vision vom 10. April bis 30. Mai machen jüdisches Leben zeitgenössisch-musikalisch erlebbar. Das Konzert mit Artist in Residence Elena Bashkirova erzählt Zerrissenheit zwischen Leben und Tod in Werken von Shostakovich, Ligeti und Mundry

Auf einen Blick

  • Festival KlangArt-Vision (10.4.-30.5.)

  • Konzert „Panorama Ciego“, Oper Halle, 15. Mai 2021, 19:30 Uhr

  • Elena Bashkirova, Klavier, Staatskapelle Halle, Michael Wendeberg, Leitung ? Werke von Isabel Mundry, Dmitry Shostakovich und Geörgy Ligeti

  • Kostenloser Livestream auf klangart-vision.de – danach in der Mediathek des Offenen Kanals Magdeburg ok-magdeburg.de/mediathek/

  • Staats- und Kulturminister Rainer Robra ist Schirmherr // Kooperation mit „1700 – Jüdisches Leben in Deutschland“

Panorama Ciego – blindes Panorama. Mit diesem paradoxen Titel ist ein Werk für Klavier und Orchester der britischen Komponistin Isabel Mundry und das Konzert der Staatskapelle Halle am 15. Mai in der Oper Halle überschrieben. Mundry hat sich von einem impressionistisch-sprachrhythmischen Gedicht von Garcia Lorca – später Opfer des Faschismus im Spanischen Bürgerkrieg – aus dessen Zyklus „Poet in New York“ über die Anonymität und geistige Leere der Großstadt New York inspirieren lassen. 2001 schrieb sie ihr Konzert für Daniel Barenboim, in Halle wird es von seiner Frau, der Pianistin Elena Bashkirova aufgeführt.

Lorca, Shostakowich, Ligeti: Alle drei sind Künstler, die im 20. Jahrhundert unter der Repression brutaler Regimes zu leiden hatten. Die Staatskapelle Halle widmet ihnen ein ganzes Konzert – und führt vor Augen, wie politisch Musik ist.

Der Sozialistische Realismus als ideologische Ästhetik der Sowjetunion stellte das Arbeitsleben in den Vordergrund, Abstraktion war verpönt. Dieser Lehrmeinung lief das Werk des österreichisch-ungarische Komponisten György Ligeti entgegen. Sein „Concert Românesc“ (1951) klingt vor allem nach Rumänischer Volksmusik, von der es inspiriert ist – für das Regime damals enthielt es jedoch “verbotene Dissonanzen”. Ligetis Konsequenz daraus war, noch radikaler dissonant zu komponieren – und nach dem Volksaufstand in Ungarn 1956 nach Wien zu fliehen. In seinen späteren Werken, wie in „Melodien“ (1971), überlagern sich viele einzelne Stimmen – oft mit jeweils eigenem Tempo und eigenem Rhythmus.

Eben jenem Sozialistischen Realismus fiel auch Dmitri Shostakovich zum Opfer. Sein „Klavierkonzert Nr. 1“ schrieb der russische Komponist 1933 mit 26 Jahren. Obwohl schon jung weltberühmt und als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gefeiert, geriet er in Ungnade. Die Kritik der herrschenden Musikästhetik lautete: “Mehr Chaos als Musik”. Shostakovich schlief monatelang mit einem Koffer unter dem Bett, in Angst, jederzeit von der Geheimpolizei abgeholt zu werden. In seinem ersten Klavierkonzert jedoch zeigte sich der Komponist unbekümmert, so der Pianist Yefin Bronfman: “Manchmal scheint es mir, wir wären im Zirkus”.

Solistin des Abends ist die aus Moskau stammende Pianistin, Liedbegleiterin, Ensemblemusikerin und Programmgestalterin Elena Bashkirovera, ihrerseits Artist in Residence des KlangArt-Vision Festivals Mit ihrer künstlerischen Vielseitigkeit, ihrer biografischen Prägung und ihrem Engagement verkörpert sie förmlich das Anliegen des Konzerts wie auch des gesamten Festivals: „Ein Künstler muss dieses innere Feuer haben“, so Bashkirova.

Ihr zur Seite steht die Staatskapelle Halle, gleichermaßen im sinfonischen Bereich, Oper, Operette, Musical und Ballett zuhause – und nicht zuletzt in Neuer Musik erprobt. Der Dirigent und Pianist Michael Wendeberg, Chefdirigent der Oper an den Bühnen Halle, leitet das Konzert. Für ihn ist der Umgang mit dem Konzertrepertoire von Bach bis Schönberg ebenso selbstverständlich wie die intensive Beschäftigung mit neuer und neuester Musik. Die Staatskapelle Halle war von Beginn an ein verlässlicher Kooperationspartner für die Musikfesttage KlangART Vision und ist mit einem künstlerisch hochkarätigen Programm nun schon zum zweiten Mal dabei.

Über die KlangArt-Vision sagt Staats- und Kulturminister Rainer Robra, Schirmherr des Festivals: Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dieses neuartige Projekt an der Schnittstelle von Medien, Filmmusik, Klassik, Weltmusik und Avantgarde zu unterstützen“. Die Festtage verbänden Vertrautes mit vermeintlich Unbekanntem, bringen Menschen zusammen und schafften Neues: „Jedes Event besticht durch seine Einzigartigkeit und wird zum unvergleichlichen Erlebnis.“

Die KlangART Vision ist Teil dieses bundesweiten Festjahres #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland. „Uns den kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft bewusst zu machen ist ein inspirierendes Anliegen – gerade jetzt“, so der künstlerische Leiter der KlangART Vision, Markus Steffen. Musik sei von jeher das natürliche Bindeglied zwischen Kulturen, Gesellschaften und Menschen.

Aufgrund der Corona Beschränkungen werden der Offene Kanal Magdeburg und ihre Partnerkanäle aus Wettin und Wernigerode alle Veranstaltungen auf dem YouTube-Kanal und der Website des Festivals klangart-vision.de übertragen und können live miterlebt werden. (Satzbau/ Subjekt?)

Hinter der KlangART Vision steht die International Academy of Media [&] Arts e.V. (IAMA). Der Hallenser Verein versteht sich als Schnittstelle zwischen Kunstschaffenden und Medien. Kernaufgabe der Academy ist u.a. auch die Förderung und Weiterbildung von kreativem Nachwuchs, der praktische, auf die Branche zugeschnittene Fähigkeiten entwickelt und trainiert.

Mit der KlangART Vision baut die International Academy of Media [&] Arts von Sachsen-Anhalt aus Brücken in die Welt. Schon die ersten Festtage im Herbst 2020 waren ein menschenverbindendes Erlebnis in Zeiten der allgemeinen Kontaktbeschränkung.

Programm

Elena Bashkirovera, Klavier

Staatskapelle Halle

Michael Wenderberg, musikalische Leitung

GYÖRGY LIGETI

Concert Românesc (1951)

Melodien (1971)

ISABEL MUNDRY

Panorama Ciego für Klavier und Orchester (2001)

DMITRI SHOSTAKOVICH

Klavierkonzert No. 1 (1933)

Weitere Informationen, die genauen Konzertprogramme und Künstlerbiografien finden Sie auf klangart-vision.de