Bildung im Vorübergehen: Carl von Ossietzky

von 19. Februar 2016

Der unbequeme Publizist wurde mit der Machtergreifung derNationalsozialisten in mehrere KZ verbracht und starb früh an den Folgen der Haft. 1936erhielt er rückwirkend den Friedensnobelpreis für 1935. Nun erhält die Carl-von-Ossietzky-Straße Zusatzschilder, die über den Namensgeber informieren.

Die Bürgerstiftung Halle wird am23. Februar 2016, um 11:00 Uhr, an der Carl-von-Ossietzky-Straße / Ecke
Schleiermacherstraße die Schilder anbringen, welchevon Barbara Schütte und der Paulus-Apotheke sowie von Anne
Osterloh und von Ulrike Rühlmann gespendet wurden.

„Bildung im Vorübergehen“:

Viele hallesche Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte benannt,doch häufig wissen die Bürgerinnen und Bürger gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Deshalbstattet die Bürgerstiftung Halle im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ seit Juli 2008monatlich eine Straße mit zusätzlichen Informationsschildern aus, die Auskunft über dieNamensgeberInnen der Straße geben. Die Initiatorin und „Anstifterin“ des Projektes, Dr. Ingeborgvon Lips, verbindet damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischenPersönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen.

Das Vorhaben fand von Anfang an eine breite Resonanz in der halleschen Bevölkerung und weitdarüber hinaus. Alle ursprünglich von der BÜRGER.STIFTUNG.HALLE vorgeschlagenen Straßen undetliche weitere fanden innerhalb kurzer Zeit ihre „Schilderpaten“. Dabei melden sich nicht nurHallenserinnen und Hallenser, sondern auch Nachfahren, die z. T. selbst noch nie in Halle waren.Das Projekt wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch den Grafiker BerndSchmidt, den Fachbereich Kultur der Stadt Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle, das hallescheStadtarchiv sowie die Firma Horn Verkehrstechnik Halle.

Eine aktuelle Liste der bereits in Vorbereitung befindlichen Straßen ist unterhttp://www.buergerstiftung-halle.de/bildung-im-voruebergehen/ abrufbar.

Carl von Ossietzky (1889-1938)

Am 3. Oktober 1889 wurde Carl von Ossietzky als Sohn des aus Schlesien eingewandertenMilchhändlers, Speisewirts und Stenographen Carl Ignatius von Ossietzky und seiner Ehefrau RosalieMarie geb. Pratzka in Hamburg geboren. Er besuchte die Rumbaumsche Oberrealschule, verfehlteaber zweimal den Schulabschluss mit der Mittleren Reife, weil er sich lieber mit den Klassikern derdeutschen Literatur als mit dem Schulstoff beschäftigte. Ohne Abschluss 1907 wurde erHilfsschreiber beim Hamburger Amtsgericht.

1908 trat Carl von Ossietzky in die linksliberale Demokratische Vereinigung ein. Nachdem er miteinem Leserbrief an die von dieser Partei herausgegebene Zeitschrift „Das Freie Volk“ auf sichaufmerksam gemacht hatte, wurde er 1912 deren Mitarbeiter. Im Jahr darauf trat er in die DeutscheFriedensgesellschaft und den Deutschen Monistenbund ein. Im Sommer 1913 heiratete er dieFrauenrechtlerin Maud Hester Lichfield-Woods, Tochter eines britischen Offiziers.

Zu Beginn desJahres 1914 verließ Ossietzky den Justizdienst, um als freier Journalist zu arbeiten. Aufgrund einesseiner Artikel wurde er wegen „Beleidigung der Militärgerichtsbarkeit“ zu einer Geldstrafe von 200
Reichsmark verurteilt. Als im August 2014 die Zeitung „Das Freie Volk“ eingestellt wurde, musste
Ossietzky wieder in den Justizdienst eintreten.

Im Ersten Weltkrieg wurde Ossietzky 1916 als Armierungssoldat eingezogen und diente an derWestfront. Nach der Teilnahme an der Schlacht von Verdun schrieb er Artikel gegen dieRomantisierung und die Fortsetzung des Krieges. Nach dem Krieg trat er erneut aus dem Justizdienstaus, arbeitete für den Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat und wurde Autor und Lektor im dortigenPfadweiser-Verlag. Im Sommer zogen die Ossietzkys nach Berlin. Hier hielt Ossietzky Vorträge in derDeutschen Friedensgesellschaft und wurde ab Oktober 1919 deren Sekretär.

Von 1919 bis 1922 war Ossietzky freier Mitarbeiter der Organe des Deutschen Monistenbundes.
1920 redigierte er als verantwortlicher Redakteur die „Mittteilungen der DeutschenFriedensgesellschaft“. Mit Ende seiner Tätigkeit als Sekretär der Deutschen Friedensgesellschaft imJuni desselben Jahres wurde er hauptamtlicher Mitarbeiter der „Berliner Volks-Zeitung“, später auchhier verantwortlicher Redakteur. Ossietzky schloss sich der Deutschen Liga für Menschenrechte anund war Mitbegründer der Friedensbewegung „Nie-wieder-Krieg“. Er sprach auf derenKundgebungen und schrieb für das pazifistische Organ „Nie-wieder-Krieg!“. Im Friedensbund derKriegsteilnehmer lernte er Kurt Tucholsky kennen.

Im Jahr 1924 gründete Ossietzky die Republikanische Partei (RPD), die sich, nachdem sie nichtgenügend Stimmen für einen Sitz im Reichstag erreichte, wieder auflöste. Er arbeitete in derRedaktion der linksliberalen Wochenzeitung „Das Tage-Buch“ und beim „Montag-Morgen“.

1926 unterzeichnete er einen Autorenvertrag mit der von Siegfried Jacobson herausgegebenen„Weltbühne“, für die auch Tucholsky arbeitete. Im Jahr darauf, nach dem Tod Jacobsons, wurdeOssietzky deren Chefredakteur und Herausgeber. In seinen Leitartikeln wendete er sich gegen dieAushöhlung der Verfassung und kritisierte die Parteienpolitik. Wegen seiner Kritik an derWiederaufrüstung wurde er mehrmals vor Gericht verurteilt. Von August 1926 bis Mai 1927 gehörteOssietzky dem Vorstand der Liga für Menschenrechte an. Neben Ernst Toller, Alfred Wolfenstein u.a.war er im Januar 1928 Teil des beratenden Ausschusses der von Alfred Döblin geleiteten„Aktionsgemeinschaft für geistige Freiheit“. Nach einem Artikel über die geheime Rüstung derReichswehr 1931 wurden er und der Autor des Artikels, Walter Kreiser, wegen Landesverrats zu
achtzehn Monaten Haft verurteilt. Während Kreiser nach Frankreich floh, wurde Ossietzky bis zur
Weihnachtsamnestie 1932 im Gefängnis Tegel interniert.
Auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lehnte Ossietzky die Flucht aus Deutschlandab. In der Nacht des Reichstagsbrandes am 28. Februar 1933 wurde er verhaftet und imUntersuchungsgefängnis Spandau interniert. Im März wurde die „Weltbühne“ verboten, im Aprilwurde Ossietzky in das KZ Sonnenburg bei Küstrin überführt, wo er einen Herzanfall erlitt.

1934 kamer in das KZ Esterwegen im Emsland. Hier wurde er für Torfarbeiten im Moor eingesetzt. Sein
Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends.Um die internationale Presse auf die unmenschliche Behandlung aufmerksam zu machen, beantragtedie Liga für Menschenrechte auf Initiative seiner Freunde im Mai 1934 den Friedensnobelpreis fürCarl von Ossietzky. Unter den Unterstützern waren die Schriftsteller Romain Rolland, H. G. Wells, dieBrüder Thomas und Heinrich Mann, der Philosoph Bertrand Russell, der Schweizer Theologe KarlBarth und der Physiker Albert Einstein. Willy Brandt koordinierte und bündelte die verschiedenenInitiativen. Aufgrund des starken außenpolitischen Drucks der nationalsozialistischen Regierung aufdie norwegische Regierung beschloss das Komitee, den Friedensnobelpreis für 1935 auszusetzen.

Erst im November 1936 wurde Ossietzky der Nobelpreis rückwirkend verliehen. Ihm wurde erlaubt,den Preis und das Preisgeld anzunehmen, er durfte es aber nicht persönlich in Osloentgegennehmen. Zudem verfügte Hitler darüber, dass kein Deutscher zukünftig einenFriedensnobelpreis annehmen dürfe.Zuvor schon war Ossietzky im Mai 1936 aus der Haft entlassen und mit einer schweren Tuberkulosein das Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin eingeliefert worden, er blieb dort aber weiterhin unterPolizeiaufsicht.

Am 4. Mai 1938 starb Carl von Ossietzky im Berliner Krankenhaus Nordend an denFolgen der schweren Misshandlungen im KZ und der Tuberkulose. Er fand seine letzte Ruhe in einemEhrengrab der Stadt Berlin auf dem Friedhof 4 in Berlin-Niederschönhausen.Die deutsche Internationale Liga für Menschenrechte in Berlin verleiht seit 1962 die Carl-von-Ossietzky-Medaille an Personen, die sich in besonderer Weise um die Verwirklichung derMenschenrechte verdient gemacht haben. Prominente Preisträger sind u.a. Heinrich Böll und GünterWallraff.

Quellen:
Elke Suhr: Carl von Ossietzky. Pazifist, Republikaner und Widerstandskämpfer. München, 1989
Ursula Madrasch-Groschopp [&] Gerda Bergner (Hrsg.): Ossietzky. Ein Lesebuch für unsere Zeit. Berlin,
Weimar, 1989.
https://www.dhm.de/lemo/biografie/carl-ossietzky
http://www.berlin-die-hauptstadt.de/ossietzky.htm