Ehrung für Thomasius

von 14. Januar 2010

Monat für Monat bringt die Bürgerstiftung im Rahmen des Projekts „Bildung im Vorübergehen“ Zusatzschilder an Straßenschildern an. Damit soll auf den Namensgeber hingewiesen werden, denn viel zu oft wissen Hallenser und Gäste nicht, nach wem denn eigentlich die Straße benannt wird. In der kommenden Woche wird der Philosoph und Jurist der deutschen Aufklärung sowie Mitbegründer der Universität Halle Christian Thomasius geehrt. Die Zusatzschilder wurden von Justizministerin Angela Kolb, Prof. Rolf Lieberwirth, Prof. Dr. Heiner Lück, Dr. Frank Nagel sowie Dr.Irmgard Richter gesponsert.

Weitere Informationen lesen Sie auf Seite 2
[pagebreak]
Der berühmte Jurist, Philosoph und Hochschullehrer Christian Thomasius wurde am 1. Januar 1655 in Leipzig geboren. Sein Vater Jacob Thomasius war unter anderem Lehrer von Gottfried Wilhelm Leibniz und zeitweise Rektor sowohl der Nicolai- als auch der Thomasschule.
Zügig durchlief Christian Thomasius die ersten Stufen der Bildung und qualifizierte sich für ein Studium an der Universität Leipzig. Dort studierte er Geschichte und Philosophie, aber auch Physik und Mathematik. Im Jahr seines Abschlusses 1672 erschien das Werk De iure naturae et gentium (Vom Recht der Natur und der Völker) von Samuel von Pufendorf (1632-1694), welches den jungen Magister der Philosophie stark beeinflusste. Obschon seine Leipziger Lehrer dieses naturrechtliche Grundlagenwerk verwarfen, musste Thomasius feststellen, dass er den Gedanken Pufendorfs logisch nichts entgegenzusetzen hatte. Interessanterweise ging er dem sich dadurch eigentlich ergebenden Konflikt mit der Lehre seiner Mentoren aus dem Weg, indem er eher an den Fähigkeiten seines Verstandes zweifelte, als an seinen Lehrern. Noch fehlte ihm wohl der revolutionäre Impetus späterer Jahre. Dennoch hatte diese Episode schon zu diesem Zeitpunkt entscheidenden Einfluss auf sein Leben, da er sich fortan der Rechtswissenschaft zuwandte. Diese sollte später sein Beruf werden.
Ab 1675 studierte er an der Universität Frankfurt an der Oder und promovierte 1679 in Jura. Er hielt schon bald selbst Vorlesungen und versuchte, da er mit dem Gelernten nicht recht zufrieden war, die Naturrechtslehre (Annahme eines vorstaatlichen, übergeordneten, ewigen Rechts) zur Verbesserung des Positiven Rechts (des von Menschen geschaffenen und damit veränderlichen Rechts) einzusetzen. Dabei wurde er wieder von Pufendorf beeinflusst, dessen Gedanken ihn immer mehr an der alten Lehre zweifeln ließen und zu einer inneren Sinnkrise führten. Diese führte zu der Feststellung, dass alles was man ihm bis dahin gelehrt hatte ein Chaos ohne Klarheit und Begründungen war. Fortan wollte er nur noch seinem Verstand vertrauen und mit allen Vorurteilen und Schulmeinungen brechen. In diesem Sinne kehrte er als Rationalist und Aufklärer in seine Heimatstadt zurück, wo er als Anwalt in Kriminalfällen auftrat und Privatvorlesungen mit großem Erfolg hielt.
1680 heiratet er Auguste Christiane, die Tochter des kurbrandenburgischen Hofrats Polycarp Heyland. Das Paar hatte 6 Kinder.
Thomasius große Zeit begann 1684, als er offen gegen die vorherrschenden Lehrmeinungen und deren geistiger Erstarrung vorging und sich damit allein mit der ganzen Gelehrtenwelt Deutschlands anlegte. Seine von Gegnern gefürchtete Polemik brachte ihm nicht zu letzt die Bewunderung der akademischen Jugend Leipzigs und später ganz Norddeutschlands ein. Er stützte sich bei seinen Angriffen auf die Theorie des Naturrechts, wie sie Pufendorf vertreten hatte, baute dessen Gedanken jedoch noch weiter aus. Großes Aufsehen erregte etwa seine Dissertation über Bigamie (1684), sein Lehrbuch des Naturrechts (1687) und seine Schrift Von der Nachahmung der Franzosen (1687), an die sich eine Vorlesung anschloss, in der er die Grundregel „vernünftig, klug und artig zu leben“ aufstellte. Diese Vorlesung erregte die Gemüter im gesamten Reich, weil Thomasius als erster eine Universitätsvorlesung nicht auf Latein sondern in deutscher Sprache hielt.
Hatte Thomasius die Gelehrten seiner Heimatstadt durch diese Schriften schon gegen sich aufgebracht, machte er sie sich durch die Herausgabe der von ihm selbst verfassten Zeitschrift Monatsgespräche vollends zu Feinden. Zwar erschien diese deutschsprachige Zeitschrift nur von 1688 bis 1690, doch der teilweise ironisch-satirische Stil sorgte, verbunden mit der kritischen Rezension von Büchern dafür, dass die Leipziger Gelehrtenwelt sich provoziert und karikiert fühlte.
1690 musste Thomasius Leipzig verlassen und zog ins benachbarte Halle. Hier lebte er sich schnell ein und rief durch seine Vorlesungen die juristische Fakultät der Saalestadt ins Leben. Damit war er maßgeblich an der Gründung der Universität Halle beteiligt, die 1694 auch förmlich und feierlich vollzogen wurde. In Abgrenzung zur offiziellen Universitätsgründung durch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg gilt Thomasius deshalb als spiritus rector, als geistiger Gründer, der halleschen Friedrichsuniversität.
Überragende Bedeutung gewann er 1701 durch seine Schrift Dissertatio de crimine magiae, in der er nicht nur die Beweisbarkeit eines Teufelsbündnisses, sondern auch seine generelle Möglichkeit negierte. In der ausklingenden Hochphase der Hexenverfolgung forderte er als einer der wenigen die Abschaffung der grausamen Hexenprozesse, während zeitgleich an anderen Universitäten des Reiches und auch in Halle angesehene Professoren wie Friedrich Hoffmann noch immer die Hexenlehre „wissenschaftlich“ verteidigten.
In diesem Zusammenhang führte Thomasius auch einen langen Kampf gegen die Gültigkeit des Römischen Rechts in Deutschland, da er nach historischen Studien zu der Überzeugung gelangt war, dass die „schlimme Trias“ aus Inquisitionsprozessen, Hexenverfolgung und Folter, die er abschaffen wollte, aus eben diesem Römischen Recht stamme. Aus diesem Grund setzte er sich für die Bedeutung des heimischen, also „deutschen“ Rechts ein, in das er wiederum viele Gedanken des Naturrechts einfließen ließ und es in späteren Schriften auf das Feudalrecht, aber auch Staats- und Strafrecht bezog.
Es waren diese revolutionären Ansichten Thomasius‘, die ihn auch zunehmend in Konflikt mit den Pietisten in Halle brachten. Es blieb aber nicht bei akademischen Ermahnungen und Diskussionen, sondern es wurden über Jahre hinweg immer wieder gegenseitige Anklagen und Beschwerden an den König in Berlin gesandt, der zumeist im Sinne friedlicher Übereinkunft entschied. Mit der Ernennung zum Ordinarius der juristischen Fakultät im Jahr 1710 wurde Thomasius‘ Stellung dann auch sichtbar gestärkt und die Konflikte mit dem Pietismus ebbten zunehmend ab.
Als Thomasius am 23. September 1728 starb, war er einer der bekanntesten und einflussreichsten Juristen seiner Zeit. Seine Schriften haben die Entwicklung des Rechts maßgeblich beeinflusst und einen wichtigen Schritt zur Abschaffung von Inquisition, Hexenverfolgung und Folter geleistet. Die Stadt Halle im Besonderen verdankt Thomasius zu einem großen Teil die Gründung ihrer Universität und deren außergewöhnlichen Ruf.
(Thomas Grunewald)

Literatur:
Bühler, Christoph: Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius (1655-1728), Regensburg, 1991
Lieberwirth, Rolf: Christian Thomasius (1655-1728), in: Jerouschek, Günther/ Sames, Arno (Hrsg): Aufklärung und Erneuerung – Beiträge zur Geschichte der Universität Halle im ersten Jahrhundert ihres Bestehens (1694-1806), Hanau u. a., 1994
Lück, Heiner (Hrsg): Christian Thomasius. Wegbereiter moderner Rechtskultur und Juristenausbildung, Hildesheim u. a., 2006