Carl Loewe und der Chiroplast – eine besondere Unterrichtsmethode im Zeitalter der Fleißmaschinen

von 5. November 2019

Mit der Etablierung des bürgerlichen Musikbetriebes in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts erfahren Musikinstrumentenbau, Virtuosentum, Musikunterricht und Musikkritik in ganz Europa einen nie gekannten Aufschwung. In diesem Zusammenhang schießen Klavierschulen mit besonderen Übungsmethoden wie Pilze aus dem Boden. Man schickt die „höheren Töchter“ zum Klavierunterricht. Wer von sich aus nicht so ein großes Geschick mitbringt, kann sich technischer Hilfsmittel bedienen, denn extra für Klavierspieler wird eine Reihe von mechanischen Übungsapparaten entwickelt, die helfen sollen, den Körper zu beherrschen und die Spieltechnik zu verbessern. Zu den ersten Apparaten gehört der „Chiroplast“, erfunden 1814 in Dublin von Johann Bernhard Logier (1777–1846). Bei dieser Apparatur werden die Arme mittels einer Leiste horizontal gelagert und die Finger in Führungslöcher aus Messing gesteckt.

Diese Apparatur ist Bestandteil einer Unterrichtsmethode, die große Verbreitung findet. Das Ministerium für Geistliche und Medizinal-Angelegenheiten in Preußen will sie sogar flächendeckend einführen und holt 1822 Logier aus London nach Berlin für eine Akademie zur Ausbildung von Musik[-]lehrern. Zu den Berufenen gehören Ernst Julius Hentschel (1804–1875) aus dem Lehrerseminar in Weißenfels und der Balladenmeister und Klavierpädagoge Carl Loewe (1796–1869) aus Stettin. Beide schreiben ausführliche Berichte. Der Bericht von Carl Loewe ist acht Seiten lang und erscheint 1825 in aufeinander folgenden Exemplaren der BerlinerAllgemeinen Musikalischen Zeitung. Carl Loewe äußert sich begeistert „Über Logiers Musik-System“. Er lobt das langsame Fortschreiten von einer Lektion zur anderen sowie die Einfachheit des musiktheoretischen Teils.

Christiane Barth ist Diplom-Musikwissenschaftlerin, seit 1990 Kustodin der Musikinstrumenten[-]sammlung und seit 2015 Leiterin des Bereichs Museum, Sammlungen und Besucherdienst in der Stiftung Händel-Haus. Sie erarbeitete als Kuratorin bzw. Mit-Kuratorin die derzeit bestehenden Dauerausstellungen, mehrere Sonderausstellungen und zahlreiche museumsdidaktische Elemente. Sie veröffentlicht Ausstellungsführer und Aufsätze und organisiert Konferenzen, Forschungsprojekte und Konzertreihen wie „Händels Schätze – Musik im Dialog“ mit Musikern des Händelfestspiel[-]orchesters Halle, „Authentischer Klang“ mit Studenten der Hochschule für Kirchenmusik Halle sowie den Jazzsommer im Händel-Haus.

Der Eintritt zum Vortrag ist frei.

Die Vorträge der Reihe „Musik hinterfragt“ werden vom Freundes- und Förderkreis des Händel-Hauses zu Halle e.V. freundlicherweise unterstützt