Die Preiserhöhung für Erdgas von über 70 Prozent zu Beginn des Jahres war erst der Anfang. Nun müssen Gaskunden mit einer Explosion der Gaspreise rechnen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat die Alarmstufe des „Notfallplans Gas“ ausgerufen, womit unter anderem eine sogenannte Preisanpassungsklausel in Kraft treten kann. Damit dürfen Versorger unter bestimmten Voraussetzungen die gestiegenen Einkaufspreise an ihre Kunden weitergeben. Einen Deckel nach oben gibt es dabei nicht – Preisgarantie hin oder her. Was auf Verbraucher zukommen kann und wie jeder Haushalt sofort anfangen kann, Gas zu sparen, wissen die Experten.
Aktuelle Entwicklung
Die aktuellen Füllstände der Gasspeicher in Deutschland liegen derzeit bei rund 62 Prozent. Doch es ist Sommer und für eine gesicherte Gasversorgung im Winter müssen die Speicher nach Information der Experten bis November mindestens zu 90 Prozent gefüllt sein. Mit einem bisherigen maximalen Gasfluss von 40 Prozent aus der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 1, die nach Wartungsarbeiten gar kein Gas mehr liefern könnte, müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, damit die Wärmeversorgung auch im Winter gewährleistet werden kann.
Mögliche Maßnahmen
Neben der Einschränkung der Weitergabe von Gas an benachbarte europäische Länder wie etwa Frankreich, Österreich oder Tschechien, werden sich Unternehmen und Verbraucher auf deutliche Gaspreissteigerungen einstellen müssen. Zudem können Städte und Gemeinden laut Experten die Betriebszeiten für Heizung und Warmwasser stundenweise drosseln, so dass über den Tag verteilt nur noch zu bestimmten Zeiten warmes Wasser zur Verfügung steht und die Heizung beispielsweise bis Ende September kalt bleibt.
Preiserhöhung – was nun?
Bevor Gasversorger die Preise erhöhen, müssen sie ihre Kunden darüber informieren. Dann kann es laut Experten aber sehr schnell gehen und schon eine Woche nach Ankündigung darf der Preis erhöht werden. Kunden haben in diesem Fall zwar das Recht, unverzüglich den Vertrag zu kündigen, aber die Experten warnen vor einer übereilten Entscheidung, da auch andere Versorger den Gaspreis vermutlich früher oder später anpassen werden. Neue Verträge könnten dann unter Umständen noch teurer werden.
Wer Schwierigkeiten mit einer erhöhten Abschlagszahlung hat, sollte sich umgehend an seinen Gasanbieter wenden und gemeinsam eine realistische Abschlagszahlung definieren. Auch Ratenzahlungen und eine Weiterversorgung auf Vorauszahlungsbasis sind eine Möglichkeit. Die Preisanpassung zu ignorieren, ist nach Auskunft der ARAG keine gute Idee, denn dann müssen Endkunden damit rechnen, dass ihnen buchstäblich der Gashahn zugedreht wird. Tritt diese Gassperre in Kraft, können für das Abstellen und eine eventuelle erneute Inbetriebnahme durch einen Techniker zusätzliche Kosten auf Kunden zukommen.
Wann ist der Gashahn zu?
Nach Auskunft der Experten darf der Versorger die Grundversorgung sperren, wenn Kunden trotz Mahnung ihren monatlichen Abschlag nicht bezahlen und der Zahlungsrückstand zwei Abschläge, mindestens aber 100 Euro beträgt. Zudem müssen zwischen der ersten schriftlichen Androhung der Sperre und der tatsächlichen Unterbrechung mindestens vier Wochen liegen. Und: Die Unterbrechung der Versorgung muss verhältnismäßig sein. So wäre z. B. eine Sperrung bei Haushalten mit Kleinkindern, Schwangeren oder gesundheitlich eingeschränkten Personen unverhältnismäßig. Eine Versorgungsunterbrechung ist ebenfalls unzulässig, wenn Kunden die Rechnung schriftlich und schlüssig beanstandet haben.
Sollte die Preisanpassungsklausel von der Bundesnetzagentur aktiviert werden, wird laut Experten über ein Moratorium für Strom und Gas nachgedacht: Danach müssten Versorger Haushaltskunden, die ihre Rechnung nicht mehr zahlen können, drei Monate vorher darüber informieren, dass die Belieferung mit Gas eingestellt wird.
Höhere Nebenkosten für Mieter
Auch Mieter müssen sich nun auf deutlich höhere Nebenkosten einstellen. Spätestens im kommenden Herbst kann es eine enorme Mieterhöhung geben, wenn die Nebenkostenabrechnung für das Vorjahr ins Haus flattert. Laut ARAG dürfen Vermieter die Abschläge für die Nebenkosten dann erhöhen, wenn aus der aktuellen Jahresabrechnung ersichtlich wird, dass der monatliche Abschlag zu niedrig ist und eine extrem hohe Nachzahlung droht.
Gas sparen – sofort!
Die rund 41 Millionen deutschen Haushalte verbrauchen etwa 30 Prozent des Erdgases. Mehr als zwei Drittel der Energie werden laut BMWK für das Heizen und für Warmwasser verwendet. Da die Heizung in den Sommermonaten meist ausgestellt ist, bleibt also der Warmwasserverbrauch, den es zu optimieren gilt. Dabei ist der von Wirtschaftsminister Habeck empfohlene Austausch eines regulären mit einem wassersparenden Duschkopf nur eine Maßnahme. Die Experten raten darüber hinaus hin und wieder zu einer kalten Dusche. Das spart nicht nur Energie, sondern macht wach. Auf ein Vollbad sollte man zugunsten einer kurzen Dusche verzichten.
Auch im Sommer kann man mit der Heizung Gas sparen. So raten Experten dazu, die Heizungsanlage regelmäßig vom Fachmann kontrollieren und optimal für den kommenden Winter einstellen zu lassen. Wer alte Thermostate gegen smarte, elektronische Heizthermostate tauscht, kann im Winter zudem die Heizung effizienter regulieren.
Zudem trägt ein reduzierter Stromverbrauch indirekt dazu bei, Gas einzusparen, weil Gaskraftwerke weniger Erdgas zur Stromerzeugung einsetzen müssen.
Der Notfallplan Gas
Der Notfallplan Gas regelt die Gasversorgung in Deutschland, wenn eine Krise droht. Er sieht drei Warnstufen vor, wenn es zu Engpässen bei der Gasversorgung kommt. Jede Eskalationsstufe sieht verschiedene Maßnahmen vor, um die Versorgung sicherzustellen. Mit der Frühwarnstufe wurde bereits im März die erste Stufe ausgerufen, die für Verbraucher kaum Auswirkungen hatte. Ende Juni rief Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit der Alarmstufe die zweite Stufe des Notfallplans aus. Die Gasversorgung ist also gestört, doch der Staat greift noch nicht ein. In dieser Stufe kann allerdings die Preisanpassungsklausel aktiviert werden, die Mitte Mai durch eine Gesetzesänderung in das Energiesicherungsgesetz aufgenommen wurde. Voraussetzung: Die Bundesnetzagentur muss zusätzlich zur Alarmstufe eine erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen förmlich feststellen. Erst bei der dritten und letzten Stufe der Eskalation, der Notfallstufe, greift der Staat ein, um die Gasversorgung sicherzustellen und die Bundesnetzagentur übernimmt in Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung des knappen Rohstoffes. Nach Auskunft der Experten sind dabei bestimmte Gruppen, wie z. B. Krankenhäuser, soziale Einrichtungen oder private Haushalte, besonders geschützt, sie werden also bis zuletzt mit Gas versorgt – wenngleich zu deutlich ungünstigeren Konditionen.
Weitere interessante Informationen unter:
https://www.arag.de/service/infos-und-news/rechtstipps-und-gerichtsurteile/sonstige/
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