Was ist pietistisch am pietistischen Reisen?

Was ist pietistisch am pietistischen Reisen?
von 26. April 2018

Gab es »pietistisches Reisen« im 18. Jahrhundert und wenn ja, wie kann man diese Reiseform kennzeichnen? Begleitend zur Jahresausstellung »Durch die Welt im Auftrag des Herrn« veranstalten die Franckeschen Stiftungen einen öffentlichen Workshop unter dem Titel »Was ist pietistisch am pietistischen Reisen? Forschungen zur Reisepraxis im Pietismus im 18. Jahrhundert: Ansätze – Thesen – Perspektiven«, der vielfältige Reisebeispiele auf diese Fragestellung hin untersucht. Die teilnehmenden WissenschaftlerInnen aus Halle, Magdeburg, Mainz und Gotha stellen REISEARTEN in der Vormoderne (zu Land und zu Wasser, allein und in Begleitung, zu Fuß, per Schiff, mit der Postkutsche), REISEZIELE (in Deutschland, Europa, Amerika und Indien), REISEZWECKE der oft langen, mühsamen und äußerst gefährlichen Reisen (Bildung, Mission, Handel) vor.

Viele junge Nachwuchswissenschaftler konnten in den vergangenen Jahren von Prof. Dr. Holger Zaunstöck, Leiter der Stabsstelle Forschung der Franckeschen Stiftungen, für Forschungsthemen aus den vielfältigen Themenfeldern des Halleschen Pietismus gewonnen werden. Einige von ihnen stellen ihre wissenschaftlichen Arbeiten im Workshop vor: Daniel Haas, Doktorand am Orientalischen Institut der Martin-Luther-Universität im Fach Islamwissenschaft, wird die Reiseberichte der Orientreise in den Jahren 1752–1756 von Stephan Schultz (1714–1776) vergleichen, um die Abhängigkeiten der Berichte untereinander sowie ihre Unterschiede, die Entstehungsgeschichten und die unterschiedlichen Zielgruppen zu analysieren. Nikolas Schröder, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studienzentrum der Nationalen Akademie Leopoldina, wertet die in der Zeitung »Hallische Correspondentz« abgedruckten Reiseberichte Hallescher Pietisten aus und vergleicht sie mit den Briefquellen im Archiv der Franckeschen Stiftungen. Findet sich hier ein spezifisch pietistisches Medium? Dr. Björn Schmalz, Archivrat am Landesarchiv in Magdeburg, wird die Untersuchungen seiner Dissertation zur adligen Kavalierstour Friedrich Heinrich von Seckendorfs (1673–1763) im Jahr 1693 durch die Niederlande präsentieren. Person und Reiseziel – die Niederlande zählten in der Zeit zu den fortschrittlichsten Staaten Europas, hier hatte bereits im 17. Jahrhundert Friedrich Breckling (1629–1711) frühpietistische Netzwerke ausgebildet – versprechen spannendes Forschungsmaterial zur Beantwortung der Frage, ob sich anhand des Reisetagebuchs eine religiöse Reisemotivation und typisch pietistische Reisepraktiken nachweisen lassen.

Alle Interessierten sind eingeladen, am zweitägigen Workshop mit vielen spannenden Forschungsbeiträgen als Zuhörer und Diskutierende teilzunehmen.

Die Organisation des Workshops liegt bei der Stabsstelle Forschung unter der Leitung von Thomas Grunewald und Holger Zaunstöck.

PROGRAMM

Donnerstag, 26. April 2018

13.30 Uhr | Begrüßung und Einführung

Neubauer in den Niederlanden

Holger Zaunstöck, Halle

13.40 Uhr | Panel 1 | Der reisende Pietist

Ein Sonderfall? August Hermann Franckes „Reise ins Reich“

Holger Trauzettel, Halle

Religiös motiviertes Reisen? Kritische Analyse des Tagebuchs „Le Voyage en Pays-Bas“ von Friedrich Heinrich von Seckendorff über seine Kavalierstour im Jahr 1693

Björn Schmalz , Magdeburg

Reisen im „Reich Gottes“? Rekonstruktion der Kavalierstour Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerodes anhand der Quellen im Archiv der Franckeschen Stiftungen

Thomas Grunewald, Halle

16.00 Uhr | Panel II | Unterwegs in der Alten Welt

Reisen in der Herrnhuter Diasporamission

Wolfgang Breul, Mainz

Die Berichte über Stephan Schultz’ Reise durch das Osmanische Reich. Diarium – Berichte des Institutum Judaicum et Muhammedicum – Lebensbeschreibung

Daniel Haas, Halle

Mit Gottes Führung reisen – für das eigene Netzwerk unterwegs

Anne Schröder-Kahnt, Halle

FREITAG, 27. April 2018

9.30 Uhr | Panel III | Über Reisen schreiben

Reisen und Reiseberichte in der „Halleschen Correspondentz“

Nikolas Schröder, Halle

Reisetagebücher im Archiv der Franckeschen Stiftungen. Überlieferung, Form, Terminologie

Britta Klosterberg, Halle

„Arzeneyen in weit entlegenen Ländern zu vertreiben.“ Die Medikamenten-Expedition der Franckeschen Stiftungen

Claus Veltmann, Halle

Panel IV | Unterwegs in der Neuen Welt

„Sobald meine Frau entweder abscheidet oder besser wird, will ich, wenn lebe, meine Reise fortsetzen.“ – Familie Mühlenbergs Reise nach Ebenezer, Georgia, Juli bis November 1774

Jan-Hendrik Evers, Halle

„Meereserfahrung als Gotteserfahrung. Der Pietismus auf See“

Julia Schmidt-Funke, Gotha