Der schöne Wahlkrampf

von 21. Februar 2011

Jeden Morgen, wenn ich das Fenster öffne, um die Bude vom Abend davor zu befreien, lächeln mich zwei Männer an: Dr. Mario Kremling von der SPD und Bernhard Bönisch von der CDU. Sie hängen am Laternenpfahl und lächeln genau in mein Fenster, weil sie mir sagen wollen: „Ich bin ein toller Hecht, du musst mich wählen!“ Irgendwie traue ich aber diesem Lächeln nicht. Ich ahne, dass sich die Fotografen viel Mühe gegeben haben, damit die Fotos Natürlichkeit ausstrahlen. Tun sie aber nicht. Am wenigsten bei Dr. Kremling. Sein Lächeln wirkt auf mich, als hätte er sein dioxinhaltiges Frühstücksei im Ganzen verschluckt. Die dicke Brille soll Intelligenz vortäuschen. Die glaube ich ihm auch nicht. Das CDU-Lächeln dagegen wirkt etwas lockerer, so wie gespielte Lockerheit eben wirkt – aufdringlich. Bei Böhnisch hat man aber noch den Eindruck, dass ihm das Schmuddelgeschäft der Politik Spaß macht, man weiß nur nicht wie lange. Vielleicht hat ihm der Fotograf auch einen Witz erzählt, wie den zum Beispiel, den ich von meinem Hausarzt zu hören bekam, der ihn wiederum von seinem Klempner hatte:
Der kleine Sohn fragt den Vater, was Politik sei.
Der Vater meint: "Nehmen wir zum Beispiel unsere Familie. Ich bringe das Geld nach Hause, also nennen wir mich Kapitalismus. Deine Mutter verwaltet das Geld, also nennen wir sie die Regierung. Wir beide kümmern uns fast ausschließlich um Dein Wohl, also bist Du das Volk. Unser Dienstmädchen ist die Arbeiterklasse und Dein kleiner Bruder, der noch in den Windeln liegt, ist die Zukunft. Hast du das verstanden?"
Der Sohn ist erst einmal zufrieden. In der Nacht erwacht er, weil sein kleiner Bruder in die Windeln gemacht hat und nun schreit. Er steht auf und klopft am elterlichen Schlafzimmer, doch seine Mutter liegt im Tiefschlaf und lässt sich nicht wecken. Also geht er zum Dienstmädchen und findet dort seinen Vater bei ihr im Bett. Doch auch auf sein mehrmaliges Klopfen hin lassen die beiden sich nicht stören. So geht er wieder in sein Bett und schläft weiter.
Am Morgen fragt ihn sein Vater, ob er nun wisse, was Politik sei.
Der Sohn antwortet: "Ja, jetzt weiß ich es. Der Kapitalismus missbraucht die Arbeiterklasse, während die Regierung schläft. Das Volk wird total ignoriert und die Zukunft ist voll Scheiße!"

Von solch einem abgeschmackten Witz würden Bönisch und Kremling sich natürlich voll inhaltlich distanzieren. Ich auch. Wo kommen wir denn hin, wenn das Volk Witze macht. Das führt doch am Ende zu ägyptischen Verhältnissen.

Obwohl, mir gehen diese lächelnden Gesichter jeden Morgen gehörig auf den Zünder. Das ist kein Lächeln, das ist Marketing oder, wie es der Landeswahlleiter mit dem klangvollen Namen Klaus Klang formuliert:
"Die Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes und die freie Meinungsäußerung auch in Form von Wahlwerbung, zum Beispiel Plakaten, sind grundlegende Voraussetzungen in einer Demokratie und dürfen in keiner Weise behindert werden“.
Eins weiß ich genau, diese beiden, die mich da jeden Morgen mit ihrem mitwirkenden Lächeln malträtieren, werde ich ganz bestimmt nicht wählen. So haben diese Plakate eben doch zu meiner politischen Willensbildung beigetragen, deshalb reiße ich sie auch nicht herunter sondern ertrage sie und … lächle zurück.
Einen schönen Wahlkrampf.

Friedrich Ohnzorn