Aktuelle Gerichtsurteile auf einen Blick

Aktuelle Gerichtsurteile auf einen Blick
von 27. Februar 2018

+++ EU-Kommission: Nutzer können gegen Facebook [&] Co in ihrem Herkunftsland klagen +++

Nutzer von Facebook, Twitter und Google Plus sind nicht mehr gezwungen, den Rechtsweg an den Firmensitzen der Betreiber in Kalifornien zu beschreiten. Die europäischen Nutzer können laut ARAG fortan vor einem Gericht in dem Mitgliedsstaat klagen oder sich beschweren, in dem sie wohnen.

+++ 245 % mehr Miete ist zu dulden +++

Eine Mieterin wurde verpflichtet, eine Modernisierung ihrer Wohnung mittels Balkonanbau, Außenaufzug, Zentralheizung, Isolierverglasung und dreiadrigen Stromkabeln trotz einer zu erwartenden Mieterhöhung auf 245 % der jetzigen Miete zu dulden. Denn es handele sich laut ARAG nicht um eine Luxusmodernisierung, sondern um typische Modernisierungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Vermietbarkeit, so dass die Interessen des Eigentümers vorrangig waren (AG München, Az.: 453 C 22061/15).

+++ Erbanspruch des Enkels bei Enterbung des Sohnes +++

Enterbt ein Großvater nur seinen Sohn und vererbt sein Vermögen anderen Erben, kann dem Enkel laut ARAG ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen (OLG Hamm, Az.: 10 U 31/17).

Langfassungen:

EU-Kommission: Nutzer können gegen Facebook [&] Co in ihrem Herkunftsland klagen

Nutzer von Facebook, Twitter und Google Plus sind nicht mehr gezwungen, den Rechtsweg an den Firmensitzen der Betreiber in Kalifornien zu beschreiten. Dies war eine der Forderungen der EU-Kommission, der die Online-Plattformer nun in ihren AGB nachgekommen sind. Die europäischen Nutzer können sich fortan in dem Mitgliedsstaat beschweren, in dem sie wohnen oder – falls nötig – auch vor Gericht klagen. Die Gerichte entscheiden dann auch nach dem Recht des europäischen Mitgliedsstaates und nicht mehr nach amerikanischem Recht, erläutern ARAG Experten. Anderen Forderungen nach mehr Verbraucherfreundlichkeit verweigern sich Facebook [&] Co. allerdings noch. Die sozialen Netzwerke und Foren sollen sich nach dem Willen der EU Kommission z. B. verpflichten, illegale Inhalte, wie etwa Hasskommentare oder Terrorpropaganda, deutlich rascher zu entfernen. Die Kommission bringt hier eine Frist von einer Stunde ins Spiel. Bisher haben sich die Mitglieder des EU-Internet-Forums verpflichtet, illegale Inhalteinnerhalb von 24 Stunden zu löschen, nachdem sie darüber informiert wurden.

245 % mehr Miete ist zu dulden

Eine Mieterin wurde verpflichtet, eine Modernisierung ihrer Wohnung mittels Balkonanbau, Außenaufzug, Zentralheizung, Isolierverglasung und dreiadrigen Stromkabeln trotz einer zu erwartenden Mieterhöhung auf 245 % der jetzigen Miete zu dulden. Die 70-jährige Mieterin wohnt im verhandelten Fall seit 1958 in einer Vier-Zimmer-Wohnung von rund 100 Quadratmetern. Die Miete kalt belief sich zuletzt auf 517,66 Euro. Die im dritten Obergeschoss gelegene Wohnung ist bisher mit zwei Gaseinzelöfen, doppelt verglasten Fenstern und zweiadrigen Elektroleitungen ausgestattet. Nur für die Badewanne gibt es einen Gasdurchlauferhitzer für Warmwasser. Im Mai 2015 unterrichtete der neue Eigentümer und Kläger die Mieterin von den geplanten Modernisierungsmaßnahmen (Balkonanbau, Außenaufzug, Zentralheizung, Isolierverglasung und dreiadrige Stromkabel) und kündigte nach Fertigstellung eine Mieterhöhung um 751,67 Euro auf dann 1296,33 Euro an. Die Mieterin teilte umgehend mit, ihre Zustimmung zu verweigern und behauptete, die angekündigten Modernisierungsmaßnahmen seien nur vorgeschoben, um sie zum Auszug zu bewegen und dann den Wohnungszuschnitt zu ändern und weitergehende Modernisierungen durchführen zu können. Überdies handele es sich um Luxusmodernisierungen zur Vertreibung der alten Mietparteien. Zudem liege auch aufgrund der enormen geplanten Mieterhöhung ein Härtefall vor. Das AG hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Duldung der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der Kläger die Baumaßnahmen nicht bloß vorgeschoben, sondern tatsächlich konkret geplant habe. Auch sei die zu erwartende Bauzeit von 10 Tagen zumutbar. Auch die Erhöhung der Miete sei zumutbar, da die Maßnahmen ja keine Luxusmodernisierungen darstellten. Dass sich der Mieter aufgrund der Modernisierungsmaßnahmen die Wohnung nicht mehr leisten könne, sei unter Abwägung der Eigentümerinteressen an Veränderungen und Verbesserungen seines Mietshauses hinzunehmen, so die ARAG Experten

Erbanspruch des Enkels bei Enterbung des Sohnes

Enterbt ein Großvater nur seinen Sohn und vererbt sein Vermögen anderen Erben, kann dem Enkel ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen. Im konkreten Fall verstarb ein 72 Jahre alter Erblasser im Oktober 2011. Er hinterließ einen Nachlass und eine Lebensversicherung im – gerichtlich festgestellten – Wert von zusammen circa 1.854.000 Euro. Der Erblasser hatte zwei Söhne, wobei der Ältere kinderlos im Jahr 1990 verstarb. Der Jüngere, heute 53 Jahre alt, ist – nach im Prozess vorgelegter Geburtsurkunde – der Vater des heute 21 Jahre alten Klägers. Beide Söhne hatte der Erblasser in einem im Jahr 1989 errichteten Testament enterbt und zur Begründung auf ihre Rauschgiftsucht und begangene Straftaten hingewiesen, unter anderem eine vom jüngeren Sohn gegen ihn verübte Körperverletzung. Zu Erben bestimmte der Erblasser in dem Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen Bruder, den heute 79 Jahre alten Beklagten. Nach dem Tod des Erblassers teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. Im Jahr 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von zuletzt circa 927.000 Euro gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend. Hierzu trug er vor, Enkel des Erblassers zu sein, sodass ihm als – allein verbliebenem – gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehe. Die Erben haben unter anderem die Vaterschaft des enterbten Sohnes bestritten und allein die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde für keinen ausreichenden Nachweis gehalten. Außerdem haben sie geltend gemacht, dass sie den Nachlass verbraucht beziehungsweise weitergegeben hätten. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Lebensgefährtin des Erblassers sowie den Beklagten dazu verurteilt, an den Kläger den ihm zustehenden Pflichtteil nebst Pflichtteilsergänzung insgesamt circa 927.000 Euro zu zahlen. Der Kläger sei pflichtteilsberechtigt, so das OLG. Er habe nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel sei. Das vom Erblasser errichtete Testament habe den Kläger durch die vom Erblasser bestimmte Erbeinsetzung seines Bruders und seiner Lebensgefährtin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Als entfernterer Abkömmling des Erblassers sei der Kläger nunmehr pflichtteilsberechtigt. Im Gegensatz zu seinem Vater habe der Kläger sein Pflichtteilsrecht nicht verloren. Der Erblasser habe in seinem Testament nur angeordnet, seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil zu entziehen. Darauf, dass der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden sei, könne sich der Beklagte nicht berufen. Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft habe er den Pflichtteilsanspruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen, erklären ARAG Experten (OLG Hamm, Az.: 10 U 31/17).

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