Der Sänger im Schnee

von 7. Mai 2011

Es war lange Zeit ruhig um den halleschen Schriftsteller Dieter Mucke. Obwohl der Erzähler, Lyriker und Kinderbuchautor in den letzten Jahren mit einigen Preisen ausgezeichnet wurde: Österreichischer Staatspreis für Kinderlyrik (2003) und Walter-Bauer-Preis (2010), mussten seine Leser lange auf ein neues Buch von ihm warten.

Nun liegt im Projekte Verlag Halle mit „Der Sänger im Schnee“ ein Band mit satirischen Märchen und Geschichten vor, der bereits 1979 unter dem Titel „Die Sorgen des Teufels“ im Berliner Eulenspiegel Verlag erschien. Die Neuauflage zeigt, welche Aktualität diese Texte nach über dreißig Jahren noch haben.

Mit dem Stachel der Satire nahm Mucke die damaligen Verhältnisse in der DDR ins Visier. An Heuchelei und Überheblichkeit übte er Kritik und gab die sozialistischen Lebenslügen der Lächerlichkeit preis. Natürlich versteckte der Autor seine Anspielungen und seine Kritik zwischen den Zeilen oder im Märchengewand, um so die allmächtige Zensur und die Stasi zu überlisten.

So begegnet dem Leser bereits in der Auftaktgeschichte „Die kriegerischen Ameisen“ eine Ameisenkönigin, die das Amt des Staatsoberhauptes und des Erziehungsministers in einer Person ausübt. In „Professor Faustus“ steht dagegen ein zwielichtiger Repräsentant des Geisteslebens im Mittelpunkt, der seit Jahrzehnten nicht das Geringste geleistet hat und sich in Anti-Faust-Manier nur wünscht: „Verweile doch, du bist so schön“. Kein Wunder, bekommt er doch jeden Monat sein mehr als erquickliches Gehalt.

In der Titelgeschichte „Der Sänger im Schnee“ ist eine Klimakatastrophe ausgebrochen, denn eine dicke Schnee- und Eisschicht bedeckt die Erde. Selbst die Wissenschaftler und die Computer können das Rätsel nicht lösen. Die abschließende Satire „Der rote Hahn“ ist noch einmal eine bissige Spöttelei auf Polizei und Geheimdienst.

Zu den satirischen Märchen lieferten sicherlich auch Erlebnisse aus Muckes Leben die Anregung, denn der gebürtige Leipziger (seit vielen Jahren Hallenser) hatte während der DDR-Zeit mehrfach unter Repressalien zu leiden und geriet immer wieder ins Visier der Staatssicherheit.

„Der Sänger im Schnee“ ist in der Reihe „Edition Cornelius“ des Projekte Verlages erschienen. Der repräsentative Band ist mit außergewöhnlichen Illustrationen von Regine Heinecke ausgestattet, die die oft grotesken Texte mit wundersamen Gestalten versehen hat. So ist eine literarisch-bildnerische Einheit entstanden, die nicht nur die damaligen DDR-Gesellschaft kritisch beleuchtet, sondern auch parodistisch auf die Unzulänglichkeiten aller politischen Systeme zielt.

Manfred Orlick

Dieter Mucke
„Der Sänger im Schnee“
Projekte Verlag Halle 2011, Edition Cornelius, 19,50 Euro, 128 S., ISBN 978-3-86237-274-4