Ehrung für Händel und seinen Musiklehrer

von 8. Juni 2009

Händel kennt in Halle (Saale) so ziemlich jedes Kind, bei Zachow sieht das schon ein bisschen anders aus. Beide sind aber für die hallesche Geschichte von Bedeutung und werden nun geehrt – die nach Händel und Zachow benannten Straßen erhalten in dieser Woche im Rahmen des Projekts „Bildung im Vorübergehen“ der Bürgerstiftung Zusatzschilder, die auf wichtige biografische Daten hinweisen sollen. Gespendet wurden die Schilder von Susann Ohme (Zachow) sowie Christine und Bernd Pohle.

Die Zachowstraße, zwischen Lutherplatz und Merseburger Straße im Stadtbezirk Süd gelegen, trägt ihren Namen seit 1930 und ist benannt nach dem Musiker und Komponisten Friedrich Wilhelm Zachow (vereinzelt auch Zachau). Er wurde wahrscheinlich am 13. November 1663 geboren. Fest steht, dass er am 14. November in der Leipziger Nikolaikirche getauft wurde. Er war der erste Sohn des damaligen Leipziger Kunstgeigers Heinrich Zachow und dessen zweiter Frau, Elisabeth, Tochter des halleschen Stadt- und Kunstpfeifers Gottfried Maune. Er hatte eine ältere Halbschwester aus des Vaters erster Ehe, nach ihm folgten sechs weitere Geschwister. Bei den Zachows handelt es sich vermutlich um eine weit verzweigte Familie von Stadtpfeifern und Hofmusikern des 17. Jahrhunderts in Nord- und Mitteldeutschland.

Das musikalische Milieu, in dem Friedrich Wilhelm Zachow aufwuchs, war bestimmt durch die ständigen Querelen zwischen den um soziale Wertschätzung und finanzielle Gleichberechtigung kämpfenden Kunstgeigern und den traditionell privilegierteren Stadtpfeifern. Erste musikalische Unterweisung erhielt er möglicherweise von dem mit den Eltern befreundeten Thomasorganisten Gerhard Preisensin, der allerdings verstarb, als Friedrich Wilhem acht Jahre alt war. Über seine schulische Bildung können wieder nur Vermutungen angestellt werden. Da allerdings eine Eintragung in das Leipziger Universitätsmatrikel von 1675 vorliegt (obwohl er wahrscheinlich nie ein Studium aufgenommen hat), liegt die Annahme nahe, dass er eine der beiden Lateinschulen in Leipzig besucht hat (wahrscheinlich Thomasschule, die auch minderbemittelte Schüler aufnahm). Ende 1675 wurde Heinrich Zachow eine Stadtpfeiferstelle in Eilenburg an der Mulde angeboten. Natürlich nahm er die privilegiertere Stellung an, zum Preis des Umzugs in die kleine Provinzstadt, in der er 30 Jahre lang wirken sollte. Er hatte hier etliche Schüler, die, wie damals in der Zunft üblich, fünf Jahre als Lehrling ausgebildet wurden, bevor sie als Geselle arbeiten konnten. Die Ausbildung der durchaus als Handwerk betrachteten Musizierkunst sah das Erlernen vieler verschiedener, damals gebräuchlicher Stadtpfeiferinstrumente vor (wie zum Beispiel trumpete, zincken, discant, querpfeife, dulcian, quart posaune, kornett und fagott). Auch Gesang wurde häufig gelehrt.

Während es als sicher gelten kann, dass Friedrich Wilhelm neben dem Besuch der Nikolaischule in Eilenburg bei seinem Vater in die Lehre ging, ist nicht bekannt, woher er seine gute Ausbildung in Orgelspiel und Komposition erhielt, möglicherweise beim damaligen Eilenburger Stadtorganisten Johann Hildebrandt, der als vielseitig begabter und hochgebildeter Mann galt. Andere bedeutende Musiker, die mit Sicherheit Einfluss auf die musikalische Entwicklung des jungen Zachow hatten, waren die Kantoren der Nikolaikirche Johann Schelle, der 1677 Thomaskantor in Leipzig wurde, und Basilius Petritz, später Kantor der Dresdner Kreuzkirche. Nach Abschluss der Lehrzeit war er wohl einige Zeit als Stadtpfeifergeselle in Eilenburg tätig. Am 11. August 1684 wurde der erst zwanzigjährige Zachow zum Organisten der halleschen Marienkirche gewählt. Vielleicht hatte er dieses ehren- und verantwortungsvolle Amt einer Intervention seines Großvaters Gottfried Maune, der seit ca. 1660 der Halleschen Stadtpfeiferzunft als Präfekt vorstand, zu verdanken. Auf jeden Fall gab auch der damalige Pastor der Marienkriche, der hallesche Superintendent Dr. Gottfried Olearius, der Wahl des Kirchenkollegiums seine Zustimmung. Mit dieser Berufung verbesserte sich Zachows soziale und finanzielle Position beträchtlich. Die Position des Organisten der Kirche St. Marien bzw. Unserer lieben Frauen umfasste nicht nur die Orgeldienste, sondern auch die Leitung der Figuralmusik. Dafür standen ihm ein Chor mit Sängern der drei Stadtkirchen sowie Schülern des lutherischen Gymnasiums sowie die fünf Stadtpfeifer und drei Kunstgeiger zur Verfügung. Friedrich Wilhelm Zachow hatte unter den halleschen Musikern seiner Zeit, deren Bedeutung lokal begrenzt war und von denen keiner Kompositionen hinterlassen hat, ohne Zweifel die stärkste künstlerische Potenz. Dass Zachow auch vom Kirchenkollegium hoch geschätzt wurde, beweist das ihm zugebilligte Einkommen. Bereits in den ersten Amtsjahren erhielt er – trotz seiner Jugend – ein Jahresgehalt von 100 Talern und war damit finanziell dem Diakon gleichgestellt.

Eine zusätzliche Einnahmequelle bildete seine Tätigkeit als Lehrer. Zu seinen Schülern zählten so bedeutende Musiker wie Gottfried Kirchhoff und der hallesche Ulrichsorganist Johann Gotthilf Ziegler, bekannt vor allem als einer der Weimarer Schüler Johann Sebastian Bachs, sowie natürlich – um 1692 – Georg Friedrich Händel. Zachow unterwies seine Schüler sowohl in der Komposition als auch auf dem clavier (wobei dabei allgemein Tasteninstrumente gemeint sind). Händel soll bei ihm außerdem Violine, Orgel, Harpsichord und Oboe studiert haben. Händel äußerte sich stets lobend über seinen Unterricht und behielt seinen Lehrer zeitlebens in respektvollem Andenken. Nach Zachows Tod half er dessen Witwe mehr als einmal bei finanziellen Schwierigkeiten. Am 24. Oktober 1693 hatte Zachow die 26jährige Maria Dorothea Anschütz, Tochter des Eilenburger Stadtrichters, geheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Nach Zachows plötzlichem Tod durch einen Schlaganfall am 7. August 1712 wurde seine Stelle an der Marienkirche durch seinen Schüler Gottfried Kirchhoff besetzt, nachdem Johann Sebastian Bach abgelehnt hatte. In der Musikgeschichte wird Zachow als am Übergang vom geistlichen Konzert in der Schütz-Tradition zur madrigalischen Kantate der Bach-Zeit stehend eingestuft. Er hinterließ unter anderem ca. 50 Orgelchoräle und 32 Kirchenkantaten.

Quellen:
Thomas, Günter: Friedrich Wilhelm Zachow, Diss., Regensburg 1966.
Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 2.
neub. Aufl., Personenteil, Bd. 17, 2007.
Deutsche Biographische Enzyklopädie, 2. überarb. Aufl., Bd.10, S. 611.