20 Jahre Reformhaus in Halle

von 22. August 2010

Reformhaus? Das ist für die meisten Menschen wohl so was wie ein Naturkostladen. Doch in Halle hat das Reformhaus eine ganz andere Bedeutung. Es geht nicht um Reformmedizin und dergleichen. Hier geht es um die Demokratie.

Alles fing in den Wendetagen an. Viele verschiedene Gruppen bildeten sich. Im Januar 1990 schließlich konnten die Kräfte gebündelt werden, als das Haus in der Großen Klausstraße, direkt an der Klausbrücke, bezogen werden konnte. Viel hat sich seitdem getan, viele Gruppierungen gibt es nicht mehr oder sie sind längst ausgezogen. So wie SPD und Jusos, die einst in der ersten Etage zuhause waren und heute in der Großen Märkerstraße in einem eigenen Haus residieren. Der Demokratische Aufbruch fusionierte mit der CDU, die Umweltbibliothek ist heute in Merseburg, die Stattzeitung gibt es nicht mehr. Doch einige blieben. Das Neue Forum zum Beispiel, das 1992 mit der Veröffentlichung der Stasispitzel-Liste aus Halle das Haus bekannt machte. Auch das Unabhängige Institut für Umweltfragen ist nach wie vor hier zu finden.

Das Haus in der Großen Klausstraße sollte zu DDR-Zeiten eigentlich einem anderen Zweck dienen. Ebenso wie das benachbarte Bachhaus sollte hier die Bauleitung für die Neubebauung der Spitze mit Kulturpalast sitzen. Doch in den Wendetagen war das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Zwei Monate wurde gewerkelt und gemalert, bevor dann im Januar 1990 elf Gruppen ihre Büros bezogen. Möbel organisierte man sich vom “Feind”, von der sich auflösenden MfS-Zentrale am Gimritzer Damm.

Am Samstag wurde 20. Geburtstag gefeiert. ”Und es braucht uns nach wie vor”, meint Christoph Starke vom hier ansässigen Friedenskreis und zugleich im Vorstand des Reformhaus e.V., “für kritische Begleitung und neue Ideen.” Das zeigt auch die Nachfrage nach Räumlichkeiten. “Das Haus ist voll”, so Stark, “wir platzen aus allen Nähten.” Inzwischen gebe es auch wieder Amnesty- und Greenpeace-Gruppen aus Halle, die hier tagen. “Wir können stolz sein auf 20 Jahre Geschichte.”

Das findet auch Halles Bildungsdezernent Tobias Kogge, der zur Geburtstagsfeier als Vertreter der Stadt kam. “Ohne diese Gruppen wäre die Gesellschaft weniger bunt, hätten wir weniger bürgerschaftliches Engagement.” Und auch wenn Kogge nicht mit allen Positionen einverstanden ist, er lobte die kritische Begleitung “wider dem Stachel.” Denn auch heute tut seinen Worten nach Veränderung not. Die Frage sei aber, “wer gestaltet sie, und wer lässt Veränderung nur mit sich geschehen?” Und so regte Kogge die Diskussion an, um so “ein gemeinsames Bewusstsein für die Stadt zu entwickeln.”

Doch was sind das für Bereiche, für die sich das Reformhaus heute einsetzt? “Die gleichen wie damals vor 20 Jahren, nur mit anderen Nuancen”, so Christoph Starke. “Demokratie, Umwelt, Frieden, Gerechtigkeit.”

Am Samstag übrigens konnte man zum Juiläum Einblicke in die Büros werfen, mit den Mitarbeitern in Kontakt kommen. Christoph Starke lud dazu ein, auch sonst gern einmal vorbeizukommen. "Unsere Türen sind nicht nur heute offen."


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