Zwischen Glaube und Stand

von 27. Oktober 2014

Am Dienstag den 28. Oktober 2014 laden die Franckeschen Stiftungen zu einem weiteren Vortrag im Rahmen des Begleitprogramms der Jahresausstellung in den Englischen Saal ein.

Im Mittelpunkt des Abends wird das Ehepaar Christian Ernst (1691-1771) und Sophie Charlotte (1695-1762) zu Stolberg-Wernigerode stehen. Mareike Säck war bei ihren Untersuchungen zur Einführung des Pietismus in der Grafschaft Stolberg-Wernigerode auf eine ungewöhnliche private Geschichte gestoßen. Beide Ehepartner lebten eine für die damalige Zeit äußerst ungewöhnliche, gleichberechtigte Ehe. Sophie Charlotte nahm als Vertreterin ihres Mannes Regierungsgeschäft wahr und wurde in dieser Position akzeptiert. Ihre tragende Rolle in der Sozialpolitik ihres Mannes Christian Ernst ist mehr als ungewöhnlich. Es gibt nur wenige Beispiele dieser Zeit von einer ihrem Mann in der Ehe so gleichgestellten und akzeptierten Frau.

Nach ihrer Hochzeit am 31. März 1712 waren Christian Ernst und Sophie Charlotte in das Schloss in Wernigerode gezogen. Sie knüpften den Kontakt zu August Hermann Francke im nahegelegenen Halle und nur zwei Jahre später lernte Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode die Schulstadt, Francke und sein Reformkonzept in Halle direkt kennen. Der folgende Briefwechsel widerspiegelt die enge geistige Verbindung. Christian Ernst ersuchte Francke um geeignete Lehrer für seine Kinder, Bücher sowie Kompositionen und Predigten wurden ausgetauscht und weitere Treffen in Halle oder Wernigerode arrangiert. Wahrscheinlich war es Sophie Charlotte, die eine Reise nach Halle nutzte, um sich über das Hallesche Waisenhaus zu informieren. Eine gleichwertige Einrichtung ließ sie ab 1728 auch in Wernigerode errichten. Mit ihrer ungewöhnlichen Entscheidungskraft reiht sie sich ein in die unzähligen adligen Unterstützerinnen, die es ermöglichten, dass die sozialen und Bildungsreformen August Hermann Franckes weit über Halle hinaus Kindern aller Stände zugute kamen.