»Die Oratorische Bibliothek des Königlichen Pädagogiums zu Halle. Eine Schulbibliothek um 1800«

von 23. Oktober 2017

In den Stiftungsschulen setzte er dieses fortschrittliche Ziel um. Schüler erhielten an den Franckeschen Stiftungen erstmals Zugang zu einer eigens für den Schulunterricht konzipierten Bibliothek, »eine(r) Sammlung Kinderschriften, Reisebeschreibungen und Werken der Vortrefflichsten Schriftsteller unserer Nation […]. Aus ihr kann, nach dem Rath und unter Leitung seiner Lehrer, wöchentlich jeder Zögling ein Buch zum Durchlesen erhalten«, so Niemeyer. Heute sind die Bestände der Oratorischen Bibliothek fast geschlossen in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen vorhanden. Mit Hilfe des einzigen, gedruckt erschienenen Kataloges aus dem Jahr 1838 und der handschriftlichen Besitzeinträge in einzelnen Büchern konnte die Bibliothek in den letzten Jahren rekonstruiert und in einer Datenbank erfasst werden.

Die Kabinettausstellung zeigt einen Querschnitt des Bestandes dieser einzigartigen Schulbibliothek und stellt neben Erstausgaben bedeuten-der Dichter wie Lessings »Nathan der Weise« oder Schillers »Wallenstein« auch eine reiche Auswahl an zeitgenössischen Taschen-büchern, Almanachen, Kalendern und Zeitschriften aus.

Besucher und Besucherinnen erhalten dadurch einen detaillierten Einblick in eine Schulbibliothek um 1800: Welche Werke waren für den Schulunterricht um 1800 relevant? Welche Bücher gelangten durch Schenkungen in die Bibliothek? Wie wurde die Bibliothek genutzt? Zahlreiche wertvolle Erstausgaben deutscher Dichtung von u. a. Wieland, Goethe, Schiller, Kleist, Novalis und Seume zeigen, dass in der Oratorische Bibliothek um 1800 Neuerscheinungen des literarischen Marktes vorhanden waren und im Unterricht zum Einsatz kamen. Diese Neuerscheinungen gehören heute zum Kanon der deutschen Literatur.

Ausstellungseröffnung und wissenschaftlicher Workshop

Die Literaturwissenschaftlerin Anne Sturm, die vor einigen Jahren ein Volontariat in den Franckeschen Stiftungen absolvierte, hat ein Buch über die Oratorische Bibliothek geschrieben, das zur Ausstellungseröffnung vorliegen wird. Auszüge aus diesem bebilderten Buch wird Frau Sturm zur Ausstellungseröffnung am 26. Oktober präsentieren. Nach ihrem Vortrag besteht die Gelegenheit, die Kabinettausstellung zu besichtigen, die von der Diplombibliothekarin Anke Mies konzipiert worden ist. Die Ausstellungeröffnung ist in einen wissenschaftlichen Workshop eingebettet. Unter dem Thema »Historische Schulbibliotheken der Frühen Neuzeit – eine Annäherung« veranstaltet das Studienzentrum August Hermann Francke der Franckeschen Stiftungen am 26. und 27. Oktober einen Workshop, zu dem 13 Referenten und Referentinnen aus den Fachgebieten Erziehungswissenschaft, Geschichte, Literaturwissenschaften sowie aus Bibliotheken erwartet werden. Damit findet erstmalig ein Workshop mit dem Fokus auf Schulbibliotheken der Frühen Neuzeit statt

Mehr zur Ausstellung: http://bit.ly/2xRLunM