DIE KÜNSTLERIN -DAGMAR SCHMIDT- LÄDT EIN

von 3. September 2018

Der Plattenbautyp P2 wurde zwischen den 1960-90er Jahren über eine Million Mal errichtet und ist dadurch eng mit der DDR-Geschichte und deren Bürgern verbunden. Ein Kulturgut – das für nachwachsende Generationen erhalten und erlebbar gehalten sollte. So die Meinung der Künstlerin.

Dagmar Schmidt nahm mit der FROHE ZUKUNFT Wohnungsgenossenschaft eG Kontakt auf, um ihr künstlerisches Konzept vorzustellen. Den Inhalt des Konzeptes für ein rückgebautes Wohngebäudewar wir kurzbenannt:

  • Rückbau eines P2 Plattenbaus bis auf Erdgeschossniveau.

  • Wohnungen und Wohnräume inklusive der charakteristischen Möbel in Beton authentisch begehbar nachgestalten.

  • Der Natur wird freien Lauf gelassen, um sich den Boden Stück für Stück und über Jahre oder Jahrzehnte zurückzuholen.

  • Die Genossenschaft erfüllt die Sicherungspflichten und entfernt nur potentielle Gefahrenquellen aus dem Kunstwerk.

  • Das Kunstwerk darf nicht nur angesehen, sondern auch betreten werden (Auf eigene Gefahr!).

Das Konzept überzeugte, so dass das Projekt 2005 realisiert und nach Fertigstellung mit dem mfi Preis Kunst am Bau ausgezeichnet wurde. Die Fachjury äußerte sich wie folgt:

„Die Skulptur „Grabungsstaedte“ zeigt eine ungewöhnliche Verbindung von Kunst und Bau, denn sie formt den Abriss des Bauwerks um und fixiert es in seiner historischen und sozialen Dimension. Dabei öffnet die Künstlerin das ursprünglich Private – den Wohnraum – der Öffentlichkeit, während die umliegenden Häuser für den Betrachter verschlossen bleiben. Durch die Möglichkeit des Begehens macht sie die Historie des Standortes für den Menschen direkt erfahrbar und erhält gleichzeitig Erinnerungsspuren an das Wohnen in Gebäuden des industriellen Wohnungsbaus.“

(mfi Preis Kunst am Bau 2006)

Programm

15.00 Uhr Begrüßung und Lesung mit Publikum – Tom Wolter

Szenische, partizipative Lesung

Auszüge aus: Georges Perec, Das Leben Gebrauchsanweisung, 1978

(Deutsche Übersetzung: Eugen Helmlè)

Darsteller: Tom Wolter, Halle (Saale)

Mitwirkende: Publikum

Requisiten: Dagmar Schmidt

Skript: Dagmar Schmidt, Tom Wolter

„… er begann an das ruhige Leben der Dinge zu denken, an die Geschirrkiste voller Hobelspäne, an die Bücherkartons, an das harte Licht der nackten Birnen, die an ihrer Leitung baumelten, an das langsame Anordnen und Aufstellen der Möbel und Gegenstände, an die langsame Gewöhnung des Körpers an den Raum, an diese Summe winziger, nicht existierender, nicht erzählbarer Ereignisse … – alle diese winzigen kleinen Gebärden, in denen sich immer aufs zuverlässigste das Leben einer Wohnung zusammenfassen lässt und die hin und wieder, unvorhersehbar und unabwendbar, tragisch oder heilsam, vorübergehend oder endgültig von den plötzlichen Brüchen eines geschichtslosen Alltags durcheinandergebracht werden.“ (Georges Perec, Das Leben Gebrauchsanweisung, S. 212)

Die szenische Lesung in der Grabungsstaedte beschäftigt sich mit der Frage, was Wohnen eigentlich ausmacht, was sich hinter Wohnungstüren und in Treppenhäusern abspielt und was die Räume über die in ihnen stattgefundenen Lebensgeschichten preisgeben. Das Publikum soll dabei auch zum Akteur werden. Für das Script lassen sich Schauspieler Tom Wolter und Künstlerin Dagmar Schmidt von George Perec „Das Leben Gebrauchsanweisung“ (Erstveröffentlichung 1978) inspirieren. Das ist eine Geschichte über die Bewohner eines Pariser Hauses mit 99 Zimmern, ihre menschlichen Eigenarten und Marotten, ihre Lebensgeschichten, und wie sich das menschliche Leben in den Dingen, Wohnräumen und Zusammenhängen widerspiegelt.

Nach Abschluss der Lesung lädt Frau Dagmar Schmidt zu einem Gespräch und einer Führung durch die Grabungsstaedte ein.

Das Projekt für diese Veranstaltung wurde maßgeblich durch die Stadt Halle (Saale) gefördert. Koordinator für den Tag des Offenen Denkmals ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.