“Da muss man Leute totmachen”

von 14. März 2010

Historische Kriminalfälle beflügeln immer wieder unsere Fantasie. Je weiter die Taten zurückliegen, desto mehr bekommen sie etwas Mythisches, obwohl sie durch die nüchternen Fakten nichts von ihrer Realität verlieren. Paradebeispiele gibt es zuhauf, vom legendären Jack the Ripper bis zum Mörder von Wandlitz.

Der Kulturjournalist Bert Lingnau stellt nun in seinem neuen Buch „Da muss man Leute totmachen“ sieben Kriminalfälle aus den Jahren zwischen 1924 und 1944 vor. Bis auf eine Ausnahme (Thüringen) haben sie sich alle im norddeutschen Raum zugetragen. Es sind höchst unterschiedliche Fälle, immer jedoch handelt es sich um Schwerverbrechen, die ihre ganz eigene Dramatik besitzen.

Den Auftakt macht der Justizmord an Josef Jakubowski , der von 1924 bis 1930 die Öf-fentlichkeit in Atem hielt und später Stoff für Bücher, Filme und Dramen lieferte. Der polnische Landarbeiter soll seinen unehelichen Sohn umgebracht haben. Obwohl er immer wieder seine Unschuld beteuert, wird er im Februar 1926 hingerichtet. Doch damit ist der "Fall Jakubowski" noch nicht abgeschlossen.

In „Wir werden auseinandergehen!“ schildert der Autor den Kriminalfall des Zimmermanns Karl Jörend, der seine Braut erschossen hat und sich danach mit zwei Schüssen selbst töten wollte. Was war sein Motiv? Die Erniedrigungen seiner Schwiegermutter? Oder litt der Mörder an einer krankhaften Bewusstseinsstörung?

Im November 1930 erschießt der ehemalige Polizeibeamte Hugo Grühn seine Ehefrau Clara. Ein Unfall bei der Waffenreinigung? Doch wie sich später herausstellt, war die Ehe ein Schlachtfeld gewesen. In der Titelreportage „Da muss man Leute totmachen“ wird das Schicksal des jungen Bettlers Hermann Heurig geschildert, der 1931 in Pasenow ein zehnjähriges Mädchen ermordet hatte und sich zwölf Jahre später in einem KZ erhängte.

In der abschließenden Geschichte “Hans im Glück“ schildert Bert Lingnau den tragischen Lebenslauf des deutschen Schriftstellers Hans Fallada, der bereits als Junge einen Mit-schüler erschossen hatte und auch später mehrfach im Gefängnis saß. Seine langjährige Alkohol- und Drogensucht brachte ihn immer wieder in Irrenanstalten und Entzugskliniken.

„Da muss man Leute totmachen“ holt längst vergessen Verbrechen wieder ans Licht. Da-bei geht der Autor auf die persönliche Vorgeschichte von Opfer und Täter ein und schil-dert den Verlauf der jeweiligen Ermittlungen und Gerichtsverfahren. Die einzelnen Kapitel sind spannend geschrieben und gewähren gleichzeitig einen tragischen Einblick in die Gesellschaft der damaligen Zeit. Ein hochinteressantes und unterhaltsames Buch über historische Kriminalfälle.

Manfred Orlick

Bert Lingnau

„Da muss man Leute totmachen – Historische Kriminalfälle“

Mitteldeutscher Verlag Halle 2010, 16,00 €, 176 S., ISBN 978-3-89812-702-8