Bildung im Vorübergehen: Friedrich Ludwig Jahn

von 22. August 2017

Ihm lag daran, Preußen von der französischen Vorherrschaft zu befreien, das zersplitterte Deutschland zu einigen und dem Volk politische Mitbestimmung zu ermöglichen. Nun erhält die Jahnstraße Zusatzschilder, die über den Namensgeber informieren.Die Schilder wurden gespendet von der Halle-Leobener Burschenschaft Germania.

Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852)

Am 11. August 1778 wurde Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn als Sohn des Pfarrers Alexander Friedrich Jahn und der Pfarrerstochter Dorothea Sophia, geb. Schultze in Lanz bei Lenzen an der Elbe geboren. Er besuchte das Gymnasium in Salzwedel und im Grauen Kloster Berlin und studierte ab 1796 in Halle, Frankfurt/Oder, Greifswald und Göttingen Theologie, Geschichte und Philosophie. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit der Arbeit als Haus- und Privatlehrer in Mecklenburg und Jena (1803-05), später als Hilfslehrer an der Plammanschen Anstalt und am Grauen Kloster in Berlin (1810).

Seit der Niederlage Preußens gegen Napoleon 1806 verfolgte Jahn das Ziel, für die Einheit und Freiheit Deutschlands zu wirken. Bereits in seiner Studienzeit in Halle verfasste er die Schrift „Patriotismus in Preußen“. 1810 erschien sein erstes Hauptwerk „Deutsches Volksthum“, in dem er seine Gedanken über Volk und Staat, Sprache und Brauchtum, Erziehung und Bildung darlegte. Im selben Jahr gründete er zusammen mit Karl Friedrich Friesen (1784-1814) den geheimen „Deutschen Bund“ zur Befreiung der deutschen Staaten von der französischen Besatzung und zur Einigung der Deutschen, Vorläufer der Burschenschaften.

In Anlehnung an den Gymnastikplatz von Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839) in Schnepfenthal legte Ludwig Jahn Anfang Juni 1811 den ersten deutschen Turnplatz in der Berliner Hasenheide an. Aus zwanglosen Spaziergängen und Spielen mit seinen Schülern und Studenten entwickelte Jahn das Turnen, das unter seiner Leitung zwischen 1811 und 1813 einen starken Aufschwung nahm. Jahn sah darin die Gesamtheit aller Leibesübungen, er entwickelte Geräteübungen weiter und ergänzte sie durch Spiele, Schwimmen, Fechten und Wandern. Das Turnen stand jedem männlichen Mitglied der Gesellschaft offen ungeachtet der ständischen Schranken. Dies wurde durch die einheitliche Turnerkleidung bekräftigt. Jahn sah das Turnen in engem politischen Zusammenhang. Er wollte die Jugend auf den Befreiungskrieg von der französischen Herrschaft vorbereiten. Aus diesem Grund warb er auch für das von ihm mitbegründete Lützowsche Freikorps und nahm als Kommandeur selbst an den Befreiungskriegen teil. Während seiner Abwesenheit übernahm Ernst Eiselen (1793-1846) den Turnbetrieb in der Hasenheide, mit dem er 1816 sein zweites Hauptwerk „Die Deutsche Turnkunst“ veröffentlichte. Während Jahn in verschiedenen Aufträgen für die preußische Regierung u.a. in Frankfurt/M., Wien und Paris unterwegs war, ihm ein lebenslanger Ehrensold und das „Eiserne Kreuz“ versprochen wurde, forderte er „freie Rechte, eine Verfassung und die Einheit des Vaterlandes“. Nach Jahns Ideen gründeten am 29. Mai 1815 ehemalige Lützower und Studententurner in Jena die Urburschenschaft. Deren Farben Schwarz-Rot-Gold gehen auf die Farben der Lützower Korpskleidung zurück und sollen von Jahn inspiriert worden sein.

Im Jahr 1817 befand sich die Turnbewegung auf ihrem Höhepunkt. Es gab in Preußen über einhundert Turnplätze, 1074 Turner in der Hasenheide. Turnen sollte als Studienfach an der Universität eingeführt werden mit Friedrich Ludwig Jahn als erstem Professor für Turnkunst. Die Universitäten Jena und Kiel verliehen ihm die Ehrendoktorwürde.

In Berlin hielt Jahn Vorträge über das „Deutsche Volksthum“, in denen er die Reaktion und die nach wie vor herrschende Kleinstaaterei angriff. Das Wartburgfest mit einer symbolischen Bücherverbrennung, die auf Jahn zurückging, fand den Argwohn der Regierung. In dessen Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Turnfreunden und Turnfeinden über das Ziel des Turnens, der sogenannten Breslauer Turnfehde. Die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue am 23. März 1819 durch den Studenten und Turner Karl Ludwig Sand führte zum Verbot der Burschenschaft und des Turnwesens. Jahn wurde verhaftet und fünf Jahre in den Gefängnissen von Spandau, Küstrin und Kolberg gefangen gehalten.

1825 wurde Jahn schließlich freigesprochen, seine Ehrenpension weitergezahlt – allerdings unter der Bedingung, dass er sich in keiner Universitäts- oder Gymnasialstadt Deutschlands niederließe. Er wählte seinen Wohnsitz in Freyburg (Unstrut), wo er bis zu seiner vollständigen Rehabilitierung durch König Friedrich Wilhelm IV. unter Polizeiaufsicht lebte. Ihm wurde das „Eiserne Kreuz“ verliehen, das Turnverbot wurde aufgehoben. Nach der Märzrevolution 1948 wurde Jahn Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung (Frankfurt/M.) und nahm an der Gründung des Deutschen Turnerbundes teil.

Am 15. Oktober 1852 starb Friedrich Ludwig Jahn in Freyburg (Unstrut). An der Stirnseite der ersten deutschen Turnhalle wurde er beigesetzt. 1936 wurden seine Gebeine in den Ehrenhof seines Wohnhauses umgebettet. Unzählige Denkmäler wurden für ihn errichtet, Turnhallen und Schulen nach ihm benannt (zum Teil aber in den letzten Jahren wegen seiner antijüdischen Äußerungen wieder aberkannt). In Jahns Freyburger Wohnhaus befindet sich heute das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum.

Hintergrund zum Projekt „Bildung im Vorübergehen“:

Viele hallesche Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte benannt, doch häufig wissen die Bürgerinnen und Bürger gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Deshalb stattet die Bürgerstiftung Halle im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ seit Juli 2008 monatlich eine Straße mit zusätzlichen Informationsschildern aus, die Auskunft über die NamensgeberInnen der Straße geben. Die Initiatorin und „Anstifterin“ des Projektes, Dr. Ingeborg von Lips, verbindet damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischen Persönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen. Das Vorhaben fand von Anfang an eine breite Resonanz in der halleschen Bevölkerung und weit darüber hinaus. Alle ursprünglich von der BÜRGER.STIFTUNG.HALLE vorgeschlagenen Straßen und etliche weitere fanden innerhalb kurzer Zeit ihre „Schilderpaten“. Dabei melden sich nicht nur Hallenserinnen und Hallenser, sondern auch Nachfahren, die z. T. selbst noch nie in Halle waren. Das Projekt wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch den Grafiker Bernd Schmidt, den Fachbereich Kultur der Stadt Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle, das hallesche Stadtarchiv sowie die Firma Horn Verkehrstechnik Halle.

Eine aktuelle Liste der bereits in Vorbereitung befindlichen Straßen ist unter
http://www.buergerstiftung-halle.de/bildung-im-voruebergehen/ abrufbar.

Quellen:
Günther Jahn: Friedrich Ludwig Jahn. Volkserzieher und Vorkämpfer für Deutschlands Einigung. Göttingen ,
Zürich 1992.
http://jahn-museum.de/
http://gymmedia.com/jahn/

verschiedene Artikel in Wikipedia über Friedrich Ludwig Jahn, seine Weggefährten und den historischenHintergrund

Ueberhorst, Horst, “Jahn, Friedrich Ludwig” in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 301-303 [Online-Version]