Die Seidenraupen sind wieder in den Franckeschen Stiftungen zuhause

Die Seidenraupen sind wieder in den Franckeschen Stiftungen zuhause
von 28. Mai 2018

Geschichte mit Naturwissenschaft verbindet im Pflanzgarten der Franckeschen Stiftungen die Diplom-Biologin Cornelia Jäger. Derzeit betreut sie etwa 100 Seidenraupen, wie sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den Franckeschen Stiftungen zuhause waren. Im Rahmen der umweltpädagogischen Angebote im Pflanzgarten können die Kinder das Wachsen und die Wandlung vom Ei zum Falter miterleben. Ganz nebenbei erfahren sie die Geschichte des Seidenbaus in Preußen.

Anfang des 18. Jahrhunderts kam mit den Hugenotten die aus China stammende Kunst des Seidenbaus nach Preußen. Die Seidenraupenzucht galt bald als Zauberformel, um das preußische Außenhandelsdefizit zu bekämpfen und den Staatshaushalt zu sanieren. Der preußische König ordnete deswegen an, überall im Land Maulbeerbäume anzupflanzen, um Myriaden hungriger Raupen hochzupäppeln, aus deren Kokons dann wertvolle Seidenfäden gewonnen werden sollten. Am 17. Februar 1744 wies Friedrich II. (1712–1786) per Befehl auch das Hallesche Waisenhaus an, eine Maulbeerbaum-Plantage für die Seidenraupenzucht anzulegen »zu deren Anrichtung und würcklichen cultivirung die Waysen Kinder gebrauchet und beständig angeführet werden sollen […]«. Unter dem Direktor Gotthilf August Francke (1696–1769) entstand dort, wo heute die Hochhäuser in der Voßstraße stehen, aus einem Grundstock von 330 geschenkten Pflanzen in den folgenden zwei Jahren eine Baumschule mit über 4.600 größeren und 15.000 jungen Maulbeerbäumen. Denn nur mit deren Blättern lassen sich die Seidenraupen füttern. Im Archiv gibt es über dieses aktuelle Thema des 18. Jahrhunderts viele Aufzeichnungen bis hin zu Zeichnungen und historischer Fachliteratur. Drei Jahre später begann hier die Produktion von Rohseide. 1805 musste der Seidenbau aufgrund der widrigen klimatischen Bedingungen in ganz Preußen eingestellt werden. Seidenraupen sind empfindlich und eigentlich in wärmeren Regionen zuhause.

Heute erinnern vier Maulbeerbäume auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen an diese Tradition. Ganz aktuell liefern sie das Futter für die hungrigen Seidenraupen, deren Lebenszyklus von den SchülerInnen aufmerksam beobachtet wird. Die Eier hatte Cornelia Jäger bei der Initiative Zernikow bestellt, die die Erinnerung an die Zeit der intensiven Seidenproduktion in Preußen wachhält. In nur wenigen Tagen waren die Raupen geschlüpft, die dank der regelmäßigen Fütterung mit frischen Maulbeerbaumblättern und gleichmäßiger klimatischer Bedingungen rasant wuchsen. Die Kinder werden im Pflanzgarten der Franckeschen Stiftungen die Entstehung der Falter bewundern können, die pro Weibchen bis zu 500 Eier legen können. Kurz nach der Eiablage sterben die Falter. Die Eier können für die nächste Maulbeersaison aufbewahrt werden, die im Pflanzgarten beginnt, sobald die Bäume wieder frische Blätter austreiben.